Psychopathen regieren unsere welt, Politiker, Bevölkerung
© sott.netPsychopathen regieren unsere Welt. 6% der Menschen werden genetisch Bedingt als Psychopathen geboren. Wissen Sie, was das für den Rest von uns bedeutet?
Ein deutscher Psychologe will notorische Gewalttäter mittels Neurofeedback heilen.

Gnadenlos tötete der Norweger Anders Breivik im Sommer 2011 genau 77 Menschen. Am 16. April 2012 nun beginnt in Oslo der Prozess gegen den Mann. Ob Leute wie er oder andere schwere Gewalt- und Sexualverbrecher jemals zu therapieren sind, wird immer wieder kontrovers diskutiert. Nicht minder heftig streiten Wissenschaftler darüber, welche Ursachen hinter «dem Bösen» stecken. Schwierige Lebensläufe mit komplexen sozialen Problemen von Kindheit an und/oder biologische Phänomene im Gehirn? Niels Birbaumer von der Universität Tübingen hat dazu eine dezidierte Meinung: Warum auch immer, «aber Verhalten hat stets auch Wurzeln im Gehirn.»

Seit einiger Zeit interessiert sich der 66-Jährige für psychopathische Gewaltverbrecher - Menschen, die eiskalt und angstfrei sind, narzisstisch, ohne Mitgefühl, Gewissen und soziale Verantwortung, dafür häufig mit einem manipulativen Charme. Nach psychiatrischen Kriterien lässt sich diese schwere Persönlichkeitsstörung klar diagnostizieren. Birbaumers erste Probanden waren Schwerstverbrecher, die er bei der Entlassung am Gefängnisausgang gefragt hat, ob sie an einer Studie teilnehmen wollen. Für «irrsinnig viel Geld», wie der Psychologe sagt, «200 oder 300 Euro für zwei oder drei Stunden, sonst würden die das gar nicht machen.»

Beginnender Lernprozess

Birbaumer legte die elf Verbrecher in einen Hirnscanner und zeigte ihnen gleichzeitig Fotos mit schrecklichen Szenen, die bei fast jedem Angst auslösen. In diesen Fällen sind normalerweise Regionen tief im Inneren des Gehirns aktiviert wie etwa den «Mandelkern», die das Gefühl der Furcht repräsentieren. Und andererseits Areale in der Hirnrinde wie die Inselregion. Durch sie fühlen wir die Angst, auch durch körperliche Reaktionen wie Schweissausbrüche, Magengrummeln oder kalte Hände. Zudem leuchtet auf den Hirnbildern das «Cingulum» der Grosshirnrinde auf, das impulsive Handlungen einzudämmen versucht, und eine Kortex-Region, die uns sagt, was gut ist und was böse. Aber «bei den Schwerstverbrechern bleibt dieses Netzwerk der Furcht still», erklärt Birbaumer. Infolgedessen quittieren sie die gezeigten Bilder gerade mal mit einem Achselzucken.

Der Psychologe geht allerdings davon aus, dass sie lernen können, wieder Angst zu fühlen, «weil das Gehirn plastisch ist.» Sein langfristiges Ziel: «Die Rückfallquote solcher Straftäter weiter zu senken.» Der Tübinger nutzt für derlei Veränderungsprozesse im Gehirn das Neurofeedback. Im Scanner liegend, verfolgten die Delinquenten über eine Art Thermometeranzeige auf einem Bildschirm den dargestellten Blutfluss in ihren betreffenden Hirnregionen. Sie waren gehalten, die Anzeige auf dem Monitor über ihre Gedanken und Gefühle zu verändern. Nach einiger Zeit merkten die Probanden, was sie denken müssen - und je besser das ging, desto höher stieg das Thermometer. «Der Lernprozess funktionierte sehr gut», stellt Birbaumer fest, «auch wenn es bei diesen Leuten viel länger dauert als bei anderen.»


Kommentar: Wenn die Probanden mit dem PCL-R Testverfahren als Psychopathen diagnostiziert wurden, ist die Chance sehr groß, dass sie nicht geheilt werden können. Robert Hare machte selber diese Erfahrungen bei verschiedenen Trainings und das er letzten Endes von den Psychopathen getäuscht wurde. Psychopathen können perfekt manipulieren und eventuell auch Testergebnisse bewusst verfälschen, damit es so ausschaut als ob. Zumindest sollte das im Hinterkopf behalten werden.


Zum einen aber nahmen für handfeste Aussagen viel zu wenige Probanden an der Studie teil. Zum anderen lässt sich nicht einfach in jedem Knast ein Millionen Franken teurer Hirnscanner montieren. Was also tun? Für seine laufende neue Studie hat Birbaumer ein leicht transportables EEG-Gerät in ein Gefängnis verfrachtet. Allerdings sind diese auf dem Schädel angebrachten Elektroden, welche die Aktivität von Nervenzellen über die elektromagnetischen Schwingungen des Gehirns messen, weitaus unspezifischer als ein Hirnscanner. Erst wenige Probanden - meist mehrfache Vergewaltiger und Mörder - in zwei bayerischen Gefängnissen haben sich dem Prozedere unterzogen. «Die werden schon ängstlicher», umschreibt der Forscher eine erste Tendenz, «aber sie fürchten sich vor den Fotos mit grausigen Szenen noch nicht so stark wie Gesunde.»

