Das öffentlich-rechtliche ZDF gibt sich plötzlich transparent. Über seine Datenbank Lobbyradar darf jetzt jeder wissen, wie sich die Lobbyisten im Hintergrund mit den Entscheidern im Land vernetzt haben. Eigentlich das Ende der heimlichen Strippenzieher. Das Tool ist aber unbrauchbar - und wird auch noch zensiert: Die transatlantischen Verstrickungen der eigenen Leute tauchen nirgendwo auf. Dabei ist das Zweite für seine politischen Seilschaften berüchtigt.

Bild

Eigentlich eine gute Idee - nur leider vom Falschen umgesetzt. Deshalb wird die Wandlung vom Saulus zum Paulus beim Filz-Sender zum Eigentor. Das öffentlich-rechtliche ZDF bietet im Internet eine Datenbank namens Lobbyradar an. Dieses Tool verspricht auf den ersten Blick totale Transparenz. Eine Kampfansage an die Lobby-Republik, vernetzt zwischen Geld, Macht und Politik. In Mainz vergisst man dabei aber ausgerechnet die eigenen Leute und ihre Verstrickungen.

Doch der Reihe nach: Sie wollen wissen, welche einflussreiche Gruppe sich welchen Entscheider im Land geschnappt hat, um ihn auf den eigenen Kurs einzunorden? Dann gehen Sie auf die ZDF-Seite und geben seinen Namen ein. Fangen wir doch einmal direkt beim ZDF an - oder besser gesagt bei seinem Nachrichtengesicht Claus Kleber. Der Moderator des heute-Journals mit dem schiefen Lächeln und einem ausgeprägten Schlupflid - bei dem das linke Auge immer halb geschlossen wirkt - dieser Journalist beeinflusst jeden Abend Millionen Deutsche vor dem Fernseher.

Anchorman Kleber: Die Welt, wie sie mir gefällt

Die wundern sich manchmal doch sehr über Claus Kleber. Er behauptet, dass es in der Ukraine keine Faschisten gibt, die Jagd auf alles Russische machen. In Klebers heiler Ukraine existieren keine ultranationalistischen Freischärler, die von US-Geheimdiensten gesteuert, ausgerüstet und aufgehetzt werden.

Dort ging kein Gewerkschaftshaus in Odessa unter dem Johlen des »Rechten Sektors« auf. Dort verbrannte auch kein »Asow-Bataillon« Kriegsgefangene lebendig am Kreuz (Video in der Mitte). Sein Kommentar zu solchen Freischärlern im heute-Journal vom 1. April: »Das ist zwar zweifelhaft für einen demokratischen Staat, aber [diese Privat-Armee] sorgt wenigstens für Ruhe.«

Ist das bloß Ignoranz, die Kleber da vor einem deutschen Millionenpublikum verbreitet? Nein, er saß lange Jahre für das ZDF als Auslandskorrespondent in Washington. Vor acht Jahren wäre er fast Chefredakteur beim Spiegel geworden. Weil er dort aber als zu »großer Amerika-Anhänger« gilt, blieb Kleber beim ZDF - wo der USA-Freund mit seiner transatlantischen Weltsicht den Zuschauer bearbeitet.


Der Kleber-Check beim ZDF-Lobbyradar

Wer hat aber den Mann beeinflusst, der Millionen beeinflusst? Ein Check mit dem ZDF-Lobbyradarzeigt: niemand. Er ist bloß ein neutraler Journalist. Wirklich? Hier bleibt das ZDF intransparent und macht so den ganzen Lobbyradar zur Farce. Die Datenbank verschweigt, dass Kleber ein Journalist der Eliten ist und im Kuratorium - also Aufsichtsrat - der Stiftung Atlantik-Brücke sitzt.

Dieser logenähnliche Lobbyverband spinnt ein informelles Netzwerk über Deutschland. Er lädt diejenigen ein, die er für Eliten hält. Führend in den Feldern Wirtschaft, Politik, Finanzen, Medien, Geheimdienst und Wissenschaft. Unter dem Strich ist die Atlantik-Brücke aber nichts weiter als die effektivste »Pressure-Group« Deutschlands. Verschwiegen, einflussreich und absolut intransparent. 1952 gegründet, sollte die Atlantik-Brücke Deutschland fest an die USA binden und hier die Gesellschaft unterwandern - ganz im Sinne Washingtons.

