Seit Jahrzehnten, Jahrhunderten und wahrscheinlich schon immer sorgen tausende kahler Kreise im spärlichen Grasland Namibias, Angolas bis hinein ins nördliche Südafrika bei den Betrachtern für Rätselraten - sogenannte "Feenkreise". Auch Forscher und Naturwissenschaftler haben sich dem Phänomen gewidmet und sorgen in regelmäßigen Abständen für neue Diskussionen über den möglichen Ursprung der rätselhaften Kreise. Ein Hamburger Biologe hat nun erneut eine Kontroverse unter Experten befeuert, glaubt er doch - trotz früherer gegenteiliger Untersuchungen - Beweise dafür gefunden zu haben, dass die "Fairy Circles" von Termiten verursacht werden.
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© Norbert Jürgens Feenkreise in Namibia und ihre - davon ist zumindest der Hamburger Biologe Norbert Jürgens überzeugt - angeblichen Hersteller: Sandtermiten (r.).
Hamburg (Deutschland) - Wie Norbert Jürgens von der Universität Hamburg aktuell im Fachmagazin Science berichtet, hat er seit 2006 in mehr als 40 Expeditionen zu den noch immer mysteriösen kreisrunden kahlen Stellen, deren Peripherie meist von leicht dichterem Graswuchs gesäumt und dadurch markiert wird, rund 1.200 Feenkreise untersucht und die dortige Fauna dokumentiert. Anhand des statistischen Ausschlussverfahrens kommt Jürgens zu dem Schluss, dass Sandtermiten der Art Psammotermes allocerus für die Kreise verantwortlich sind - waren Exemplare dieser Termiten doch nicht nur die einzigen, die sich innerhalb der Kreise finden ließen sondern auch in nahezu allen der von dem Forscher untersuchten Feenkreisen (sic) anwesend.

Damit widerspricht der Hamburger Biologe den Ergebnissen früherer Untersuchungen, etwa jenen von Walter Tschinkel von der "Florida State University", der die Feenkreise seit 2005 und Rückwirkend auch anhand von Foto- und Satellitenaufnahmen untersucht. In einem erst im vergangenen Jahr veröffentlichten Artikel im Fachmagazin PLoS One konnte dieser den bis dahin weit verbreiteten "Wissenschaftsmythos der grasfressenden Termiten als Verursacher der Kreise" widerlegen und belegte erstmals auch einen langjährigen "Lebenszyklus" der Feenkreise (...wir berichteten).

Tschinkel und andere Forscher, so vermutet Jürgens in seinem Artikel, könnten die extrem verborgen lebenden Insekten schlicht und einfach übersehen haben, wenn diese geradezu durch den Sand schwimmen und nur sehr feine Tunnel hinterlassen. Im Gegensatz zu anderen Termitenarten, bauen Sandtermiten schließlich keine komplexen Untergrundsysteme, haben keine oberirdischen Nester und tauchen nur gelegentlich und dann meist des Nachts an der Oberfläche auf. Nicht zuletzt aus diesen Gründen könnten andere Forscher ihre filigranen Hinterlassenschaften auch leicht übersehen haben, wenn sie etwa zu tief oder zu grob gegraben hätten. Seine eigenen Untersuchungen konzentrierte Jürgens auf eine Tiefe von nur wenigen bis einigen dutzend Zentimetern. Auf Sandtermiten oder deren Tunnel sei er so in den meisten der von ihm untersuchten Feenkreise gestoßen.

Der Hamburger Forscher geht davon aus, dass die Sandtermiten beim Durchgraben des Sandes die Graswurzeln beschädigen, sich von diesen zudem ernähren und dabei nach und nach die Kreise bilden. Gerade der Umstand, dass Sandtermiten in allen 24 erst kürzlich entstandenen Feenkreisen anwesend waren, spreche für seine Theorie, so der Forscher. Warum die Kreise jedoch irgendwann plötzlich "absterben", das kann sich auch Jürgens bislang noch nicht erklären. Es könnte aber vielleicht etwas mit dem Konkurrenzkampf mit anderen Ameisen oder mit Räubern zu tun haben, die sich von den Termiten ernähren.

