Als weltweite Organisation, die dazu gedacht ist, gegnerischen Ländern ein Forum zu bieten, "ihre Differenzen friedlich beizulegen", sind die Vereinten Nationen nicht gerade erfolgreich, doch auf anderen Gebieten, beispielsweise bei der Armutsbekämpfung und der Verbesserung der Gesundheitsfürsorge in armen Ländern können sie durchaus einige Erfolge verzeichnen.
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Warum sollte dann eine ihrer Unterorganisationen, die Weltgesundheitsorganisation (WHO),bewusst einen Impfstoff puschen, der Kinder umbringt? Das fragen sich Wissenschaftler und Fachleute in Indien. Ein Leitartikel in der Zeitschrift Indian Journal of Medical Ethics (IJME) beschuldigt die WHO, einen pentavalenten Impfstoff zu puschen, indem »sie fälschlich behauptet, es sei nie ein Fall einer unerwünschten Wirkung nach einer Impfung (»adverse event following immunization«, AEFI) mit dem Impfstoff gemeldet worden«. Tatsächlich stimme das nicht, so wird in dem Artikel betont.

WHO sagte: »Keine Nebenwirkungen«

Der von Dr. Jacob Puliyel, dem Chef der Kinderklinik am St. Stephens Hospital in New Delhi, verfasste Leitartikel basiert auf einer detaillierten Untersuchung des Todes von Kindern in Bhutan, Sri Lanka, Vietnam und Indien, die zuvor mit einem pentavalenten Impfstoff geimpft worden waren. Der Impfstoff kombiniert den Diphterie-, Keuchhusten- (Pertussis-) und Tetanus-Impfstoff (DPT), der seit Langem bei nationalen Impfprogrammen in Gebrauch ist, mit Hepatitis-B- und H-Influenza-B- oder HiB-Impfstoff.

»Laut dem IJME-Leitartikel setzte das Gesundheitsministerium von Vietnam am 4. Mai 2013 die Verwendung des Impfstoffs Quinvaxem - die in diesem Land angewandte pentavalente Kombination - nach zwölf Todesfällen und neun anderen nicht-tödlichen schweren Nebenwirkungen aus. Örtliche Presseberichte besagen, alle gestorbenen Säuglinge seien vor der Impfung gesund gewesen, sie hätten schwere Atemprobleme entwickelt und seien kurze Zeit später gestorben«, betont die private Ermittlungsagentur Office of Medical and Scientific Justice (OMSJ).

Doch WHO-Vertreter, die die Vorfälle untersuchten, erklärten, es gebe keinen Zusammenhang zwischen den Todesfällen und dem Impfstoff. Vielmehr sei »Quinvaxem von der WHO vorqualifiziert worden und nie sei ein Fall einer tödlichen Nebenwirkung nach einer Impfung mit diesem Impfstoff in Verbindung gebracht worden«. Puliyel hält dagegen, die WHO-Vertreter hätten den Tod der zwölf Kinder nach der Impfung nicht bestritten, es sei »deshalb offenkundig falsch und irreführend, zu dem Schluss zu kommen, nie sei ein AEFI mit dem Impfstoff in Verbindung gebracht worden«.

Puliyel verweist darauf, dass der Kombinationsimpfstoff von der amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA für die Verwendung in den USA nicht zugelassen worden ist und auch in keinem anderen Industrieland verwendet wird. Dennoch empfiehlt die WHO den pentavalenten Impfstoff in ärmeren Entwicklungsländern, indem sie den Hepatitis-B- und HiB-Impfstoff dem "gut verträglichen DPT-Impfstoff" hinzufügt, um die Anwendung des Ersteren zu erhöhen.

»Ungeklärte Todesfälle kurz nach der Impfung«

Der Chef der Kinderklinik sagt weiter, es sei eine Reihe schwerer Nebenwirkungen und Todesfälle bei der Verwendung von pentavalentem Impfstoff gemeldet worden, der von anderen Herstellern in anderen Ländern stammte. Bhutan, Sri Lanka und Pakistan hätten die Verwendung des Impfstoffs »nach ungeklärten Todesfällen kurz nach der Impfung« gestoppt. Er schrieb:

-- Die Regierung habe das Impfprogramm nach vier Todesfällen stoppen lassen, sei jedoch später von WHO-Vertretern überzeugt worden, es wieder aufzunehmen. Laut Puliyel kam es nach der Wiederaufnahme des Impfprogramms erneut zu vier Todesfällen, die Regierung habe es seitdem wieder ausgesetzt.

-- Nachdem in Sri Lanka Kinder gestorben waren, habe die Regierung die Impfbemühung ausgesetzt. »Ein WHO-Ausschuss, der die Todesfälle untersuchte, berichtete, sie seien nicht auf den Impfstoff zurückzuführen, konnte jedoch keine andere Todesursache finden«, sagte das OMSJ.

-- In Pakistan, wo ein Kind innerhalb von 30 Minuten nach der Impfung und zwei weitere innerhalb von zwölf bis 14 Stunden starben, sei der Impfstoff nicht direkt verantwortlich gemacht worden, es habe sich aber keine andere Todesursache gefunden, so Puliyel.

-- Wie er weiter schrieb, seien bisher in Indien 21 Kinder bei einem limitierten Versuch mit dem Impfstoff gestorben, der 2011 in Tamil Nadu und Kerala begonnen worden war. Die indische Regierung hat den Plan bekanntgegeben, den Impfstoff nach der Beobachtung seiner Verwendung in diesen beiden Staaten auch in anderen Bundesstaaten einzuführen.

Den Preis von Menschenleben nicht wert

»Bei allen Todesfällen, die in diesem Leitartikel besprochen werden, war der gemeinsame Faktor, dass die Kinder pentavalenten Impfstoff erhalten hatten und bei den meisten von ihnen hohes Fieber, exzessives Schreien und in einigen Fällen auch Krämpfe folgten, bevor das Kind starb«, schrieb Puliyel, der noch hinzufügte, er sei überrascht darüber, dass die WHO »die Verbindungz wischen den Todesfällen« in all den Ländern, wo der Kombinationsimpfstoff verwendet wurde, nicht erkannt habe.

Der Leitartikel verweist darauf, dass die Mehrzahl der Todesfälle nach der ersten Dosis auftrat. Und die Tatsache, dass so viele nach der ersten Dosis aufgetreten seien, deute darauf hin, dass die Todesfälle keine zufälligen Ereignisse seien, so Puliyel.

Schließlich hinterfragt Puliyel noch, warum es notwendig gewesen sei, die HiB-Impfung in Indien einzuführen, denn HiB trete dort historisch selten auf. Wie er schreibt, werde die Impfung von 25 Millionen Säuglingen bestenfalls 350 Kinder vor einer HiB-Meningitis und HiB-Pneumonie schützen, aber »3125 werden an Nebenwirkungen des Impfstoffs sterben«.