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Sie manipulieren andere, sind erfolgreich - und gefährlich. Überdurchschnittlich viele Psychopathen schaffen es ins höchste Management, sagt der Psychologe Jens Hoffmann.

ZEIT ONLINE: Es heißt, Manager mit psychopathischen Zügen seien gut für den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens. Herr Hoffmann, können Sie das bestätigen?

Jens Hoffmann: Auf keinen Fall. Psychopathen sind gefährlich - auch für den Unternehmenserfolg.

ZEIT ONLINE: Warum?

Hoffmann: Weil sie extrem gefühlskalt und hochmanipulativ sind. Sie denken nicht an das Unternehmen, sondern handeln nur in ihrem eigenen Interesse. Sie haben Spaß an Dominanz und Kontrolle. Sie demütigen gern andere und mögen es oftmals auch, wenn andere Angst vor ihnen haben. Selbst haben sie keine Angst. Gerade das macht sie in Führungspositionen gefährlich, denn sie treffen oft hochriskante Entscheidungen, die ein Unternehmen in den Ruin treiben können.

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© Jens HoffmannJens Hoffmann ist Psychologe und Berater am Institut Psychologie und Bedrohungsmanagement. Er hat in Deutschland und in der Schweiz das psychologische Bedrohungsmanagement für Unternehmen und Hochschulen erstmalig eingeführt und in hunderten Fällen von Drohungen, Stalking und Gewalt am Arbeitsplatz Risikoeinschätzungen durchgeführt.
ZEIT ONLINE: Dennoch zeigen Studien, dass Menschen mit ausgeprägtem Narzissmus oder sogar einer psychopathischen Störung überdurchschnittlich oft in Führungspositionen kommen...

Hoffmann: Neueren Untersuchungen zufolge sind Menschen mit einer narzisstischen oder psychopathischen Persönlichkeit etwa drei- bis viermal häufiger in Machtpositionen vertreten als im Bevölkerungsdurchschnitt. Man geht davon aus, dass etwa vier Prozent der Bevölkerung Narzissten sind und etwa ein bis zwei Prozent Psychopathen. Deren Anteil in Führungspositionen beträgt etwa sechs Prozent.

ZEIT ONLINE: Woran liegt es, dass solche Menschen häufig Chefs sind?

Hoffmann: In Führungspositionen können Psychopathen ihr Dominanzbedürfnis natürlich gut ausleben. Man geht davon aus, dass je höher die Ebene, desto höher auch der Anteil der Menschen mit auffälligen Persönlichkeiten ist.

ZEIT ONLINE: Worin unterscheiden sich Narzissten und Psychopathen?

Hoffmann: Narzissten sind extrem ich-bezogen. Sie erzählen gerne und viel von sich - immer nur sehr positiv. Sie halten sich für grandios. Sie sind charmant, können andere oft mitreißen. Auf der anderen Seite sind sie extrem kränkbar. Auch sachliche Kritik verletzt sie zutiefst, dann reagieren sie meist sehr aggressiv. Narzissten liegt sehr viel an ihrer Außenwahrnehmung. Sie wollen im Mittelpunkt stehen und bewundert werden. Darum sind sie oft auch sehr leistungsbereit. Zugleich sind sie nur wenig empathisch. Die anderen sind für sie oft nur Instrumente. Allerdings sind sie durchaus in der Lage, Bindungen einzugehen und Gefühle zu entwickeln. Bei Psychopathen ist das anders.


Kommentar: Nicht jeder Narzisst ist ein Psychopath, dennoch weist jeder Psychopath narzisstische Züge auf.


ZEIT ONLINE: Sie kennen keine Gefühle?

