Das Treffen von Papst Franziskus und dem Patriarch Kyrill auf Kuba ist in beiden Kirchen auch auf Kritik gestoßen. Weder der erste noch der zweite haben aber ihre Kirchen nach den Worten von Thomas Bremer, Professor für Ökumene, Ostkirchenkunde und Friedensforschung an der katholisch-theologischen Fakultät der Universität Münster, verraten.
Papst Patriarch
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Was die russisch-orthodoxe Kirche betrifft, hängt die Kritik möglicherweise mit dem Panorthodoxen Konzil auf Kreta im Juni 2016 zusammen, sagte er im Sputnik-Interview mit Nikolaj Jolkin. „Das Thema war die Flüchtlinge und die Christenverfolgung im Nahen Osten sowie die gemeinsame Verantwortung der christlichen Führer für die Welt. Man wollte die Stimme in einer schweren Situation für die Welt erheben und bewusst nicht über theologische Auseinandersetzungen sprechen. Trotzdem gibt es in manchen orthodoxen Kirchen die Angst, dass man schon von einer neuen Union gesprochen hat oder das Konzil etwas verändert und die russische Kirche den neuen Kalender annimmt. Das plant aber keiner, aber solche Gerüchte bekommen eine bestimmte Dynamik. Und es gibt einige Kreise, die daran interessiert sind.“

Interessant findet der namhafte Kirchenexperte, dass es Kritik an dem Treffen auch auf katholischer Seite gegeben habe, vor allem bei den griechisch-katholischen Ukrainern. „Sie haben gesagt, dass Russland und damit auch die russische Kirche den Krieg in der Ukraine unterstützt bzw. nicht verurteilt. In der gemeinsamen Erklärung der beiden Kirchenoberhäupter steht nur, dass die griechisch-katholische Kirche ein Recht auf Existenz hat. Die erste Begegnung der Kirchenvorsteher aus Moskau und Rom seit der Entstehung des Moskauer Patriarchates im 16. Jahrhundert wurde also kritisiert — in der russischen Kirche mehr, in der katholischen weniger. Es sind aber Minderheitengruppen.“

In der Zeit der Sowjetunion schiene der ökumenische Dialog der beiden Kirchen relativ problemlos zu sein, meint Prof. Bremer weiter. Das habe sich Anfang der 90ger Jahren geändert. Der wichtige Grund dafür sei es gewesen, dass nachdem die Religionsfreiheit in der einstigen Sowjetunion gegeben habe, die griechisch-katholische Kirche oder die unierte Kirche in der Ukraine, wieder zugelassen würde.

„Das hat dazu geführt, dass viele Ukrainer die orthodoxe Kirche verlassen haben und wieder griechisch-katholisch geworden sind. Die russische Kirche sah darin eine Absicht der katholischen Kirche, die Orthodoxie zu schwächen und mehr Einfluss in der ehemaligen Sowjetunion zu gewinnen. Die katholische Kirche hat das nicht so gesehen, aber die russische Kirche wollte kein Treffen zwischen dem Papst und dem Patriarchen zulassen, solange dieses Problem nicht gelöst wird. Das Problem ist heute praktisch gelöst.“

„Wenn man von dem Proselytismus spricht, meint man, dass Menschen, die orthodox sind, mit Versprechungen zur katholischen Kirche gebracht werden. In Russland spielt der Katholizismus aber keine Rolle. Zwar gibt es eine relativ kleine Gemeinschaft von Katholiken, aber wenn man sich in Zahlen das ansieht, gibt es heute vielmehr Deutsche, die orthodox geworden sind, als Russen, die katholisch geworden sind. Der Papst und der Patriarch haben sich in ihrer Erklärung in dem Sinne gegen den Proselytismus ausgesprochen, dass die Menschen von einer Kirche für die andere nicht abgeworben werden.“

Es gibt nach der Ansicht von Thomas Bremer auch andere Spannungen zwischen den beiden Kirchen und auch einige Dinge, die unterschiedlich von ihnen gesehen werden. Man müsse einige Wochen noch abwarten, meint er, bis die beiden Kirchenoberhäupter ihre Auslandsreisen beenden und zurückkommen. Erst dann könne man sagen, ob dieses Treffen die grundsätzlich schwierige Beziehung zwischen beiden Kirchen verändert habe.

Es ist so, dass die russische Kirche immer isoliert gewesen sei, fährt Thomas Bremer fort. „Und da viele orthodoxe Kirchen normale Beziehungen zum Vatikan haben — nur die russische Kirche nicht — entstand vielleicht bei dem Patriarchen gerade vor dem Konzil ein Gefühl, dass man diesen Kontakt zu der katholischen Kirche auf der höchsten Ebene haben muss, um nicht allein in der Orthodoxie zu bleiben.“

Der Ostkirchen-Experte glaubt nicht, dass nach dem historischen Treffen eine Spaltung der russisch-orthodoxen Kirche drohe. Dafür seien doch die kritischen Stimmen zu klein und zu wenig laut.

Thomas Bremer bezog sich auf die Untersuchungen, die besagen, dass die meisten Menschen nicht wegen des Patriarchen oder des Papstes religiös sind, sondern wegen ihres Glaubens. „Aus Umfragen in Russland ist es ersichtlich, dass es viele religiöse Menschen gibt, die nicht so ein großes Interesse an Bischof, Papst oder Patriarchen sowie an kirchenpolitischen Fragen haben, obwohl der Patriarch Kyrill zu einer der wichtigsten Personen in Russland gezählt wird.“