Verbreitete Unfruchtbarkeit in spanischen Schweinezuchtbetrieben wird mit Plastik-Chemikalien in Verbindung gebracht, die den Hormonhaushalt durcheinanderbringen. Die Chemikalien finden sich auch in Lebensmittelprodukten für Menschen. Eine entsprechende Studie wurde von Forschern der Universität Saragossa durchgeführt und im Mai in der Zeitschrift Scientific Reports veröffentlicht.
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Bei der Studie wurde »erstmals der Zusammenhang zwischen Störungen der Fortpflanzung und chemischen Verbindungen aus Plastikmaterialien untersucht und nachgewiesen«, sagte Erstautorin Cristina Nerín.

Kontaminierte Samenbeutel

Im Frühjahr 2010 brachten Sauen auf 41 Schweinefarmen in ganz Spanien plötzlich keine Jungen mehr zur Welt, oder die Würfe waren deutlich kleiner als normal. Forscher untersuchten sowohl die Sauen als auch die Samen, die bei der künstlichen Befruchtung verwendet worden waren. Sie fanden keine Abnormalitäten oder Hinweise auf eine Krankheit oder eine Kontamination von Futter oder Wasser.

Allerdings entdeckten sie schließlich, dass der gekühlte Samen, der zur Befruchtung der Sauen verwendet worden war, in Beuteln geliefert wurde, die alle von derselben Firma stammten. Nerín, Expertin für Lebensmittelverpackung, wurde von dem Hersteller der Beutel hinzugezogen, um die Sache aufzuklären. Bei ihren vorläufigen Tests fand sie mehrere Chemikalien in den Beuteln, die mit Hormonstörungen und Fruchtbarkeitsproblemen in Verbindung gebracht werden, insbesondere zyklische Lactone und BADGE (Bisphenol-A-diglycidylether).



Zyklische Lactone werden häufig in den Klebstoffen verwendet, mit denen Lebensmittelbeutel versiegelt werden, beispielsweise Beutel für Kartoffelchips oder abgepacktes Fleisch. Gefunden wurden auch hohe Werte von BADGE, ein Nebenprodukt des berüchtigten Bisphenol A (BPA).

Hohe Werte von BPA und BADGE finden sich nicht nur in hartem Plastik, sondern auch in der Innenauskleidung von 95 Prozent aller Lebensmittel- und Getränkedosen. BADGE wird auch im Hausstaub nachgewiesen.

Frühere Studien hatten gezeigt, dass Lactone und BADGE von der Verpackung in die Lebensmittel wandern. Bei einer neueren Studie des Gesundheitsministeriums von New York State wurde BADGE bei sämtlichen Urinproben, die in den USA und in China entnommen wurden, nachgewiesen. Im Fall der Schweine stammte die Chemikalie offenbar aus der unabsichtlichen Kontaminierung mit dem Klebstoff, der zur Versiegelung der Samenbeutel verwendet wurde.

Samen geschädigt und fehlgeleitet

Um zu bestätigen, dass Lactone und BADGE die Ursache für die Fruchtbarkeitsprobleme der Schweine waren, befruchteten Forscher Sauen mit zwei neuen Chargen von Samen, die nicht in Beuteln gelagert worden waren. Eine Charge wurde vorher mit den beiden Chemikalien behandelt. Wie die Forscher beobachteten, wurden nur 58 Prozent der Sauen, die mit dem chemisch behandelten Samen befruchtet wurden, trächtig, bei dem nicht behandelten waren es 84 Prozent.

Die Forscher fanden keinen Hinweis darauf, dass BADGE bei einer Konzentration, wie sie in den Samenbeuteln gefunden wurde, tatsächlich den Hormonhaushalt störte. Andere Studien deuten jedoch darauf hin, dass BADGE auch als Mutagen fungieren könnte. Nerín vermutet dies als die Ursache für die Fruchtbarkeitsprobleme bei den Schweinen: BADGE verursachte Mutationen in der DNS der Schweinespermien, die geringere Befruchtungsrate und mehr nicht-lebensfähige Embryos zur Folge hatten.

Eine weitere kürzlich durchgeführte Studie von Forschern am Bonner Forschungszentrum Caesar (Center for Advanced European Studies and Research) erbrachte Hinweise, welche endokrinen Disruptoren die männliche Fruchtbarkeit beeinträchtigen könnten. Die Forscher setzten menschliche Spermazellen 96 bekannten endokrinen Disruptoren aus, die sie als »allgegenwärtig in Lebensmitteln, Haushalts- und Körperpflegeprodukten« bezeichneten.

Ein Drittel der getesteten Chemikalien führte zur Störung eines Zell-Signalwegs, dem so genannten »Kalziumkanal«, der Spermien dazu bringt, zur Eizelle zu schwimmen und in sie einzudringen.

»Die Spermazellen könnten mehr Schwierigkeiten haben zu spüren, wo die Eizelle ist«, sagte der Forscher Niels Skakkebaek. »Sie könnten auch in die falsche Richtung schwimmen, weil sie falsche Signale über den Weg bekommen haben.«

Die stärksten Spermien-Disruptoren wurden in Sonnenschutzmitteln und Phthalaten (Chemikalien, die Plastik weich machen) nachgewiesen, außerdem in antibakteriellen und antimykotischen Chemikalien, darunter auch das Triclosan, das in antibakteriellen Seifen verwendet wird.