Wie die Atlantik-Brücke Deutschland unterwandert

Der Lobbyist Arend Oetker bringt auf den Punkt, wofür die Atlantik-Brücke damals wie heute steht: »Die USA wird von 200 Familien regiert und zu denen wollen wir gute Kontakte haben.« Vorbild USA. Ein Land, das bereits kurz vor dem inneren Zerfall steht. Sogar die größten Nutznießer des amerikanischen Systems warnen bereits davor. Etwa Starinvestor Warren Buffett: »Die Herrschaft weniger Reicher gefährdet die Demokratie.«

Der deutsche Lobbyist Arend Oetker ist selbst ein abschreckendes Beispiel für amerikanische Verhältnisse in Deutschland: Konzernchef, bis 2005 Vorsitzender des Vorstandes der Atlantik-Brücke und Vizepräsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie, Mitglied der Trilateralen Kommission. Dieser CDU-Mann hat eine irrwitzige Sammlung von Ämtern, Funktionen und Ehrentiteln angehäuft. Für den Oetker-Familienclan geht es offenbar allein um Einfluss.

Die vielen Amerika-Freunde im ZDF

In diesem elitären Atlantiker-Kosmos schwebt auch der ZDF-Moderator Kleber. Wo die Grenzen zwischen Medien, Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Finanzen immer mehr verschwimmen und sich selbsternannte Eliten still und heimlich einmischen. Alles wird zum Spielball.

Kleber ist zwar das bekannteste ZDF-Gesicht, kann aber das kleine Aushängeschild mit einer großen Vorliebe für die USA den öffentlich-rechtlichen Journalismus insgesamt schädigen? Ja, denn der Moderator ist in guter Gesellschaft und lange nicht der einzige Amerika-Freund beim ZDF. Der Mainzer Lerchenberg scheint mittlerweile komplett unterwandert. Die Jahresberichte der Atlantik-Brücke zeigen deutlich, wie viele ZDF-Journalisten bei diesem elitären Lobbyverband »ein und aus gehen«. Die entsprechende Liste im Internet beweist zwar keine direkte Mitgliedschaft, das dürfte bei einem informellen Netzwerk aber auch gar nicht immer beabsichtigt sein.

Handshake mit George Bush Senior

Laut dieser Liste hat nicht nur Intendant Thomas Bellut Verbindungen zu den Atlantikern, sondern auch Verwaltungsdirektor Rudi Sölch, der stellvertretende Chefredakteur Elmar Theveßen, Cherno Jobatey vom Morgenmagazin, Wulf Schmiese vom ZDF-Hauptstadtstudio, Theo Koll als Studioleiter in Paris und Susanne Biedenkopf-Kürten, Leiterin der Hauptredaktion Wirtschaft, Recht, Service, Soziales und Umwelt. Udo van Kampen ging am 1. Januar 2015 als Leiter des ZDF-Studios in Brüssel in den Ruhestand. Auch er steht auf der Liste.

Ein weiterer ZDF-Ehemaliger: Jan Philipp Burgard vom Hauptstadtstudio. Er wechselte zur ARD, wo ihn WDR-Intendant Tom Buhrow zu seiner »rechten Hand« machte. Schon Burgards Webseite zeigt den überzeugten Muster-Atlantiker: Handshake mit George Bush Senior und Podiumsdiskussionen über die »transatlantischen Beziehungen«. Gemeinsam mit John Kornblum, Mitglied der Atlantik-Brücke und pensionierter US-Botschafter in Berlin.

Transparenz? Das ZDF bleibt auf dem zweiten Auge blind!

Keiner der genannten ZDF-Journalisten taucht in der Datenbank auf. Nicht einmal den eigenen Intendanten Bellut kennt das ZDF-Lobbyradar. In Mainz bleibt man auf dem zweiten Auge weiter blind. Transparenz gilt nur bis zur eigenen Haustür und hinter der herrschen parteipolitische Seilschaften, Machtkämpfe und Proporz-Irrsinn.

