Die Presse rutscht immer tiefer in die Krise. Sie verliert ihre Deutungshoheit und kapituliert vor dem Internet. Das Publikum glaubt ihr nicht mehr. Jetzt betteln die Alpha-Journalisten bei Staat und Wirtschaft um Hilfe. Zwangsabgaben und gelenkte Berichterstattung sind doch ein guter Tausch für die angeblich teure Meinungsvielfalt. Sie verstehen aber nicht, dass damit ihr Ende nur noch schneller kommt.


Lügenpresse
Lernen Sie Alexander Görlach kennen. Ein Musterbeispiel des fatalistischen Endzeitjournalisten:»Der Journalismus hat kein Geschäftsmodell, wenn die Todesanzeigen und der Stellenmarkt nicht mehr das Feuilleton oder den Leitartikel tragen.« Die Presse lebt also nur noch von und in der Vergangenheit. Viele Leser werden Görlach da zustimmen.

Görlach kennt sogar einen Ausweg aus dieser Misere, doch der wird den Lesern gar nicht gefallen. Der Herausgeber und Chefredakteur des Debattenmagazins The European sieht für seine Branche nur noch eine Chance. Die Bürger sollen noch tiefer in die Tasche greifen.

Mehr Zwangsabgaben für Journalisten - eingetrieben durch die Politik: »Dann muss es andere Modelle geben. Crowdfunding ist gescheitert, es bleiben nur noch Stiftungen, Mäzene und, der sicherste Hafen, der Steuerzahler.«

Die Angst der Journalisten vor dem Internet

Der Steuerzahler als Rettungsanker für Journalisten in der Krise. Scheinbar haben diese vor dem Phänomen Internet schon die Segel gestrichen. Schließlich haben sie dort ihre Deutungshoheit über die Welt verloren und das Publikum rebelliert. Es gibt kein Monopol mehr auf eine richtige, weil gedruckte Meinung. Die Kommunikation einer ganzen Gesellschaft findet immer mehr ohne die Presse statt. Jeder kann mit jedem sprechen - jetzt ohne den Umweg über die Journalistenköpfe. Aber nicht nur die Meinung ist freier, auch bisher unterdrückte Fakten finden leichter einen Weg zu den Menschen.

Unliebsame Fakten für Journalisten, denn so werden auch ihre engen Verstrickungen zwischen Geld, Macht und Politik immer sichtbarer. Je mehr von diesen informellen Verbindungen ans Licht kommen, desto stärker wächst das Misstrauen. Gelenkte Meinung - wer will schon für etwas bezahlen, das längst gekauft wurde? Die Journalisten rutschen von der Glaubwürdigkeitskrise am Ende in das ökonomische Aus. Der Leser will für manipulierte Inhalte nicht mehr zahlen.


Wie der Journalismus zum Problem wurde

Wie klingt aber die Antwort von Alpha-Journalisten wie Alexander Görlach? »Jetzt erst recht!«Noch mehr politische Nähe, noch mehr Abhängigkeit von den Mächtigen. Wenn die Menschen nicht mehr zahlen wollen, soll halt Vater Staat das Geld zwangseintreiben. Das ist nicht nur ignorant, es unterstellt den Menschen auch, dass sie dumm sind.

Dabei steht hinter der Abkehr ein wachsender gesellschaftlicher Konsens: Der massenmediale Journalismus des 20. Jahrhunderts, so wie er ist, erfüllt keine wirkliche Aufgabe mehr. Er behindert sogar das Entstehen einer digitalen Informationsgesellschaft, deshalb muss er ökonomisch ausgetrocknet werden. Bis er von selbst verschwindet wie einst die Gaslaternen, als Stromnetze sie überflüssig machten.

Ist Meinungsvielfalt wirklich teuer?

Noch mehr Zwangsabgaben für Journalisten zögern das Ende aber nicht hinaus - sie beschleunigen es sogar. Görlachs Rettungsanker verschärft die vernichtende Kritik an den Journalisten nur noch mehr. Gerade wegen ihrer Nähe zur Macht: Ist erst einmal jedem klar, dass es ohne Staats-Tropf nicht mehr geht, dann haben Journalisten den letzten Rest Integrität als neutrale Beobachter verspielt. Ohne das sind sie aber auch für den Staat nicht mehr von Nutzen.

Gelesen werden sie ja überhaupt nur noch wegen einer Illusion; dass Journalisten als Chronisten des Zeitgeistes zuallererst an ihre Leser denken. Das ist ebenso wenig wahr wie folgende Aussage: Meinungsvielfalt gibt es in der Demokratie nun mal nicht gratis. Deshalb sollen die Bürger dafür bitte zahlen. Zur Not mit Zwangsabgaben. Richtig ist aber: Meinungen kosten nichts. Teuer wird es nur, wenn ein bestimmtes Meinungsbild aufrechterhalten werden soll.