Hoffmann: Sie sind kalt, aber sie können anderen Gefühle vorspielen. Sie sind sehr gut im Lügen. Darum sind sie oft auch sozial erfolgreich. Sie können Netzwerke aufbauen, andere stark und schnell begeistern. Besonders intelligente Psychopathen machen oft Karriere. Sie können andere extrem gut manipulieren. Sie ziehen die Strippen hinter den Kulissen. Oft merken die Manipulierten das überhaupt nicht. Menschen mit einer psychopathischen Persönlichkeit überschätzen sich und lieben in der Regel den Nervenkitzel. Sie gehen allerdings keine echten, engen Bindungen ein. Auch für sie sind andere Menschen eher Werkzeuge. Und wenn sie angegriffen werden, schlagen sie massiv zurück. Oft endet das in der Zerstörung des Angreifers, beruflich, finanziell oder auch sozial und persönlich.

ZEIT ONLINE: Gibt es Beispiele für prominente Psychopathen, die Karriere gemacht haben?

Hoffmann: Der österreichische Politiker Jörg Haider hatte vermutlich eine psychopathische Persönlichkeitsstruktur, wie ein Psychologe berichtete, der ihn persönlich kannte. Auch bei Silvio Berlusconi kann man von psychopathischen Zügen ausgehen, ebenso laut einer US amerikanischen Studie bei George Bush Junior, wenn auch in abgeschwächter Form.


Kommentar: Die hier genannte US-amerikanische Studie ist etwas zurückhaltend in ihrer Aussage bezüglich George Bush Junior. Wie kann ein gewissenloser Lügner und Massenmörder, der sinnlose Kriege im Irak und Afghanistan angezettelt hatte, auf dessen Gewissen Hunderttausende Menschenleben sind, ein Psychopath in abgeschwächter Form sein?


ZEIT ONLINE: Warum werden Menschen zu Narzissten oder Psychopathen?

Hoffmann: Man geht davon aus, dass sich der Narzissmus in der Kindheit entwickelt. Oft werden Kinder später zu Narzissten, die schon früh wie ein kleiner Prinz behandelt werden und denen das Gefühl vermittelt wird, etwas ganz Besonderes zu sein - und auch sein zu müssen. Offenbar ist Narzissmus stärker bei Männern ausgeprägt, was vermutlich mit den unterschiedlichen Erwartungen an Männer und Frauen zu tun hat.

ZEIT ONLINE: Und Psychopathen? Haben diese Menschen schwere Traumata in der Kindheit erlitten?

Hoffmann: Nein. Derzeit geht die Forschung von einer starken biologischen Komponente aus. Das besonders auffällige, angstfreie Verhalten zeigt sich oft schon früh in der Kindheit. Wir schätzen, dass viele der charismatischen Führer in der Geschichte psychopathisch waren. Das war wahrscheinlich in der Evolution durchaus sinnvoll, weil solche starken, angstfreien Persönlichkeiten die Gruppe angeführt haben und oft auch für die Weiterentwicklung oder das Überleben einer Gruppe wichtig waren.


Kommentar: Es gibt keinen Zweifel, dass viele charismatischen Führer in der Geschichte psychopathisch waren. Dennoch irrt sich Herr Hoffmann mit seiner Aussage, dass psychopathische Führer fördernd für Evolution sind. Und wie können auch diese Massenmörder, die ganze Generationen von Menschen durch ihr Charisma irregeleitet haben (und das immer noch tun) und Millionen Menschenleben ihren kranken Idealen geopfert haben (und das noch immer tun), der Evolution der Menschheit dienen?


ZEIT ONLINE: Also sind psychopathische Chefs doch gut?

Hoffmann: Vor einem solchen Glauben würde ich warnen. Denn sie sind nicht steuerbar, und das kann Unternehmen ruinieren. Gerade die Banken- und Versicherungsbranche und der Vertrieb ziehen solche Persönlichkeiten an. Hier wird vieles über Zahlen gesteuert, es geht um schnelle Abschlüsse, um sehr viel Geld, Status und Macht - aber der einzelne Entscheider kann viel zerstören. Wir beraten Unternehmen hinsichtlich des Risikos, Psychopathen zu beschäftigen. Oft zeigt sich gerade bei Banken, dass manchmal die besten Trader psychopathische Merkmale aufweisen - und der Arbeitgeber keine Ahnung hat, was diese Mitarbeiter genau machen.

