Nach der einen Tag andauernden Großfahndung und schlussendlichen Verhaftung des zweiten mutmaßlichen Bombenlegers in Boston sollen nun einmal die Eltern der beiden Brüder Tamerlan und Dschochar Zarnajew zu Wort kommen, die von der Unschuld ihrer beiden Söhne überzeugt sind.
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Die Mutter der beiden, Zubeidat Zarnajewa, ist fest überzeugt, ihr jüngerer Sohn sei unschuldig, und wie viele Bekannte und Freunde der beiden Brüder bezeichnen ihre Eltern sie als gute und höfliche, zuvorkommende Menschen sowie vorbildliche Studenten - dies gelte insbesondere für den jüngeren 19-jährigen Dschochar, erklärte die amerikanische Staatsbürgerin, die sich derzeit in Dagestan aufhält, gegenüber "RussiaToday".

Die jüngsten Entwicklungen hätten sie zutiefst betrübt, erklärte Zarnajewa, die die Anschuldigungen, ihre beiden Söhne steckten hinter den Bombenschlägen von Boston, nicht glauben kann. Sie verwies auf die Lebensumstände Dschochars in den USA und erinnerte daran, wie beliebt er bei seinen gleichaltrigen Freunden und Bekannten war. Er sei als Student ausgezeichnet und von vielen seiner Freunde und Lehrer geachtet worden. Sein älterer Bruder Tamerlan war ein herausragender Sportler und wollte unbedingt einmal in das amerikanische Ringerteam bei den Olympischen Spielen aufgenommen werden.

Aber im Zusammenhang mit den Ereignissen erweckt vor allem die anhaltende Überwachung durch das FBI, der ihre Familie seit Jahren ausgesetzt war, ihren Argwohn. Ihrer Meinung nach hätte es dem FBI angesichts der engmaschigen Überwachung niemals entgehen können, hätten ihre Söhne tatsächlich einen Terroranschlag geplant. »Sie suchten uns zu Hause auf, sie sprachen immer wieder mit mir... Sie erklärten mir, er [der ältere 26-jährige Tamerlan] sei tatsächlich zu einem führenden Extremisten geworden, und sie machten sich Sorgen deswegen. Sie sagten mir, er beziehe seine ganzen Informationen aus diesen extremistischen Internetseiten... Sie kontrollierten ihn, sie überwachten jeden seiner Schritte... und jetzt behaupten sie, es handele sich um einen Terroranschlag! Das kann einfach nicht stimmen, meine Söhne sind unschuldig«, sagte sie weiter.

Auf die Frage, ob sie möglicherweise die geheimen und finsteren Absichten ihrer Söhne einfach nicht erkannt haben könnte, entgegnete sie: »Das ist unmöglich! Meine Söhne hatten vor mir keine Geheimnisse.« Zuletzt meinte sie, wenn sie ihrem überlebenden jüngeren Sohn Dschochar eine Botschaft übermitteln könnte, so würde sie ihm raten: »Rette deine Seele und sage die volle Wahrheit, dass du nichts getan hast und man dich hereingelegt hat.«

In einem Interview mit dem russischen Fernsehsender "Zwedza" zeigte sich auch der Vater Anzor Zarnajew überzeugt, seine beiden Söhne seien unschuldig und man habe sie in eine Falle gelockt. »Ich bin von der Lauterkeit meiner Kinder überzeugt. Ich weiß nicht, was genau geschehen und wer der Täter ist. Gott allein weiß es, und er wird sie bestrafen. Irgendjemand hat sie hereingelegt, ich weiß nicht wer, und in ihrer Angst haben sie den jungen Mann getötet.«

Der Vater berichtete weiter, er habe zuletzt zu seinen Söhnen oder anderen Verwandten keinen Kontakt mehr aufnehmen können. »Alles ist abgestellt. Ich kann auch meinen Bruder nicht erreichen. Ich kann niemanden erreichen! Ich will mich nur informieren. Jetzt habe ich Angst um meinen Sohn und befürchte, dass sie ihn erschießen und dann behaupten werden, er habe eine Waffe gehabt... Ich habe Angst um meinen Sohn und fürchte um sein Leben«, sagte er. »Sie sollten ihn verhaften, aber lebend. Das Gericht sollte untersuchen, wer etwas Böses getan hat.«

Bei einem seiner letzten Gespräche mit seinem älteren Sohn Tamerlan dem "Verdächtigen" Nr. 1 bat er ihn, sich um seinen jüngeren Bruder zu kümmern. Und im Zusammenhang mit den Bombenanschlägen in Boston sagte er ihm: »Ich danke Allah, dass ihr euch nicht in der Nähe der Explosionen aufgehalten und keinen Schaden genommen habt.«

»Ich erinnere mich«, fuhr er in dem Interview fort, »sogar gefragt zu haben, wer nur zu so etwas in der Lage wäre... Wir haben nur miteinander geredet. Ich fragte ihn, wie es Dschochar [dem "Verdächtigen" Nr. 2] gehe, und bat ihn, darauf zu achten, dass dieser fleißig studiere. Ich sagte ihm: ›Du hast die Schule abgebrochen und zu früh geheiratet. Aber er solle seine Ausbildung beenden.‹ Denn so sieht das Leben nun einmal aus. Diejenigen, die nicht viel lernen, müssen umso länger und härter arbeiten. Daher forderte ich sie auf, fleißig zu lernen.«

Der erfahrene "ALFA"-Veteran und Vizepräsident ihrer Internationalen Vereinigung, Alexei Filatow, geht davon aus, dass mehr hinter dieser Angelegenheit steckt als auf den ersten Blick ersichtlich ist. [ALFA ist eine Spezialeinheit des russischen Geheimdienstes "FSB", die mit Terrorismusbekämpfung befasst ist.] Zunächst einmal, so argumentierte er, seien die Herkunft und die religiösen Überzeugungen des Verdächtigen offenbar bewusst von jemandem in den USA sorgfältig in die Planungen einbezogen worden, um die Öffentlichkeit von der wahren Identität und den langfristigen Absichten der tatsächlichen Hintermänner und Drahtzieher abzulenken. »Einen jungen Tschetschenen zum Täter zu machen, verrät äußerste Professionalität, um auf diese Weise die Blicke von der wahren Identität und den Absichten der Hintermänner abzulenken«, erklärte er gegenüber RussiaToday. »Die ausführenden Täter wurden ausgewählt, um die amerikanische Öffentlichkeit hinters Licht zu führen und dem Weißen Haus auf diese Weise zugleich zu ermöglichen, zur erklärten Absicht und Rhetorik, sich militärisch nicht mehr im Ausland zu engagieren, auf Distanz zu gehen.«