Wie im Zentrum der meisten Galaxien, so lauert auch in unserer Milchstraße mit Sagittarius A* ein gewaltiges Schwarzes Loch. 2011 entdeckten Astronomen eine Gaswolke von der vielfachen Masse der Erde, die in Richtung dieses Schwarzen Lochs beschleunigte (...wir berichteten 1, 2). Erstmals können Wissenschaftler damit direkt beobachten, wie Materie von einem Schwarzen Loch angezogen. Jetzt zeigen neue Beobachtungen mit dem Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte (ESO), dass, die Gaswolke anfängt zerrissen zu werden.
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© ESO/S. Gillessen/MPE/Marc SchartmannSimulation der auf das Schwarze Loch stürzenden Gaswolke Mitte 2013.
Garching (Deutschland) - Wie die Forscher um Stefan Gillessen vom Max-Planck-Instituts für Extraterrestrische Physik (MPE) in Garching aktuell in der Fachzeitschrift Astriophysical Journal berichten, ist die Wolke mittlerweile so stark auseinandergezogen, dass ihr vorderer Teil den Punkt der größten Annäherung an das Schwarze Loch passiert hat und sich bereits wieder mit mehr als 10 Millionen km/h davon entfernt, während der hintere Teil der Wolke weiterhin auf das Schwarze Loch zu fällt.

"Das Gas im vorderen Teil der Wolke ist mittlerweile über mehr als 160 Milliarden Kilometer um den Punkt der größten Annäherung auf der Umlaufbahn der Wolke um das Schwarze Loch verteilt. Der minimale Abstand beträgt nur 25 Milliarden Kilometer - die Wolke schafft es damit gerade eben so, nicht direkt in das Schwarze Loch hineinzufallen", erläutert Gillessen. "Die Wolke ist inzwischen so langgestreckt, dass ihre Passage am Schwarzen Loch nicht einfach nur ein kurzes Ereignis ist, sondern ein langwieriger Prozess, der mindestens ein Jahr lang andauern wird."

Durch die Dehnung werde die Wolke schwächer und sei damit auch schwieriger zu beobachten. Mit einer Belichtungszeit von mehr als 20 Stunden mit dem SINFONI-Instrument am VLT - der längsten jemals durchgeführten Beobachtung dieser Himmelsregion mit einem Integralfeldspektrometer überhaupt - konnte das Wissenschaftlerteam aber dennoch die Geschwindigkeiten der verschiedenen Teile der Wolke in unmittelbarer Nähe des Schwarzen Loches messen.

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© ESO/S. GillettesNeue Beobachtungen zeigen, wie eine Gaswolke vom supermassereichen Schwarzen Loch im Zentrum unserer Heimatgalaxie der Milchstraße zerrissen wird. (Die horizontale Achse dieses Diagramms zeigt die Ausdehnung der Wolke entlang ihrer Umlaufbahn, während die vertikale Achse die unterschiedlichen Geschwindigkeiten der Wolke darstellt. Die Wolke ist mittlerweile stark auseinandergezogen und die Geschwindigkeit des vorderen Teils unterscheidet sich um mehrere Millionen km/h von der des hinteren Teils.)
"Das aufregende an den neuen Messungen ist, dass wir derzeit den vorderen Teil der Wolke schon wieder auf uns zukommen sehen - und das mit einer Bahngeschwindigkeit von mehr als 10 Millionen km/h, also etwa 1% der Lichtgeschwindigkeit. Das bedeutet, dass dieser Teil der Wolke den Punkt der größten Annäherung an das Schwarze Loch bereits passiert hat", ergänzt Reinhard Genzel, der die Arbeitsgruppe leitet, die die Umgebung des Schwarzen Lochs im Zentrum der Milchstraße nun seit mittlerweile 20 Jahren untersucht.

Nach wie vor ungeklärt ist der Ursprung der Gaswolke. An möglichen Erklärungsansätzen herrscht allerdings kein Mangel. Die neuen Beobachtungen tragen daher auch dazu bei, die Möglichkeiten einzugrenzen, erläutern die Forscher: "Man kann genau sehen, wie die Wolke regelrecht zu Spaghetti wird. Genauso müsste es einem unglücklichen Astronauten in einem Science Fiction-Film ergehen, der dem Schwarzen Loch zu nahe kommt", schließt Gillessen. "Für die Wolke bedeutet das, dass sie wahrscheinlich keine Sterne enthält. Wir gehen aber derzeit davon aus, dass von den Sternen stammt, die das Schwarze Loch umkreisen."

Die gerade stattfindende Hochphase dieser einzigartigen kosmischen Begegnung im Zentrum unserer Milchstraße wird von Astronomen weltweit mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Diese ausgedehnte Beobachtungskampagne wird einen wahren Datenschatz liefern, der nicht nur weitere Details über die Gaswolke selber aufdecken wird, sondern auch die unmittelbare Umgebung des schwarzen Lochs näher beleuchten und die Auswirkungen extrem starker Gravitationsfelder untersuchen wird.


Quelle: ESO.org