ZEIT ONLINE: Seit der Finanzkrise, heißt es, hätten sich die Werte gewandelt. Es seien jetzt empathische Chefs gefragt.

Hoffmann: Das deckt sich nicht unbedingt mit meinen Erfahrungen, insbesondere in der Beratung. Mein Eindruck ist, dass eher verstärkt psychopathische Menschen Spitzenpositionen in den Unternehmen erhalten. Das hängt sicher auch damit zusammen, dass Soft Skills immer wichtiger werden - und hier sind Psychopathen meist gut. Der Druck in den Führungsetagen steigt ja auch. Wer gefühlskalt und angstfrei ist, kommt in der Regel auch länger gut mit Stress zurecht. Er kann es ertragen, unpopuläre Entscheidungen zu treffen, weil sie ihn gar nicht berühren. Andererseits sind gerade Psychopathen gut darin, anderen Gefühle vorzuspielen, also auch Empathie - allerdings nur an der Oberfläche.

ZEIT ONLINE: Woran erkennt man, dass der Chef ein Psychopathist?

Hoffmann: Das ist schwierig. Oft merken Mitarbeiter auf den unteren Hierarchiestufen, dass etwas mit dem Chef nicht stimmt - sie bekommen es in der Regel mit den Auswirkungen dieser Manager zu tun.

Wer dann Kritik am Chef übt, wird fertiggemacht, denn Positionierung gegen einen Psychopathen bedeutet für diesen einen Angriff. Der psychopathische Chef reagiert darauf häufig mit manipulativen und rufschädigenden Methoden hinter den Kulissen. Ganze Teams werden umgedreht, der Einzelne wird isoliert. Er glaubt dann oft, dass etwas mit ihm nicht stimmt. Dass seine Wahrnehmung falsch sein muss.


Kommentar: Hier handelt es sich um eine bekannte Taktik der Psychopathen: "Teile und Herrsche". Sie werden sich niemals schuldig bekennen und machen immer andere Menschen für eigene Fehler verantwortlich. Normale empathische Menschen können kaum die Denkweise eines Psychopathen nachvollziehen und denken dann, dass "etwas mit mir nicht stimmt", nachdem sie durch Psychopathen attackiert und als Bedrohung beseitigt wurden.


Die Entscheidungsträger auf Leitungsebene werden in der Regel manipuliert und merken das nicht. Sie denken sogar meist, sie hätten eine emotionale Beziehung mit diesen Managern. Es dauert dann lange, die Manipulierten aus dieser Abhängigkeit herauszulösen. Wir hatten kürzlich einen Fall, bei dem ein Geschäftsführer einen Betrüger beschäftigt hatte, der ein Psychopath war. Am Ende sagte er: "Ich habe einen Freund verraten. Und ich habe Todesangst." Das zeigt, wie stark eine solche Manipulation wirkt - der Mann dachte noch monatelang, der Betrüger wäre sein Freund gewesen.

ZEIT ONLINE: Wie geht man mit Psycho-Chefs um?

Hoffmann: Man sollte sich selbst schützen. Solche Chefs nutzen ihre Machtposition aus und haben Freude daran, besonders sensible Mitarbeiter fertigzumachen. Darum sollte man lieber keine Schwäche zeigen. Es hilft nur die realistische Einsicht, dass diese Führungskraft nicht zu ändern ist. Da, wo es geht, sollte man klare Grenzen ziehen und sich Verbündete suchen, etwa beim Betriebsrat oder in der Personalabteilung. Dafür ist aber enorm wichtig, dass man das Verhalten dieses Chefs dokumentiert und auch belegen kann. Leider sind das alles keine ermutigenden Ratschläge. Anlegen würde ich mich mit einem Psychopathen nicht.