Selbst- und Fremdeinschätzungen zu ehrlichem Verhalten treffen nur selten zu

Alles gelogen? Wie ehrlich sich Menschen verhalten, unterscheidet sich von Land zu Land, wie Experimente nun zeigen. Herrschende Stereotypen bestätigt die Studie dagegen nicht - eher im Gegenteil: Die Ergebnisse fielen völlig anders aus als von den Teilnehmern vorhergesagt. Besonders notorische Lügner, aber auch die ehrlichsten Menschen, unterstellen anderen demnach am ehesten, nicht die Wahrheit zu sagen. Außerdem neigen die Einwohner von reichen Ländern eher zur Ehrlichkeit, so die Studie.
Münzwurf, Münze werfen
© University of East AngliaEhrlichkeit: Wirklich nur ein Zufall?
Ein gegebenes Wort zu halten und andere Menschen nicht zu belügen gilt in unserer Gesellschaft eigentlich als selbstverständlich, Unehrlichkeit gilt dagegen als falsch. Eigentlich - denn entgegen dieser Moralvorstellung sind kleine Flunkereien und größere Lügen dennoch an der Tagesordnung. Die Neigung zu Unwahrheiten ist dabei offenbar sozial und kulturell geprägt: Männer lügen zum Beispiel häufiger, wenn es ihnen in einer Gruppe von Menschen Vorteile verschafft. Wohlstand und insbesondere das Bankgeschäft fördern offenbar unehrliches Verhalten, und sogar die Tageszeit hat einen Einfluss auf unseren Hang zur Lüge.


Kommentar: Man bemerke den Widerspruch in diesem Artikel: Hier wurde gerade gesagt, dass u.a. Wohlstand unehrliches Verhalten fördert, während am Schluß des Artikels gesagt wird, Wohlstand fördere ehrliches Verhalten. Was denn nun? Schaut man zig andere Studien und unsere Welt im Allgemeinen an, liegt die obere Aussage wohl eher an der Wahrheit. Besonders die folgenden Artikel in Bezug auf Psychopathen in hohen Positionen sind aufschlussreich. Da ein Großteil der Menschen zu solchen "Führungspersonen" aufschaut, pflanzt sich dieser Virus leicht fort und normale Menschen beginnen dann ebenfalls, sich psychopathisch zu verhalten:

Schummeln bringt Geld

Es ist daher naheliegend, dass sich die Ehrlichkeit der Menschen je nach Kulturkreis und Entwicklungsstand des Heimatlandes unterscheiden könnte. Forscher um David Hugh-Jones von der University of East Anglia (UEA) im englischen Norwich haben diese Vermutung überprüft. Sie führten mit über 1.500 Teilnehmern aus 15 verschiedenen Ländern Experimente zur Ehrlichkeit der Probanden durch. Die untersuchen Länder waren Brasilien, China, Griechenland, Japan, Russland, die Schweiz, die Türkei, die USA, Argentinien, Dänemark, Großbritannien, Indien, Portugal, Südafrika und Südkorea.

Im ersten Experiment sollten die Teilnehmer mehrfach eine Münze werfen und anschließend angeben, wie häufig sie "Kopf" oder "Zahl" geworfen hatten. Für jeden "Kopf"-Wurf erhielten sie einen kleinen Geldbetrag als Belohnung. Übewacht wurden sie dabei nicht. Doch tritt das Ergebnis "Kopf" im Schnitt deutlich häufiger als in der Hälfte der Fälle auf, deutet das auf unehrliche Angaben hin.

Das zweite Experiment bestand aus einem Musik-Quiz am Computer. Die Probanden wurden zuerst gebeten, die Antworten nicht im Internet zu recherchieren. Mit einem Häkchen in einer Box bestätigten sie außerdem, dass sie selbständig geantwortet hatten. Drei der Fragen waren jedoch außerordentlich schwierig. Mehr als eine dieser Fragen richtig zu beantworten werteten die Forscher als Hinweis auf Schummelei. Anreiz zum Mogeln brachte dabei ebenfalls Geld, das die Probanden für ein fehlerfrei absolviertes Quiz erhielten.

