Es knallt, dröhnt und wummert - an vielen Orten weltweit erschrecken mysteriöse Geräusche die Menschen. Manche Klänge künden tatsächlich Unheil an, andere gehen mit einem rätselhaften Glühen einher. Geheime Militäraktionen steckten nicht dahinter, beteuern Experten. Doch was dann?
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Zuletzt knallte es Ende November, diesmal in Burlington im US-Bundesstaat Vermont. "Es war so laut, dass unser Haus wackelte", schrieben besorgte Anwohner in den Blog der lokalen Nachrichtenseite. "Es wäre schön zu wissen, was es war, so dass wir uns nicht mehr sorgen müssten", ergänzte eine Bürgerin. Diesmal glauben Wissenschaftler die Ursache zu kennen, vermutlich habe ein schwaches Erdbeben den Lärm verursacht. Doch oft bleibt gerade in den USA die Quelle eines rästelhaften Dröhnens, Brummens oder Knallens unentdeckt.

Das Phänomen beschäftigt viele Orte seit Jahrhunderten. Manchmal sind Gewitter oder Vulkane Schuld, neuerdings auch Militärflugzeuge oder Explosionen. Auf der Herbsttagung der Amerikanischen Geophysikalischen Union (AGU) in San Francisco stellen Forscher der Nasa und anderer Institute diese Woche umfangreiche Schallmessungen vor, die das Rätsel allerdings auch nicht lösen konnten. "Eine große Herausforderung", sagt David Hill vom Geologischen Dienst der USA (USGS), der das Phänomen seit Jahrzehnten erforscht.

Das Dröhnen ist universal: Belgier nennen es Mistpouffers, Inder sprechen von Bansal-Pistolen, Italiener sagen Brontidi, US-Amerikaner Seneca-Pistolen, Japaner Yan. Alle Sprachen helfen sich mit Metaphern, weil meist unklar bleibt, was tatsächlich hinter den Geräuschen steckt. Die lautmalerischen Begriffe können etwa mit Nebeldonner oder dröhnenden Gezeiten übersetzt werden. Aber selbst dem angesehenen USGS bleibt nur, zu spekulieren: Vor Jahrhunderten hätten Menschen an magische Ursachen geglaubt, heutzutage würden "hoch geheime Militäraktivitäten" vermutet, schreiben Forscher des USGS in einem Resümee zum Thema. Ernsthaft könne diese Spur aber kaum verfolgt werden, schließlich ließen sich Militäroperationen an all den Orten kaum über so lange Zeit geheimhalten.

Flucht vor dröhnenden Dünen

Manche der mysteriösen Geräusche konnten immerhin schon aufgeklärt werden. In der Sahara etwa meiden Beduinen seit jeher Gegenden, in denen der Sand unangenehm dröhnt. Doch erst in den neunziger Jahren fanden Wissenschaftler heraus, was passiert: In besonders trockenen Regionen heulen große Sicheldünen, wenn ihre steilen Hänge vom Wind versetzt werden - dabei lassen sie sogar den Boden vibrieren. Auch Meteoriten machen Lärm, wenn sie verglühen - und bleiben doch meist unentdeckt: Am helllichten Tag kann sie niemand sehen.

Im hohen Norden lassen schwindende Gletscher den vom Eis entlasteten Boden zuweilen knarren, andernorts krachen vom Bergbau ausgehöhlte Minen ein. Im Dschungel von Ecuador haben Geophysiker gleich mehrere unheimliche Geräusche enträtselt: Dort rumore einerseits der Vulkan Reventador, zum anderen der Wasserfall San Rafael, und schließlich erfüllten häufig noch Gewitter die Luft mit einem gespenstischen Wummern, berichten Forscher um Jeffrey Johnson von der University of New Hampshire in den USA.

Auch für die legendären Mistpouffers an der belgischen Küste und die Bansal-Pistolen am Golf von Bengalen in Indien gibt es mittlerweile eine Erklärung: Vermutlich brächen Wellen, die von fernen Stürmen an die Küste getrieben würden, auf Sandbänken weit draußen, schreibt David Hill im Fachblatt "Seismology Research Letters". Indes: Es fehle der Beweis. Auch die Eruption untermeerischer Gasblasen komme in Frage. Oder etwas anderes.

