marissa alexander
Marissa Alexander: 20 Jahre Haft, weil sie ihren prügelnden Eheman - mit Warnschüssen - abhalten wollte.
In wenigen Wochen feiert Amerika das 50. Jubiläum einer der wirkungsmächtigsten Reden aller Zeiten. „I have a dream“, den Satz, den der schwarze Bürgerrechtler Martin Luther King 1963 auf den Marmorstufen des Lincoln-Denkmals in Washington sprach, destilliert wie kein anderer das Sehnen nach Gleichbehandlung und Überwindung der Schranken zwischen den Rassen. King wollte die Menschen „nach ihrem Charakter und nicht nach ihrer Hautfarbe“ beurteilt wissen. Ein halbes Jahrhundert später wecken Fälle wie die unheilvolle Begegnung von Trayvon Martin und George Zimmerman Zweifel, ob die Vereinigten Staaten Kings Traum jemals wirklich verstehen werden und zu leben lernen.

Man muss das Unterholz der komplizierten juristischen Details für einen Moment verlassen, um die Dimension dieses das Land spaltenden Freispruchs zu erahnen: Ein schwarzer, unbewaffneter und unbescholtener Teenager wird erschossen, weil er zur falschen Zeit am falschen Ort war. Der Täter, ein weißer Möchtegern-Ordnungshüter, bleibt auf freiem Fuß. Entschieden hat es eine ausnahmslos weiße Jury. Gerechtigkeit made in USA.

Um die Fragwürdigkeit zu erkennen, muss man keine Justizschelte anstimmen. Auch wenn das Rechtsinstitut der Notwehr hier nur noch als Ausdruck von Perversion bezeichnet werden kann. Die katastrophalen Fehler sind viele Jahre vorher passiert, sie sind Teil der nationalen DNA.

Die latente Angst vorm schwarzen Mann, die fahrlässig freie Verfügbarkeit von Waffen und empörende Gesetze, die Selbstjustiz nicht nur fördern sondern sogar mit Straflosigkeit honorieren, haben Trayvon Martin auf dem Gewissen.

Zur Frage, welche Rolle der Faktor Rasse spielte, nur dies: Zimmerman hat einen Menschen getötet. Er ist weiß. Und frei. Marissa Alexander, eine 31-jährige Schwarze, ist vor wenigen Tagen ebenfalls in Florida verurteilt worden. Sie hatte Schüsse abgegeben, um ihren prügelnden Ehemann auf Distanz zu halten. Warnschüsse. Das Urteil: 20 Jahre Haft. Aus Martin Luther Kings Traum wird in Amerika oft ein Albtraum.