"Vermutungen spiegeln nicht die Realität wider"

Unehrliches Verhalten trat den Testergebnissen zufolge in sämtlichen Ländern auf. Das Ausmaß unterschied sich allerdings stark von Land zu Land und auch von Experiment zu Experiment. Beim Münzwurf beispielsweise schummelten nur 3,4 Prozent der Briten, aber 70 Prozent der Chinesen. In Japan beantworteten Menschen das Musikquiz am ehrlichsten, während die Forscher bei diesem Experiment in der Türkei auf die größte Unehrlichkeit stießen.

Interessanterweise decken sich die Ergebnisse in keiner Weise damit, was die Teilnehmer selbst zuvor erwartet hatten: Bei der vorherigen Befragung schnitt zum Beispiel Griechenland am schlechtesten ab, hier vermuteten die Probanden die größte Unehrlichkeit. Beim Münzwurf gehörte Griechenland aber zu den ehrlichsten Ländern und lag beim Quiz im Mittelfeld. "Die Vermutungen der Teilnehmer spiegeln nicht die Realität wider", heißt es in der Studie.

Auch bei der Selbsteinschätzung gab es große Unterschiede. Besonders pessimistisch zeigten sich die Griechen: Ebenso wie die Chinesen unterstellten sie ihren eigenen Landsleuten einen besonderen Hang zum Lügen. Diese Befragung zeigte auch, dass vor allem unehrliche Menschen von anderen erwarten, ebenfalls nicht die Wahrheit zu sagen. Überraschenderweise jedoch tritt diese Vermutung auch am anderen Ende des Spektrums auf: In den ehrlichsten Ländern gingen die Menschen ebenfalls leicht davon aus, alle anderen seien weniger ehrlich.

Selbst-Projektion fördert Stereotypen

"Vermutungen über die Ehrlichkeit scheinen durch psychologische Züge wie etwa Selbst-Projektion angetrieben zu sein", meint Studienautor Hugh-Jones. "Überraschenderweise waren die Menschen pessimistischer über die Ehrlichkeit der Menschen in ihrem eigenen Land als bei Menschen in anderen Ländern." Ein Grund hierfür könnte sein, dass Nachrichten stärker über Unehrlichkeit im eigenen Land berichten, vermutet der Wissenschaftler.

"Was die Leute über die Ehrlichkeit ihrer Mitmenschen und Menschen in anderen Ländern denken, kann zutreffen oder auch nicht", betont Hugh-Jones, "aber es beeinflusst, wie sie miteinander umgehen." Ein Land könnte beispielsweise hilfsbereiter gegenüber einem anderen verschuldeten Land sein, wenn dessen Einwohner vor allem für ehrlich gehalten werden - wie ehrlich sie tatsächlich sind, spielt zunächst nur eine geringe Rolle. Entscheidend seien die geltenden Stereotypen, so der Forscher. "Daher ist es wichtig zu verstehen, wie diese Vermutungen entstehen."

Ehrlichkeit fördert die Wirtschaft

Einen starken Zusammenhang sieht Hugh-Jones zwischen der Ehrlichkeit eines Landes und seinem Wohlstand: Je höher das Bruttosozialprodukt pro Kopf, desto ehrlicher sind die Menschen im jeweiligen Land. Dieser Zusammenhang tritt in Wirtschaftszahlen von 1950 jedoch noch deutlicher zutage als in aktuellen Daten. Hugh-Jones spekuliert deshalb, dass die Ehrlichkeit in der Vergangenheit eine größere Triebkraft für das Wirtschaftswachstum war, als sie es heute noch ist.


Kommentar: Es geht hier nicht weiter hervor, von wann diese Studie stammt. Die Schlußfolgerung, dass Ehrlichkeit zu wirtschaftlichem Wohlstand führt deckt sich ganz offensichtlich nicht mit der Realität. Immerhin sind die sogenannten westlichen Länder auf Kosten und auf Grund der Ausbeutung anderer Länder erst so reich geworden.


"Wenn Verwaltung und Technologie wenig entwickelt sind, ist Ehrlichkeit ein wichtiger Ersatz, um formelle Verträge durchzusetzen", erklärt der Wissenschaftler. "Entwickeln Länder eine Kultur, in der Ehrlichkeit einen hohen Stellenwert hat, bringt ihnen das wirtschaftliche Vorteile." Führt dieses Wirtschaftswachstum dann zu besserer Verwaltung und höherer Technologie, so sei die Ehrlichkeitskultur für weiteres Wachstum weniger wichtig.

(University of East Anglia, 16.11.2015 - AKR)