Arbeitslosigkeit und Korruption - diese Kombination prägt den Alltag vieler Tunesier, und das empört sie. Seit Tagen demonstrieren sie dagegen, die Proteste werden zunehmend gewalttätig. Nun hat die Regierung eine nächtliche Ausgangssperrre verhängt.
demosntration tunesien
Nach den bislang schlimmsten sozialen Unruhen seit Beginn der arabischen Aufstände vor fünf Jahren hat Tunesien eine nächtliche Ausgangssperre verhängt. Wie das Innenministerium erklärte, sehe es die Sicherheit des Landes und seiner Bürger in Gefahr. Die Ausgangssperre gelte zwischen 20 Uhr abends und 5 Uhr morgens und sei in allen Regionen des Landes einzuhalten. Von der Sperre ausgenommen seien nur Menschen, die nachts arbeiten müssten oder wenn ein medizinischer Notfall eintrete.

In der vergangenen Nacht hatten sich die gewaltsamen Proteste auf mehrere Städte des nordafrikanischen Landes ausgedehnt. In der Hauptstadt Tunis und umliegenden Gebieten kam es zu Plünderungen und Brandschatzungen. Vermummte Demonstranten lieferten im Arbeiterviertel Ettadhamen sich bis in die Morgenstunden gewaltsame Auseinandersetzungen mit der Nationalgarde. Ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP vor Ort berichtete von geplünderten Geschäften, zudem sei eine Polizeiwache angezündet worden.

Mehr als 40 Sicherheitskräfte verletzt

Auch in den Städten Jendounba und Bizerte attackierten Demonstranten Posten der Polizei und setzten deren Autos in Brand. Die Proteste richten sich gegen die schlechte wirtschaftliche Lage, aber auch gegen die weit verbreitete Korruption im Land. Mindestens zwei Menschen kamen dabei bislang ums Leben.

Aus Sicht des Innenministeriums missbrauchen Kriminelle die friedlichen Proteste gegen die Regierung. Nach Angaben der Behörde wurden allein in den vergangenen 24 Stunden landesweit 42 Sicherheitskräfte verletzt. Ein Polizeibeamter sei am Mittwochabend in seinem Auto tödlich verunglückt, als er in der Stadt Feriana Demonstranten auseinandertreiben wollte.


Die Demonstrationen gegen die hohe Arbeitslosigkeit in Tunesien waren nach dem Tod eines Demonstranten am Sonntag eskaliert. Der junge Mann, dessen Bewerbung bei einer Regierungsstelle abgewiesen worden war, war aus Protest auf einen Fernleitungsmast geklettert und durch einen Stromschlag getötet worden. Die Arbeitslosenrate liegt in Tunesien bei rund 15 Prozent, unter jungen Leuten aber bei 30 Prozent.

Erinnerung an Beginn des "Arabischen Frühlings"

Zusagen der Regierung, Tausenden Arbeitslosen einen Job zu beschaffen und mehr Sozialwohnungen zu bauen, konnten die Lage bislang nicht beruhigen. Manche Beobachter vergleichen die Proteste bereits mit dem Aufstand im Land, der 2011 den Beginn des "Arabischen Frühlings" markierte.


Die deutsche Bundesregierung betrachte die erneuten gewaltsamen Auseinandersetzungen in Tunesien "mit großer Sorge" und rufe die Sicherheitskräfte des Landes zu Besonnenheit auf, teilte eine Regierungssprecherin mit. Die große Unzufriedenheit vieler junger Tunesier sei verständlich, da sie "keine echte Perspektive" in ihrem Land hätten. Daher stehe ihnen auch das Recht auf friedlichen Protest zu. Die tunesische Regierung müsste Reformen zur Verbesserung der Situation im Land vorantreiben.