Gekauft: Dax-Konzerne wollten Journalisten vor sich selbst schützen

Deshalb denkt Görlach auch an »Stiftungen und Mäzene«, die - natürlich selbstlos - das Füllhorn über den Journalisten ausschütten sollen. Geld fließt aber nie ohne Hintergedanken. Wie abhängig der Journalismus nicht nur von der Politik, sondern auch von der Wirtschaft ist, zeigt der Medien-Kodex der DAX-Konzerne. Sie haben davon noch nie gehört? Es gibt ihn auch nicht, er sollte aber kommen. Der Arbeitskreis »Corporate Compliance der deutschen Wirtschaft« veröffentlichte im Februar 2015 einen »Kodex für Medienarbeit von Unternehmen«.

Darin werden die Konzerne zur Mäßigung aufgerufen, weil es ihnen die Journalisten schon viel zu einfach machen. Positive Berichterstattung lässt sich problemlos kaufen. Um den deutschen Journalismus ist es also schon so schlecht bestellt, dass ihn die Wirtschaft vor sich selbst schützen wollte.

Eine Demütigung für die Presse

Hinter dem Kodex standen die Schwergewichte Lufthansa, Deutsche Bank, Telekom, Eon, BASF, Allianz, Deutsche Post, RWE, Volkswagen und MunichRE. Inzwischen will man dort davon nichts mehr wissen. Der Kodex sei »in keiner Weise ausreichend oder abschließend mit den relevanten Stakeholder-Gruppen diskutiert oder verabschiedet« worden, schreibt etwa die Deutsche Bank.»Von daher gibt es keinen neuen Kodex, der in den DAX-Unternehmen umzusetzen wäre.«Offenbar reifte dort inzwischen die Erkenntnis, dass so viel Offenheit auch verräterisch sein kann. Nicht nur für die Journalisten. Für die Presse war es jedenfalls eine schwere Demütigung. Musstesie sich doch offene Fragen gefallen lassen, ob es wirklich schon so schlimm sei.

Bei anderen kassieren, weil man sich selbst nichts mehr zutraut

Dass die Journalisten nicht mehr auf ihre eigene Kraft vertrauen, sondern lieber andere zahlen lassen, zeigt auch ihre Idee mit dem Leistungsschutzrecht. Natürlich sind Artikel und Fotos urheberrechtlich geschützt. Google verwendet für seine Nachrichtensuche Google News aber nur kleine Ausschnitte. Doch schon dafür wollten die deutschen Presseverlage vom Gratis-Konzern aus dem sonnigen Kalifornien kassieren.

Sie bekamen aber nichts. Der Internetkonzern stellte ihnen sogar ein Ultimatum: Wer nicht auf seine Ansprüche aus dem Leistungsschutzrecht verzichtet, fliegt bei Google News raus. Das wollte keiner riskieren, denn der Suchmaschinenriese leitet über seine Nachrichtensuche massenhaft Besucher zu den Webseiten der Presseverlage. Ohne diesen Strom würden ihre Werbeumsätze einbrechen, weil sich ohne den Google-Umweg nur ein Bruchteil dorthin verirrt. Dass niemand bei Google auf die Idee kam, für diese Gratis-Wirtschaftshilfe jetzt Geld zu verlangen, zeigt in etwa die neuen digitalen Machtverhältnisse.

Presseverlage verdienen ihr Geld jetzt ohne Journalismus

Geld wird im Netz bisher nicht mit Journalismus verdient. Das gilt selbst für Axel-Springer - mächtigster deutscher Medienkonzern und von der ganzen Branche kopiert. In Berlin betreibt man eine aggressive Online-Strategie, die besonders das eigene Springer-Blatt Bild kannibalisiert. Dort fallen die Auflagen noch viel rasanter als in der gesamten Zeitungsbranche, die ohnehin im Sinkflug ist. Zwar gibt es bei Bild.de eine Bezahlschranke und auch 260 000 Abo-Kunden für das Freemium-Modell - aber wie viele davon sind nur einem Lockangebot gefolgt? Drei Monate Bild-Plus für 99Cent und dafür noch ein Amazon-Gutschein über fünf Euro oben drauf. Das macht für Springer ein Minus von 4,01 Euro für solche digitalen Abos.

Bisher scheint diese Rechnung nicht aufzugehen. Die journalistischen Bezahlangebote lassen schon wieder nach. Im ersten Quartal 2015 sank ihr Umsatz bei Springer um 1,5 Prozent auf 349 Millionen Euro. Der Gewinn beträgt zwar noch 40 Millionen, doch mit einem Rückgang von 29,7 Prozent hat man nicht gerechnet. Der ganze Konzern wächst zwar - aber eben trotz der Journalisten, nicht mit ihnen. Sie werden immer mehr zum Bremsklotz. Sogenannte Rubrikenmärkte im Netz - also Webseiten wie Immonet.de, Stepstone.de, Idealo.de - sind die wahren Wachstumsmotoren und legten um 58 Prozent zu.

Untergang statt Rettung: Nehmt alles mit, was geht

Das zeigt eine Branche am Abgrund, wenn selbst der Primus schon lange nicht mehr vom Journalismus leben kann. Deshalb betteln Alpha-Journalisten wie Alexander Görlach freiwillig um mehr staatliche Zwangsabgaben. Wünschen sich freiwillig noch mehr Abhängigkeit von der Wirtschaft. Das ist kein Rettungsanker mehr, es ist Untergangsstimmung. Er könnte genauso gut sagen: »Brüder, nehmt alles mit, was geht. Solange wir überhaupt noch etwas wert sind.«