Kurz nach der Wahl ist in der Kurden-Hochburg Diyarbakir der Vorsitzende einer islamischen Organisation erschossen worden. Danach gingen zwei Verfeindete Gruppen aufeinander los. Es gab mehrere Tote.
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Nach dem Verlust ihrer absoluten Mehrheit bei der Parlamentswahl in der Türkei ist für die islamisch-konservative AKP noch kein Koalitionspartner in Sicht. Der Chef der größten Oppositionspartei CHP, Kemal Kilicdaroglu, sagte CNN Türk nach Angaben des Senders in einem Telefonat: „Das Volk sagt: Einigt euch, aber in diesem Bild gibt es keine AKP.“ Die ultrarechte MHP kündigte für Mittwoch Beratungen an. Der Vorsitzende der pro-kurdischen HDP, Selahattin Demirtas, bekräftigte am Dienstag: „Wir werden uns an keiner Koalition beteiligen, in der die AKP vertreten ist.“

Die AKP kam am Dienstag zu Beratungen in Ankara zusammen. Über Ergebnisse wurde zunächst nichts bekannt. Zwei Tage nach dem Wahldebakel trat AKP-Chef Ahmet Davutoglu in einer Routineprozedur von seinem Amt als Ministerpräsident zurück. Davutoglu bleibt aber auf Bitten von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan kommissarischer Ministerpräsident bis zur Bildung einer neuen Regierung.

Erst ein Attentat, dann Zusammenstöße

Nach dem Wahlerfolg der pro-kurdischen HDP kam es in der Kurdenmetropole Diyarbakir zu tödlichen Zusammenstößen verfeindeter Gruppen. Ein Polizist am Ort sagte einem dpa-Reporter, drei Menschen seien getötet worden. Vier Journalisten seien verletzt worden.

Die Nachrichtenagentur DHA meldete, zunächst sei der Vorsitzende einer islamischen Wohlfahrtsorganisation erschossen worden. Augenzeugen berichteten, danach sei es zu Zusammenstößen von Anhängern der Jugendorganisation der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und der islamistischen Partei Hüda-Par gekommen. Dabei seien zwei Menschen getötet worden. Die der PKK nahestehende HDP verurteilte das Attentat auf den Chef der Organisation.

Nach mehr als zwölf Jahren an der Macht verlor die AKP bei der Wahl am Sonntag ihre absolute Mehrheit. Sie braucht nun einen Koalitionspartner, um regieren zu können. Auch die drei im künftigen Parlament vertretenen Oppositionsparteien haben gemeinsam ausreichend Sitze, um eine Koalition zu bilden. Sie verfolgen in wichtigen Fragen allerdings unterschiedliche Ziele. Sollte es im neuen Parlament nicht innerhalb von 45 Tagen gelingen, eine Mehrheit für eine Regierung zu finden, kann Präsident Erdogan neu wählen lassen.

Die Stimmenverluste der AKP wurden als Niederlage auch für Erdogan gewertet. Er hatte sich massiv in den Wahlkampf eingemischt, obwohl die Verfassung dem Staatspräsidenten Neutralität vorschreibt. Erdogan warb dabei für das von ihm und der AKP angestrebte Präsidialsystem mit ihm selber an der Spitze. Demirtas sagte dem amerikanischen Sender CNN, das Volk habe dem Präsidenten nun die „Rote Karte“ gezeigt.

Quelle: dpa