Fruit
© Getty
Obst und Gemüse mit Perchlorat kontaminiert

Auf annähernd allen Obst- und Gemüsesorten können sich Rückstände der Chemikalie Perchlorat befinden. In einer aktuellen Recherche des NDR-Verbrauchermagazins Markt war fast jede untersuchte Probe mit Perchlorat kontaminiert. Hier werden erhebliche gesundheitliche Auswirkungen befürchtet, unter anderem da Perchlorat die Funktion der Schilddrüse hemmt. Wie die ansonsten zum Beispiel als Treibstoff in Raketen und Feuerwerkskörpern oder auch als Medikament gegen Schilddrüsenüberfunktion eingesetzte Chemikalie auf die Lebensmittel gelangt, ist bislang nicht abschließend geklärt. Offenbar handelt es sich jedoch um ein bereits seit längerer Zeit bekanntes Problem.

Besonders kritisch sind die auf Obst- und Gemüseproben aus mehreren Supermärkten nachgewiesenen Perchlorat-Rückstände, da sich diese nicht abwaschen lassen und die Chemikalie sich auch beim Kochen nicht verflüchtigt, berichtet der Chemiker und Lebensmittelanalytiker, Dr. Günter Lach, gegenüber dem NDR-Verbrauchermagazin. Dem Experten zufolge ist „ein Wirkstoff, der in einem Arzneimittel vorhanden ist, und da eine Wirkung entfalten soll, in einem Lebensmittel völlig unkalkulierbar“, weshalb Perchlorat „in Lebensmitteln überhaupt nichts zu suchen“ habe. Die Rückstände der Chemikalie könnten vor allem für Kinder gesundheitliche Folgen haben, befürchtet Dr. Günter Lach.

Fast jede Probe mit Perchlorat verseucht

Laut Mitteilung des NDR wurden für die Recherchen des Verbrauchermagazins Markt 17 Proben aus verschiedenen Herkunftsländern in Discountern und Supermärkten sowie auf dem Wochenmarkt eingekauft und anschließend im Labor untersucht. Im Fokus der Recherche standen dabei „unter anderem Wassermelonen, Zucchini und Blattsalate“, berichtet der NDR. Die Laboranalyse habe in fast jeder Probe Perchlorat nachgewiesen, wobei „in drei Proben weit mehr als die vom Bundesinstitut für Risikobewertung empfohlene Höchstmenge gefunden“ wurde. Es sei davon auszugehen, dass fast jede Sorte Obst und Gemüse Perchlorat-Rückstände aufweisen könne. Wie die Kontamination entsteht und welches Gesundheitsrisiko diese mit sich bringt, bleibt bislang jedoch offen.

Problem der Perchlorat-Verseuchung seit längerem bekannt

Der NDR-Mitteilung zufolge liegen dem Verbrauchermagazin „Unterlagen vor, die belegen, dass die Erzeuger das Problem kennen.“ Diese hätten bereits eigenständig Untersuchungen durchgeführt und Daten zu Perchlorat gesammelt. Ergebnis sei eine Liste, die zeigt, dass fast jede Sorte Obst und Gemüse kontaminiert sein kann. „In den USA ist das Problem bereits seit rund zehn Jahren bekannt“, wobei dort das Vorkommen im Trinkwasser im Fokus stehe, berichtet der NDR. Theoretisch könne Perchlorat unter bestimmten Bedingungen auch auf natürlichem Weg entstehen, doch lägen derzeit keine Hinweise dafür vor, „dass das Vorkommen von Perchlorat in Obst und Gemüse durch natürliche Prozesse zu erklären ist.“ Um eine Stellungnahme gebeten, erläuterte das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) gegenüber Markt dass „das Auftreten von Perchlorat in Lebensmitteln ein neues Problem“ sei und „die zuständigen Behörden derzeit intensiv an der Klärung der Ursachen und an entsprechenden Maßnahmen“ arbeiten. Deutschland habe auch die EU-Kommission eingeschaltet, „verbunden mit der Bitte um eine Bewertung durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA“, erklärte das BMLEV. Dieser Schritt sei notwendig gewesen, „da sich die Funde von Perchlorat in Lebensmitteln nicht auf bestimmte Regionen begrenzen lassen.“

Düngemittel als Quelle der Kontamination?

Auch die Betreiber der Discounter und Supermärkte wurden von dem NDR-Verbrauchermagazin um eine Stellungnahme gebeten. In dieser erklärte beispielsweise Edeka, dass die aufgezeigten Befunde sehr ernst genommen werden. „Wir haben Kontakt mit den jeweiligen Produzentenvereinigungen aufgenommen und sie aufgefordert, die Kontrollen noch weiter zu intensivieren“, zitiert der NDR die Stellungnahme von Edeka. Der Discounter Lidl habe dem Verbrauchermagazin Markt mitgeteilt, dass die „Lieferanten sensibilisiert und über die Gefahr eines unbewussten Eintrags von Perchlorat in Obst und Gemüse informiert“ worden seien. Solange jedoch unklar bleibt, auf welchem Wege das Perchlorat in die Lebensmittel gelangt, bleibt auch die Vermeidung einer solchen Kontamination schwierig. Die vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz gegenüber Markt geäußerte Vermutung, dass die Quelle der Kontamination möglicherweise Düngemittel seien könnten, bietet hier allerdings einen Ansatzpunkt der dringend überprüft werden sollte.

Verbesserter Verbraucherschutz gefordert

Im Zweifelsfall ist auch über ein Verbot von Perchlorat in Düngemitteln nachzudenken, so die Position der Experten angesichts der zunehmenden Kontamination von Lebensmitteln. „Hier muss eine ganz klare Regelung her, dass Stoffe wie Perchlorat nicht mehr in den Produkten enthalten sein dürfen“, erklärte Dr. Lach. Alle, die Lebensmittel an Verbraucher abgeben, seien in der Verantwortung, um die Gesundheit der Konsumenten zu schützen. Der Lebensmitteleinzelhandel müsse entsprechenden Druck entwickeln - auf Erzeuger und Lieferanten von solchen Düngemitteln, damit in Zukunft der Raketentreibstoff nicht mehr auf Gemüse und Obst zu finden ist. Bislang besteht offenbar kaum eine Möglichkeit beim Verzehr von Obst und Gemüse sicher zu sein, dass kein Perchlorat aufgenommen wird. Zwar waren dem NDR-Verbrauchermagazin zufolge Bio-Lebensmittel weniger betroffen als konventionelles Obst und Gemüse, doch belastungsfrei waren auch diese nicht.

fp