Experte Urbaniok ist kritisch

Frank Urbaniok vom Psychiatrisch-Psychologischen Dienst in Zürich hält von derlei Versuchen nicht viel: «Das ist eine Laborsituation», sagt Urbaniok, die sich nur schwerlich in die Praxis und den Alltag übertragen lasse: «Aus solch einem experimentellen Setting heraus etwas über das Rückfallrisiko zu sagen: nein.» Der 49-Jährige erklärt glühend, dass menschliches Verhalten nicht komplett von unserem Gehirn determiniert ist: «Das ist methodisch kreuzfalsch. Verhalten ist keine Hundertprozentfunktion im Sinne von voll determiniert oder gar nicht. Wir haben bestimmte Persönlichkeitseigenschaften, und die machen ein bestimmtes Verhalten wahrscheinlicher oder unwahrscheinlicher.» Auch bei Schwerstverbrechern wie Psychopathen.


Kommentar: Psychopathen könnten in diesem Fall eine Ausnahme bilden, dass sein Verhalten ausschließlich auf das Gehirn zurückzuführen ist und genetisch bedingt sein kann.


Urbaniok hat es immer wieder mit Psychopathen zu tun. Der Experte schätzt für Gerichte ein, wie gefährlich ein Schwerverbrecher nach Ende seiner Strafe bleibt - selbst nach einer Sozialtherapie im Gefängnis. Alle bisherigen Studien mit Psychopathen bewertet der Experte als «heterogen und nicht gerade schlüssig.» Doch nach den Erfahrungen in Zürich «sind einige Psychopathen klar besser therapierbar und andere überhaupt nicht».

Hat sich Straftatverhalten beispielsweise stark in der Persönlichkeit verankert, steigt das Risiko eines Rückfalls am stärksten: «Das ist wahrscheinlich der entscheidende Punkt.» Es wächst nochmals, wenn sich ein weiteres Merkmal - etwa die Neigung zur Vergewaltigung - als attraktiv in seine Persönlichkeit eingebrannt hat. Andererseits hat Urbaniok bei Leuten mit einem alleinigen hohen Psychopathie-Wert schon positive Verläufe gesehen.

Rückfallquote einschätzen

Alle für das Rückfallrisiko wichtigen Persönlichkeitseigenschaften gründlich zu erkennen, zeichne eine hochwertige Prognose aus. Den Menschen kennenzulernen. Zu hören, was er sagt. Dinge wie Dominanzverhalten und tatfördernde Weltanschauung zu erfassen. Darauf zu schauen, wie er seine Taten begangen hat. Mit anderen über den Delinquenten zu sprechen. «Macht man das mit standardisierten Mitteln, können wir das Rückfallrisiko nicht nur für Psychopathen, sondern für Verbrecher allgemein zuverlässig einschätzen», sagt Urbaniok und verweist auf ein unfreiwilliges Experiment aus der Zeit vor 2007, als die Schweiz noch keine Sicherheitsverwahrung hatte. Seinerzeit hatten die Zürcher Fachleute acht Schwerstverbrecher als nicht therapierbar bewertet. Zu Recht, wie sich zeigte: Alle wurden nach ihrer Freilassung mit schwersten Delikten rückfällig - mit 24 Opfern. «Das war bedrückend», erklärt Urbaniok. Letztlich gehen die Zürcher Fachleute von einer fünfstufigen Skalierung aus: sehr hohes, deutliches, moderates, geringes und sehr geringes Rückfallrisiko. «Ob die Täter freikommen oder in Sicherheitsverwahrung, entscheidet aber letztlich die Gesellschaft in Person des Richters.»

Biologische Parameter nutzen

Dass eines Tages zusätzlich «biologische Parameter aus der Hirnforschung» genutzt werden, um Therapieeffekte bei Straftätern zu prüfen, schliesst auch Urbaniok nicht aus. Niels Birbaumer jedenfalls will seine Studien so lange fortsetzen wie möglich. Obwohl er weiss, dass Taten wie die eines Anders Breivik vor allem politisch motiviert sind: «70 Prozent aller Menschen töten ihnen völlig Unbekannte, wenn es von ihnen verlangt wird oder wenn sie wie Breivik glauben, dass es von ihnen gefordert und erwartet wird.» Gleichwohl kämen «mangelnde Impulskontrolle und mangelnde Furcht als starke Risikofaktoren» hinzu. Birbaumer weiss auch: Es wird nicht leicht sein, zu beweisen, ob das Hirntraining mit Neurofeedback wirklich dazu beitragen kann, einen Rückfall zu verhindern. Doch sollte es gelingen, da gibt sich der Tübinger sicher, «könnte sie die jetzigen therapeutischen Massnahmen für Verbrecher im Gefängnis ergänzen.» Selbst wenn man die Rückfallquote damit nur um ein paar Prozent drücken könnte, «würde das im Zweifel einigen Menschen das Leben retten.»