Nach dem Urteil eines amerikanischen Richters hat jemand, dessen Handy eingeschaltet ist, keine legitime Aussicht darauf, dass die Daten über seinen Aufenthaltsort gemäß dem Vierten Verfassungszusatz geschützt sind. In der Praxis bedeutet das, dass die Strafverfolgungsbehörden Personen ohne richterliche Anordnung orten können.
Handy, Mobilfunk
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Richter Gary Brown aus New York entschied zugunsten von Beamten der Behörde für Drogenbekämpfung (DEA, Drug Enforcement Agency), die einen Durchsuchungsbefehl gegen einen Arzt beantragt hatten, den sie verdächtigten, sich für die Ausstellung von Tausenden von Rezepten bezahlen zu lassen. Die richterliche Anordnung hätte den Telefonanbieter des Arztes
dazu verpflichtet, Echtzeit-Ortungsdaten seines Handys zur Verfügung zu stellen.

Zweifellos zur Zufriedenheit der Polizei schrieb Brown in seiner 30-seitigen Urteilsbegründung, wer ein Handy bei sich trage, verzichte praktisch auf das vom Vierten Verfassungszusatz garantierte Recht auf rechtsstaatliche Garantien.
»Angesichts der Allgegenwart und Bekanntheit der Geolokalisierungs-Technologien hat eine Person keine legitime Aussicht auf Schutz der Privatsphäre, angesichts eines Mobiltelefons, durch welches der oder die Betreffende seine Privatsphäre nicht dadurch schützt, dass er es einfach abschaltet«,
schrieb Brown.
»Was die Kontrolle durch den Nutzer angeht, so können alle bekannten Ortungs-Technologien umgangen werden, indem das Telefon einfach abgestellt wird. Tatsächlich lassen Nutzer doch ihr Telefon nur deshalb angeschaltet - neben Gleichgültigkeit oder Nachlässigkeit - , damit das Gerät lokalisiert werden kann und sie somit telefonisch erreichbar sind. Umgekehrt stellen Personen, die nicht durch unerwünschte Telefonate gestört werden wollen, ihr Telefon einfach ab, wohl wissend, dass sie nicht lokalisiert werden können.«
Schließlich gebe es ja Smartphone-Apps, die es Nutzern ermöglichten, in ihrer Umgebung Menschen mit gleichen Interessen ausfindig zu machen, deshalb sollten Handy-Kunden nicht erwarten, dass ihr Recht auf Schutz der Privatsphäre gewahrt werde.
»Angesichts der Bekanntheit von Vorfällen wie der Freigabe von Geolokalisierungsdaten an Einzelhändler, die Waschmittel und Blue Jeans an Käufer von Einkaufszentren liefern, oder der Suche der Polizei nach David Pogues [Technologie-Kolumnist der New York Times] iPhone, und besonders alarmierend, den Erzeugern und Nutzern der Girls-Around-You-App, können Handynutzer nicht realistisch davon ausgehen, dass Beamten der Strafverfolgungsbehörden, die nach einem Flüchtigen suchen, solche Informationen verweigert werden (oder werden sollten).«
Die amerikanische Bürgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union (ACLU) verteidigt schon seit Langem die amerikanischen Bürger gegen staatliche Übergriffe und technische Überwachung. Chris Soghoian, Technikberater und politischer Analyst der ACLU, bezeichnete Browns Urteilsbegründung als »lächerlich«.
»Es gibt einen gewaltigen Unterschied zwischen einer Lokalisierungs-Information, die man bewusst mit ausgesuchten Freunden (oder sogar mit der ganzen Welt) teilt, und Informationen, die ohne Ihr Wissen oder Ihre Einwilligung über Sie gesammelt werden«,
schrieb er.

Wie verbreitet diese Praxis im Strafverfolgungsapparat ist, ist nicht bekannt, aber es ist bekannt, dass eine Polizeieinheit in Michigan versucht hat, sich Informationen über jedes einzelne Handy im Umfeld einer Gewerkschaftsdemonstration zu verschaffen.

Kongressabgeordnete beraten zurzeit über zwei Gesetze, die festlegen sollen, bis zu welchem Grade es der Polizei erlaubt ist, Bürger abzuhören. Bei einer Anhörung im US-Senat im April berichtete ein Kriminalbeamter, die Geolokalisierung ohne richterlichen Beschluss geschehe »im Wesentlichen, um im Anfangsstadium der Ermittlungen Informationen zu erhalten, wenn noch kein hinreichender Verdacht besteht«.

Diese Haltung und das ungeheure Missbrauchspotenzial, das ein solches Gesetz birgt, sorgt bei der ACLU für Alarm.
»Jemand teilt vielleicht gern ein paar Freunden seinen Aufenthaltsort mit und checkt deshalb bei Foursquare ein, wenn er ein Musikfestival besucht, aber er will nicht, dass die Behörden dieselbe Information erhalten«, schreibt Soghoian weiter. »Und er oder sie würde außerdem vernünftigerweise erwarten, dass ihre Anwesenheit bei einem Treffen der Anonymen Alkoholiker eine Woche später oder der Besuch einer Abtreibungsklinik Privatsache bleibt. Lokalisierungsdaten freizugeben, ist kein Alles oder Nichts, und sollte es auch nicht sein.«
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