Deutsche Unternehmen wollen sich bei der Zustellung per Drohne nicht das Wasser von Amazon abgraben lassen. Die Post bastelt bereits am "Paketkopter" - und dann gibt es da noch die Microdrones.
prime air
© via Bloomberg
Wie ruft ein Online-Händler am Cyber Monday, dem traditionell umsatzstärksten Tag des Jahres für Online-Händler in den Vereinigten Staaten, die eigene Webseite ins Gedächtnis der Kunden?

Amazons Gründer Jeff Bezos macht es vor: Er verkündete in einem Fernseh-Interview mit dem US-Sender CBS, künftig wolle er Amazons Paketsendungen per Rotor-Drohne ausfliegen lassen.

Sogar ein passendes Markenlogo samt Marketing-Film hatte Bezos parat, um den Kunden seinen Plan glaubhaft zu machen: Unter dem Label "Prime Air" will Amazon den Plan umsetzen, auf der Homepage zeigt ein Video eine Luft-Zustellung direkt in den Vorgarten eines US-Vorstadthauses.

Einsatzbereit in vier bis fünf Jahren

"Ich weiß, das sieht nach Science-Fiction aus", sagte der Amazon-CEO. "Das ist es aber nicht." Nach den Vorstellungen des Amazon-Chefs sollen in den USA in vier, fünf Jahren kleinere Drohnen Waren binnen 30 Minuten zum Käufer bringen.

Die Drohnen mit acht kleinen Rotoren könnten bis knapp 2,5 Kilogramm Nutzlast transportieren und pro Lieferung etwa 16 Kilometer zurücklegen.

Bezos Kalkül ging auf, Amazons Drohnenstory war am Montag auf sämtlichen Nachrichten-Seiten der USA weit oben in den Schlagzeilen, das Video wurde jeweils verlinkt. Auf der eigenen Video-Seite wirbt Amazon oben rechts passend individualisiert für "Cyber-Monday-Deals", die Shopping-Angebote sind nur einen Klick entfernt.

Realitätscheck ist ernüchternd

Doch ein Realitäts-Check entlarvt Bezos Ankündigung als Marketing-Geniestreich: Technisch wie rechtlich ist das Drohnen-Konzept mindestens fünf Jahre weit von der Umsetzung entfernt. So gibt es zwar Fortschritte in der Drohnentechnik, aber noch erhebliche rechtliche Hürden und Sicherheitsbedenken.

Ein Flug mit zivilen Drohnen außerhalb der Sichtweite des Piloten wäre in Deutschland derzeit gar nicht möglich. Bislang fehlt den Fluggeräten zudem Reichweite. Deswegen müsste Amazon sein Netz aus Versandzentren sehr viel enger als bislang stricken, um den Aktionsradius einer kompakten Rotor-Drohne von maximal 16 Kilometern nicht zu überschreiten.

Ein Experte, der lieber anonym bleiben möchte, spricht von einem "guten Marketinggag von Amazon in der Vorweihnachtszeit. Er hat aber wenig mit der Praxis zu tun."

Dabei rumort es in der Versandhandelsbranche, wie die Herausforderungen in der Logistik gelöst werden könnten. Amazon ist das bislang herausragendste Beispiel einer Firma, die künftig für Drohnentransporte plädiert und einen entsprechenden Service aufbauen will.

Auch die Deutsche Post denkt über Drohnen nach

Auch die Deutsche Post forscht an der Paketzustellung der Zukunft. "Dass über den Einsatz von Drohnen in der Paketzustellung nachgedacht wird, ist nicht neu", sagte eine Konzernsprecherin der Welt. Der Konzern unterhält ein Forschungszentrum in Troisdorf, das vor sechs Jahren mit einem zweistelligen Millionen-Euro-Betrag gestartet wurde.

"Die Deutsche Post DHL hat hierzu ein eigenes Forschungsprojekt, in dem DHL Paket gemeinsam mit dem DHL Innovation Center den Einsatz eines so genannten Paketkopters testet", sagte die Sprecherin weiter.

