Die israelische Regierung berichtete, weniger als ein Prozent des "israelischen Staatslandes" im Westjordanland sei in den vergangenen drei Jahrzehnten an Palästinenser übergeben worden. Weitere 38 Prozent sind nach neuesten Belegen für jüdische Siedlungen zur Verfügung gestellt worden.
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Die israelische Zivilverwaltung, die für die Verteilung des "israelischen Staatslandes", also des Landes im Westjordanland, das sich angeblich in öffentlicher Hand befindet, verantwortlich ist, übergab dem israelischen Obersten Gerichtshof Unterlagen, die belegen, dass der Prozess der Landzuteilung eine deutliche politische Dimension aufweist, wie die israelische Tageszeitung Ha’aretz berichtete.

Das "israelische Staatsland" im Westjordanland umfasst etwa 1.315 Quadratkilometer und wird in seiner überwiegenden Mehrheit dazu genutzt, die jüdischen Siedlungen auszuweiten.

Diese Informationen kamen ans Licht, nachdem die Vereinigung für Bürgerrechte in Israel und die Organisation "Bimkom" (was übersetzt so viel wie »Planer für Planungsrechte« bedeutet) vergeblich versucht hatten, von der Zivilverwaltung Informationen über das Staatsland im Westjordanland zu erhalten, was dann zu einer formellen Beschwerde vor Gericht auf Herausgabe der Informationen führte.

Am 28. März wurde die Zivilverwaltung dann aufgefordert, Informationen dazu offenzulegen, wie es dazu kam, dass sich von den 1.315 Quadratkilometern im Westjordanland immer noch 671 km2 in Staatsbesitz befinden, während der Zionistischen Weltorganisation 400 km2 und weitere 103 km2 verschiedenen Telekommunikationsunternehmen sowie lokalen Regierungseinrichtungen zum Bau öffentlicher Gebäude überlassen wurden. Anderen Versorgungseinrichtungen wurden zwölf Prozent des Staatslandes zugesprochen (etwa 160 km2). Im Vergleich dazu erhielten Palästinenser 8,6 km2 oder 0,7 Prozent des Staatslandes in der Region.

Die Verteilung von »Staatsland« als Instrument der Politik

Viele Kritiker haben argumentiert, die Abwicklung der Landverteilung sei »ungerecht« und werde dazu benutzt, die israelischen Siedlungen auszuweiten. »Die Informationen über die Landverteilung an die Palästinenser, die die Zivilverwaltung auf gerichtliche Anordnung hin offenlegen musste, zeigen, [dass] die israelische Politik festlegt, dass ›Staatsland‹ im Westjordanland nur für die Nutzung durch Israelis - in ihrer Mehrheit handelt es sich um Siedler - freigegeben wird«, erklärte Nir Shalev, Forschungsmitarbeiter bei Bimkom gegenüber Ha’aretz.

Nach Angaben von Experten wurden die Entscheidungsprozesse dazu, welches Land zum "Staatsland" erklärt wurde, immer stärker von politischen Faktoren geprägt und gegenüber früher noch rigider angewandt, nachdem 1979 der Oberste Gerichtshof die staatliche Praxis der Beschlagnahmung palästinensischen Landes aus »Sicherheitsgründen« für verfassungswidrig erklärt hatte. Israel begann nun damit, große Gebiete des Westjordanlandes zu "Staatsland" zu erklären, um auf diese Weise die Entscheidung des Gerichts zu umgehen.

Nach israelischem Gesetz geht jedes Land, das kultiviert und bearbeitet wird, nach zehn Jahren in den Besitz des bearbeitenden Landwirts über und kann vom Staat nicht beschlagnahmt werden. Die Zivilverwaltung hatte ursprünglich die Aufgabe, die vorliegenden Aussagen unter Einbeziehung von Luftaufnahmen zu überprüfen und dann zu entscheiden, welches Land bearbeitet worden war, um dann festzulegen, welches Land Privateigentum sei.

Aber dann begannen die Behörden, Parzellen privaten und nichteingetragenen palästinensischen Landes einzuziehen, da es angeblich »unzureichend bearbeitet« werde. »Dahinter stand natürlich die Absicht, den Siedlungen so viel Land wie möglich zuzuschanzen«, sagte der unabhängige Siedlungsexperte Dror Etkes gegenüber der im Mittleren Osten erscheinenden Zeitung The National.

Es liegen viele bestätigte Fälle vor, in denen kultiviertes palästinensisches Land zerstört und als »Staatsland« beschlagnahmt wurde. Im Januar räumte die Zivilverwaltung vor dem Militärgericht in Ofer ein, dass die Entscheidungen zur Beschlagnahmung tatsächlich politisch motiviert waren, berichtete Ha’aretz.

In einem Fall, der vor dem Obersten Gericht verhandelt wird und der den Außenposten Hayovel betrifft, ergab sich, dass die Regierung die Zwischenräume zwischen bebautem oder bearbeitetem Land - etwa zwischen Bäumen - als »unbearbeitet« eingestuft und zu »Staatsland« erklärt hatte, um so diese palästinensischen Grundstücke, die mit Häusern bebaut waren, beschlagnahmen zu können. Die betroffenen Palästinenser hatten gegen diese Entscheidung Beschwerde eingelegt, was zu einem nun schon sieben Jahre andauernden Rechtsstreit führte.

»Letztlich entscheidet auf der politische Ebene der Verteidigungsminister darüber, welches Land zu Staatsland erklärt wird«, erklärte Gilad Palmon von der Aufsichtsabteilung der Zivilverwaltung vor Gericht. Ein anderer Vertreter der Behörde, Jossi Segal, sagte aus, die »politische Ebene entscheidet über die Größe des Gebiets«.

Dror Etkes erklärte, die Behörden wählten die Grundstücke, die sie dann zu Staatsland erklärten, gezielt aus. Wichtiges Kriterium sei dabei die Bedeutung [der Grundstücke] für die Ausweitung der israelischen Siedlungen etwa in Regionen nahe Susya, Tekoa, Ma’aleh Adumim und Kirjat Arba. »Die Ergebnisse, die nur eine Stichprobe darstellen, untermauern den Vorwurf, den die palästinensischen Landeigentümer in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder vorgebracht haben: Unter dem Deckmantel, das umfangreiche Gebiete - in der Größenordnung von 1.000 km2 - zu "Staatsland" erklärt worden waren, hat sich Israel umfangreiche Regionen kultivierten Landes angeeignet, die ihren Eigentümern im Rahmen von Verwaltungsentscheidungen, die kaum einer öffentlichen und rechtlichen Aufsicht unterliegen, gestohlen worden waren, da es sich angeblich um ›unkultiviertes‹ Land gehandelt habe«, sagte Etkes gegenüber Ha’aretz.

Das Gebiet Ma‘aleh Adumim war in den 1970er Jahren teilweise bearbeitet. 2005 wurde dann die gesamte Region zu "Staatsland" erklärt und beschlagnahmt. Heute werden dort Siedlungen errichtet.

Die internationale Gemeinschaft betrachtet die israelische Kontrolle des Westjordanlandes als militärische Besatzung. Im Juli 2004 urteilte der Internationale Gerichtshof in Den Haag, das Westjordanland, einschließlich Ostjerusalems, sei als Gebiet zu betrachten, das von Israel militärisch besetzt werde. Die palästinensischen Araber machen etwa 80 Prozent der Bevölkerung der Region aus.