Da die Sandtermiten ihre Körperfeuchtigkeit aufrecht erhalten müssen, um zu überleben, könnte der "Bau" von Kreisflächen nützlich sein, wenn der Boden innerhalb der kahlen Fläche den seltenen Regen sofort aufnehme, während das kostbare Nass anderenorts zu schnell wieder von den Pflanzen aufgenommen werde.
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© Copyright: Thorsten Becker ccc-by-sa-2.0-de (via Beavis729, commons.wikimedia.org/wiki/User:Beavis729)Einzelner großer Feenkreis im namibischen Marienflusstal.
Tatsächlich konnte Jürgens mit Hilfe von Feuchtigkeitssensoren im Innern der Feenkreise nachweisen, dass diese "regelrechte Wasserfallen" darstellen. Über die Jahre hinweg habe er nicht eine Stunde gemessen, in der in rund 60 Zentimetern Tiefe weniger als 5 Prozent Wasser vorhanden war. "Genug um Termiten am Leben zu halten."

Diese Eigenschaft könne zugleich auch den Saum dichteren Graswuchses um die kahlen Kreise erklären. Hier könne das Gras dichter wachsen, ohne mit andern Gräsern in Wasserkonkurrenz zu stehen. Das Anwachsen der Kreise erklärt sich Jürgens damit, dass die Termiten während der Regenzeit in das umliegende Grasland ziehen, dort neue Kreise anlegen und zur Trockenzeit wieder zu ihren "Wasserfallen" zurückkehren und diese zudem nach und nach ausweiten.

Während Jürgens' Argumentation auf den ersten Blick nachvollziehbar und schlüssig klingt, zeigen sich andere Feenkreis- und Termitenexperten hingegen mehr als kritisch. Zwar sei das von Jürgens dargelegte Verhalten in der Tat typisch für Sandtermiten, doch benötige es noch "weitere Beweise, um mich davon zu überzeugen, dass diese Insekten die Feenkreise anlegen", kommentiert die Termitenexpertin Vivienne Uys "Agricultural Research Council" in Pretoria die aktuelle Studie. "Die Verbindung zwischen der Nahrungssuche der Termiten zur Herstellung fast perfekter Kreise kahlen Bodens (im Grasland) ist mir immer noch nicht ganz klar."

Auch Tschinkel zeigt sich ob des Science-Artikels verwirrt und kritisiert: "Jürgens hat einen üblichen wissenschaftlichen Fehler gemacht und Zusammenhang mit Ursache verwechselt. Wenn Jürgens behauptet, Termiten würden das Gras absterben lassen, so muss er auch zeigen, dass die Insekten tatsächlich auch lebende Pflanzen angreifen. Das ist nicht leicht und er hat es auch nicht getan."

Auch der Pflanzen-Ökophysiologe Michael Cramer von der "University of Cape Town" zeigt sich wenig überzeugt: "Ich bin der Meinung, dass die Feenkreise nur wenig, bzw. gar nichts mit Termiten zu tun haben." Cramer selbst glaubt, dass die Kreise das Ergebnis natürlicher Vegetationsmuster der Pflanzen im Kampf um die seltenen Ressourcen sind und hofft hierzu schon bald selbst einen Fachartikel veröffentlichen zu können. "Der einzige Weg, die Fragen rund um die Feenkreise ordentlich beantworten zu können, sind sorgfältigere Untersuchungen und gezielte Experimente."

Entgegen aller Kritik, steht Jürgens indessen zu seinen Schlussfolgerungen und unterstreicht sein Bild der Feenkreise als "kleine Oasen" nicht nur für ihre termitischen Hersteller sondern auch für sonstige Wüstenfauna. Neben den Sandtermiten habe er in den Kreisen eine Vielzahl weiterer Tiere angetroffen - darunter andere Insektenarten, Vögel, Schakale, Springböcke, Maulwürfe, Füchse und Erdferkel - die von den Feenkreisen offenbar angezogen werden und darin immer wieder einige Zeit verbringen und auf Termitenjagd gehen, das Peripherigras fressen oder auf dortige Beute lauern. Alles in allem sei die Artenvielfalt im Innern der Kreise und im direkten Umfeld 10 bis 20 Mal höher als im normalen Umland. "Diese kleinen Termiten", so der Forscher abschließend, "schaffen es geradezu meisterhaft, mit dem spärlichen Regen von weniger als 50 Millimeter pro Jahr fortwährende und permanente lebensfähigen Ökosysteme entstehen zu lassen."