Bundeswehrsoldaten
© AFP/Archiv, Johannes EiseleBundeswehrsoldaten beim Einsatz in Afghanistan
Bei jedem zweiten Bundeswehrsoldaten, der mit einer psychischen Störung vom Auslandseinsatz zurückkehrt, bleibt die Erkrankung unerkannt. Das geht aus einer Studie der TU Dresden hervor, die in Berlin vorgestellt wurde. Danach werden nur 18 Prozent der posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) und anderer psychischen Erkrankungen erkannt. Viele Soldaten gehen jedoch schon vorbelastet in den Einsatz, was das Erkrankungsrisiko erhöht.

Die Untersuchung war 2009 vom Bundestag in Auftrag gegeben worden. Im ersten Teil der Studie, die vom Psychotraumazentrum der Bundeswehr unterstützt und vom Sanitätsdienst der Bundeswehr gefördert wurde, wurden rund 2400 Soldaten untersucht. Die ersten Ergebnisse wurden bereits 2011 veröffentlicht. Im zweiten Teil befragten die Forscher in den vergangenen beiden Jahren erneut Soldaten vor sowie ein Jahr nach dem Afghanistan-Einsatz.

Rund drei Prozent der Soldaten kehrten demnach mit einer posttraumatischen Belastungsstörung aus dem Afghanistan-Einsatz zurück. Dies sind laut Studie weniger als befürchtet. Wesentlich unterschätzt wurde bislang aber das Risiko für andere psychische Störungen. Die Auslandseinsätze erhöhten offensichtlich "massiv" das Risiko für Angststörungen und Alkoholabhängigkeit, schreibt Studienleiter Hans-Ulrich Wittchen. Auch könnten Soldaten, die schon einmal Depressionen hatten, einen Rückfall erleiden.

"Einsatzbezogene psychische Störungen werden nicht hinreichend frühzeitig erkannt, selten diagnostiziert und noch seltener behandelt", heißt es in der Studie. Die Forscher schätzen die Dunkelziffer für PTBS und andere psychische Erkrankungen daher auf etwa 50 Prozent. Immerhin berichtete rund jeder vierte Soldat von einem traumatischen Erlebnis.

Eine große Rolle spielen laut der "Dunkelzifferstudie" auch psychische Vorerkrankungen. Jeder fünfte Soldat ging demnach bereit mit einer bestehenden, aber zumeist unerkannten psychischen Störung in den Auslandseinsatz. Diese vorbelasteten Soldaten haben ein vier- bis sechsfach höheres Risiko, nach dem Einsatz neu zu erkranken.

Die Experten fordern deshalb verbesserte Diagnoseverfahren, "um bereits vor dem Einsatz bestehende psychische Störungen zu erkennen". Psychische Störungen sollten aber keinesfalls in den Akten vermerkt werden, "da dies die Gefahr der Stigmatisierung oder potenzieller Laufbahnnachteile in sich birgt", heißt es in der Studie weiter. Denn viele betroffene Soldaten scheuen sich immer noch davor, sich zu offenbaren - aus Scham oder weil sie berufliche Nachteile fürchten.

Der Wehrbeauftragte des Bundestags, Hellmut Königshaus (FDP), forderte als Konsequenz aus der Studie effektive Früherkennungsverfahren. "Nur psychisch gesunde Soldatinnen und Soldaten dürfen in die Einsätze gehen", sagte er der "Süddeutschen Zeitung" (Montagsausgabe). Das Verteidigungsministerium verwies laut Zeitung darauf, dass es bereits ein Pilotprojekt gebe, in dem psychologische Screeningverfahren erarbeitet würden, um bereits bestehende Belastungsstörungen vor Einsätzen zu erkennen.

Die abrüstungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Inge Höger, kritisierte, auch quasi "handverlesene" Soldaten seien nicht vor den krank machenden Wirkungen des Einsatzes geschützt. Der beste Schutz vor psychischen Erkrankungen sei es, "sie nicht mehr in Kriegseinsätze zu schicken".