Leuchtende Riesenwellen

Dass Wellen noch Hunderte Kilometer entfernt zu hören sein können, beweisen Tsunamis: Jene vom zweiten Weihnachtstag 2004 vor Indonesien waren als unheilvolles Grollen weithin zu vernehmen. Erstaunlicher noch erscheinen Berichte über knallende Feuerbälle, die gleichzeitig mit diversen Riesenwellen in Japan gesichtet wurden. Zeugen der Tsunamis von 1896 in Sanriku im Nordosten Japans etwa glaubten, russische Kriegsschiffe hätten das Feuer eröffnet - doch dann krachten leuchtende Riesenwellen an die Küste. Die sogenannten Tsunami-Blitze hingen wohl mit den Geräuschen zusammen, glaubt David Hill: Womöglich katapultieren Tsunamis Methan aus dem Meeresboden, das sich entzündet und lautstark explodiert.

Am besten erforscht - gleichwohl rätselhaft - sind die Seneca-Pistolen am Seneca-See im US-Bundesstaat New York: Dort, wie auch in anderen Gegenden im Nordosten der USA, schreckt Anwohner immer wieder dumpfes Knallen. Sind Erdbeben die Ursache, wie jüngst in Burlington? Offenbar nicht: Seismologen haben ihre Messungen mit den Zeiten verglichen, an denen von Seneca-Pistolen berichtet wurde - es gebe keine Übereinstimmung, berichtet der USGS.

In South Carolina indes könnten Erdbeben die Quelle mysteriöser Geräusche sein, glaubt Hill. Das Schwingen der Erde bringt die Luft in Wallung - ab einer Frequenz von 20 Hertz können Menschen die Schallwellen hören. Insbesondere kleine Beben mit schnellem Rhythmus scheinen es immer wieder dröhnen zu lassen, berichtet der Geoforscher: Die Ursache bleibe meist unentdeckt, weil die Beben zu schwach sind, um sie zu bemerken.

Grollen vor dem Beben

Doch auch katastrophalen Beben, wie etwa jenem von Christchurch in Neuseeland Anfang des Jahres, geht mitunter unheilvolles Brummen voraus. Die Schallwellen eilen dabei dem schlimmsten Ruckeln voraus: Sie sind schneller als die zerstörerischen Scherwellen, die den Boden seitwärts schwingen lassen, so dass Häuser ihren Halt verlieren. Den Geschwindigkeitsunterschied nutzen Geoforscher in Japan, Mexiko und den USA für die Erdbebenwarnung: In den Sekunden bis zum Eintreffen der Scherwellen können Bahnen angehalten, Ampeln auf Rot geschaltet oder Gasleitungen abgestellt werden. Allerdings drohen Fehlalarme, weil andere Schallquellen Erdbeben vorgaukeln können.

Auf der AGU-Tagung in San Francisco haben Forscher der Nasa und anderer Institute ein Mittel gegen Fehlalarme vorgestellt: Das Dröhnen von Erdbeben verrate sich, weil hohe Frequenzen schwächer ausfielen als etwa bei Militärjets. Nun konzipieren die Wissenschaftler ein "dröhnresistentes Erdbebenwarnsystem", das nur anspringen soll, wenn die Erde bebt. Die anderen teils mysteriösen Geräusche soll das System ignorieren.

Doch all dieser Messungen zum Trotz, der Ursprung vieler Klänge bleibt unbekannt. Die Forscher müssen weiter spekulieren: Die Seneca-Pistolen könnten auch von Erdgasexplosionen, Stürmen, Seewellen oder etwas ganz anderem verursacht werden, resümiert David Hill. Die Erde sei "ein komplexer Ort", ergänzt ratlos Rus Wheeler vom USGS: "Vielleicht", sagt er, "vielleicht werden wir ja eines Tages hinter das Geheimnis kommen."