Zum zweiten Mal in wenigen Wochen sind in einer Bucht in Island Abertausende Heringe verendet. Offenbar haben Bauarbeiten den Fjord zu einer Todesfalle gemacht. Anwohner klagen über unerträglichen Gestank.
Fischsterben, Massensterben Heringe, Island
© APMassensterben: Unzählige Heringskadaver schwimmen in einer Bucht auf der isländischen Halbinsel Snaefellsnes.
Hamburg - Das Panorama am Kolgrafafjördur, einem kleinen Fjord im Westen Islands, wirkt unwirklich, aus der Ferne sogar auf seltsame Weise anmutig. Ein zweiter Blick jedoch verrät Schauriges: Was im Vordergrund silbrig glänzt, sind Tausende Tonnen verendeter Heringe.

Es ist bereits das zweite Massensterben dieser Art innerhalb von zwei Monaten: Im Dezember waren zehn Prozent der Heringe aus dem Inneren des Fjords, zwischen 25.000 und 30.000 Tonnen, aufgrund von Sauerstoffmangel erstickt. Dieses Mal lägen etwa 10.000 Tonnen an der Küste des Fjords, schätzt der Biologe Róbert Stefánsson vom West-Iceland Institiute of Natural History. "Anders als im Dezember sieht es diesmal so aus, als sei der Großteil der Kadaver an die Küste gespült worden."

Ursache der Massensterben sind offenbar frühere Aufschüttungsarbeiten in der Nähe der Bucht. 2004 war eine Brücke über den Fjord gebaut worden. Möglicherweise sei durch die Baumaßnahmen der Sauerstoffgehalt im Inneren des Fjords abgesunken, sagt Stefánsson.

Stinkende Kadaver

Kürzlich seien ungewöhnlich große Heringsschwärme in die Bucht vorgedrungen. "Als die Fische merken konnten, dass dort nicht genug Sauerstoff im Wasser ist, war es wohl schon zu spät", berichtet der Experte. Die faulenden Kadaver des ersten Massensterbens hätten dem Gewässer zusätzlich Sauerstoff entzogen.

Die Heringe sollen in der Bucht liegenbleiben, bis sie sich auf natürlichem Wege zersetzen, teilten die isländische Umweltbehörde und das West Iceland Centre of Natural History mit. Die Anwohner sind nicht erfreut: Schon nach dem ersten Massensterben im Dezember hatten Anwohner über einen unerträglichen Gestank geklagt, der durch Winde verbreitet wurde.

"Die Anwohner werden daher selbst aktiv und entsorgen selbst so viele Fische wie möglich", erzählt Stefánsson. "Aber natürlich können sie nur einen Bruchteil der Fische eigenhändig abtransportieren. Die verwenden sie dann als Tierfutter."

Nach Angaben der isländischen Tageszeitung Morgunbladid liegt der derzeitige Exportwert von 10.000 Tonnen Hering bei 7,2 Millionen Euro. Die Fischereiindustrie hat einen bedeutenden Anteil an Islands Wirtschaft und macht mehr als die Hälfte der gesamten Exporte des Landes aus. Die Regierung habe finanzielle Mittel zugesagt, damit das isländische Meeresforschungsinstitut dem mysteriösen Massensterben auf den Grund gehen kann.