Dank einer Mehrheit im Verwaltungsrat sägten etwa CDU und CSU den beliebten aber unbequemen ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender ab. Zustände, wie sie gerne einem russischen Staats-Rundfunk unterstellt werden. Ausgerechnet Amerika-Freund Kleber ließ sich danach zu dieser Aussage hinreißen: »Es darf nicht sein, dass parteipolitische Seilschaften wieder versuchen, nach parteipolitischen Kriterien Journalistenposten im ZDF zu bestimmen.«

Dieser Verweis auf »wieder« und »Seilschaften« könnte bei Kleber auch Selbstironie sein. Der Journalist erhält nach Schätzungen der Süddeutschen jährlich 480 000 Euro für seine Auftritte im heute-Journal. Der bestbezahlte Nachrichtenmoderator Deutschlands reist zur Münchner Sicherheitskonferenz schon einmal als Teilnehmer. Standesgemäß für einen Journalisten wäre die Rolle des Beobachters.

Allein das zerstört bereits jede professionelle Distanz zum jährlichen NATO-Stelldichein. 2015 hat es unter der Führung der USA wieder zum Kalten Krieg gegen Russland ausgerufen. Auch Kleber berichtete anschließend darüber im Fernsehen.

Eine zweite Chance für den Lobbyradar

Vielleicht verdient das Tool aber noch eine Chance. Das ZDF-Lobbyradar minus den großen Amerika-Freund Kleber, minus die komplette Betriebsblindheit für eigene Seilschaften. Was bleibt übrig? Nichts Brauchbares. Das Ding macht die Welt kein Stück transparenter.

Machen Sie den Test. Angela Merkel zum Beispiel. Sie werden nach dem Eintippen ein eindrucksvolles Netzwerk sehen. Das soll zeigen, wer mit wem verbunden ist. Viele grüne Punkte. Mal riesig, mal winzig klein.

Blind und mit der Datenkeule erschlagen

Das Tool sammelt eine riesige Menge dieser Verbindungen, kann aber die unwichtigen nicht von den verdächtigen trennen. Wo also der Lobbyismus im ZDF-Lobbyradar versteckt ist. Darum geht es aber doch! Wo fließt Geld, wo wird jemand mit einer Mitgliedschaft oder einem Arbeitsverhältnisbelohnt? In der FAQ schreibt das ZDF nur, dass die Verbindungen »eine Rolle spielen«. Gerade in der Politik sagt das aber nichts aus, weil jeder irgendwie mit jedem zu tun hat.

Die eigene Bankrotterklärung liefert das Tool deshalb gleich mit: »Schwierig wird es, wenn Lobbygruppen mit mehr Geld oder besseren Kontakten mehr Einfluss haben als Lobbys mit weniger Mitarbeitern und finanziellen Möglichkeiten. Und wenn niemand außerhalb etwas davon mitbekommt. Dann besteht die Gefahr, dass Politiker nicht im Sinne der Allgemeinheit entscheiden, sondern sich die Interessen Einzelner durchsetzen.« Übersetzt heißt das: »Unser Tool erfüllt seine Aufgabe nicht. Es kann die Verbindungen untereinander nicht bewerten und auch nicht gewichten. Deshalb erschlagen wir euch einfach mit einer Masse von Daten. Viel Spaß beim Herumrätseln.«

Auch Merkels fragwürdige Verbindungen bleiben verborgen

In diesem Dickicht sehen Sie die Lobbyisten vor lauter Bäumen nicht. Etwa die Verbindung von Alexander Dibelius zu Angela Merkel. Dibelius ist Deutschland-Chef der Investmentbank Goldman Sachs. 2010 mit dem Negativ-Preis »Worst EU Lobby Award« ausgezeichnet - für die besonders aggressive Unterwanderung und schleichende Übernahme von EU-Experten-Kommissionen. Trotzdem oder gerade deswegen sitzt der Bankster am Ohr der Bundeskanzlerin: Beide sind Mitglied der Atlantik-Brücke.

Das Wirtschaftsmagazin Capital berichtete: Dibelius nahm »schon früh Kontakt zu CDU-Parteichefin Angela Merkel auf, lange vor ihrer Nominierung als Kanzlerkandidatin. Für sie arrangierte er mehrere Dinner mit Unternehmens-Chefs. [...] Immer wieder steht er der Kanzlerin bei Fragen zur Verfügung.« Der Lohn kam. Dibelius wurde Merkels Berater, die damit laut den Deutschen Mittelstandsnachrichten »einen direkten Draht zu Goldman Sachs hat«. Mit dem ZDF-Lobbyradar werden Sie all das nie erfahren. Dort existiert Alexander Dibelius, der vielleicht einflussreichste Lobbyist Deutschlands, einfach nicht.