Wie dieser Mini-Helikopter aussieht und wie alltagstauglich das Fluggerät schon ist, dazu gibt es derzeit aber keine Informationen. "Im Rahmen dieses Projektes denken wir perspektivisch zum Beispiel über besonders eilige Lieferungen etwa in der Medikamentenversorgung oder eine Zustellung per Paketkopter an geografisch schwer zugängliche Adressen nach", sagte die Konzernsprecherin.

Einen Zeitplan oder Daten für Tests nennt die Post nicht. Ebenso existieren nach den Aussagen keine konkreten Pläne, den "Paketkopter" in der täglichen Paketzustellung einzusetzen. Jedenfalls "derzeit nicht", wie es bei der Post heißt.

Drohnen sind derzeit vor allem gute Werbeträger

Bislang haben sich nur Kleinunternehmen und Start-up-Firmen öffentlich mit zivilen Transporten durch Drohnen beschäftigt.

Dabei ging es offensichtlich eher um Eigenwerbung als um den praxisnahen Einsatz: Von einem Essens-Lieferservice mit einem Tacocopter an der US-Westküste bis zur US-Start-Up-Firma Matternet für Medizin und Nahrung in abgelegenen Regionen der Welt - bislang nutzen Firmen vor allem die Werbekraft der Drohnen für sich, geliefert hat noch kein Anbieter.

Vor der praktischen Umsetzung der Päckchenanlieferung mit Drohnen sind noch eine Vielzahl rechtlicher Hürden zu nehmen. So gibt es sowohl in den USA als auch in Deutschland noch keine generelle Zulassung für zivile unbemannte Fluggeräten im Luftraum.

Die US-Zulassungsbehörde FAA will die Regelung bis 2015 schaffen. Amazon-Chef Bezos räumt offen ein, dass die Flüge seiner Drohnen noch die Zustimmung der Behörde braucht.

Einsatz in Deutschland zur Zeit verboten

In Deutschland wäre ein Drohnen-Lieferdienst derzeit nicht möglich, weil der Betrieb "von unbemannten Luftfahrtgeräten außerhalb der Sichtweite des Steuerers oder mit einer Gesamtmasse von über 25 Kilogramm grundsätzlich verboten" ist.

Darauf weist eine erst jüngst vom Bundesverkehrsministerium herausgegebenen Broschüre hin.

Die Luftfahrtbehörden der Bundesländer können zwar eine so genannte Aufstiegserlaubnis für Drohnen erteilen. In den meisten Bundesländern ist das für Fluggeräte mit Elektroantrieb, die leichter als fünf Kilo einschließlich Nutzlast sind, kein zu großes Problem. Doch die Amazon-Drohne dürfte ihr Gesamtgewicht bei grob 15 Kilogramm haben.

Hersteller arbeitet mit Logistikdienstleister zusammen

Der deutsche Hersteller Microdrones will im kommenden Herbst eine Drohne auf den Markt bringen, die rund drei Kilogramm transportiert und einschließlich Nutzlast dann 15 Kilogramm wiegt. Nach Informationen der Welt steht Microdrones kurz vor der Zusammenarbeit mit einem Logistikdienstleister.

Nähere Angaben werden noch nicht gemacht. Diese Lieferdrohnen mit sind dann nicht mehr als Mikro- oder Kleindrohnen zu bezeichnen, müssten mit zusätzlicher Sicherheitstechnik ausgestattet werden, etwa Anti-Kollisionsradar. Das würde jedoch die Nutzlast einschränken.

Die deutsche Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di sieht in den fliegenden Maschinen jedenfalls keine Konkurrenz zu den menschlichen Zustellern. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass Drohnen in Deutschland auf absehbare Zeit Zusteller ersetzen", sagte eine Sprecherin.

Die laufenden Aktionen von Ver.di, um das weltgrößte Online-Versandhaus zu einem Tarifvertrag zu bewegen, würden von der Perspektive auf maschinelle Konkurrenz nicht beeinflusst. Ver.di schloss nicht aus, dass es noch vor Weihnachten zu weiteren Streiks kommt.