In der Londoner Innenstadt legen Archäologen derzeit rund 3000 Skelette frei - sie liegen auf dem Friedhof eines mittelalterlichen Krankenhauses. Viele der Patienten starben an der Pest.
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London/Hamburg - Archäologen graben einen Friedhof aus der Zeit der Pest aus - mitten in der Londoner Innenstadt. "Wir erwarten, etwa 3000 Skelette zu finden", sagte Forscher Jay Carver. Auf dem Friedhof Bedlam nahe der heutigen Liverpool Street Station hatten Londoner zwischen 1569 bis etwa 1738 ihre Toten beigesetzt.

Auf dem Gelände am Rande des Finanzzentrums entsteht derzeit ein neuer Bahnhof. Hunderte Skelette und Artefakte waren dort bereits in den vergangenen Jahren gefunden worden - manche sind Jahrtausende alt. Archäologen entdeckten im Untergrund auch Dutzende Klingen - Spuren einer 9000 Jahre alten Werkstatt aus der Steinzeit.

Auf dem Friedhof, der nun ausgegraben wird, fanden sowohl reiche Bürger als auch Bettler ihre letzte Ruhe - und auch historische Figuren wie etwa Robert Lockyer, ein Revolutionär aus dem 17. Jahrhundert. Auch Patienten des Bethlem Royal Hospital, das auch als Bedlam-Klinik bekannt ist und die weltweit erste Anstalt für psychisch Kranke war, wurden nach ihrem Tod auf dem Friedhof bestattet.
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© dpaFriedhofsreste: Auf dem Gelände am Rande des Finanzzentrums entsteht ein neuer Bahnhof.
Zudem landeten zahlreiche Opfer der Pest auf dem Gottesacker. In den Jahren 1665 und 1666 waren etwa 70.000 Londoner an der Seuche gestorben, was einem Fünftel der Stadtbevölkerung entsprach. Die Skelette sollen unter anderem Erkenntnisse über den Pesterreger bringen. Die Forscher planen, Erbgut des Bakteriums Yersinia pestis aus Rückständen zu gewinnen, die bis heute an den Zähnen der Toten kleben. Ein Vergleich mit derartigen Proben aus dem 14. Jahrhundert könnte verraten, wie der Pesterreger sich verändert hat.

Derzeit arbeiten 60 Archäologen in Schichten - 16 Stunden am Tag, an sechs Tagen in der Woche. Nach dem Abschluss der Untersuchungen werden die Toten auf Canvey Island in der Themsemündung erneut beigesetzt.

Alison Telfer vom Museum of London Archaeology führt die Aufsicht über die Ausgrabung. Sie müsse stets daran denken, dass die zerbrechlichen Knochen einst lebenden, atmenden Menschen gehörten. "Man fühlt sich ihnen verbunden", sagt Telfer. "Und man hat die Verantwortung, sie mit Respekt zu behandeln."

boj/mbe/dpa/AP