In Bosnien dauern die Proteste gegen Armut und Misswirtschaft an. In mehreren Städten versammelten sich abermals hunderte Menschen und verlangten vorgezogene Neuwahlen.

In Bosnien haben abermals hunderte Demonstranten gegen die Regierung und für vorgezogene Neuwahlen demonstriert. Am Regierungssitz in Sarajevo und in anderen Städten des Landes verschafften die über Arbeitslosigkeit und Verelendung verärgerten Demonstranten auch am Dienstag ihrem Unmut Luft. Ministerpräsident Nermin Niksic äußerte Verständnis für den Volkszorn und die Rücktrittsforderungen, warnte aber auch, dass seine Demission und die des Kabinetts „eine Lähmung“ der kroatisch-muslimischen Gemeinschaft bedeuten würde.

Die am Mittwoch erstmals offen ausgebrochenen Proteste sind die größten seit dem Bosnienkrieg (1992-95). Sie richten sich gegen Armut, Korruption und Misswirtschaft und schlugen am Freitag in Gewalt um. Die Arbeitslosenquote in Bosnien liegt bei mehr als 44 Prozent. Offiziell lebt ein Fünftel der 3,8 Millionen Bosnier in Armut, viele leiden Hunger. Der durchschnittliche Monatslohn in dem Balkanland liegt bei 420 Euro.

Vorgezogene Neuwahlen - der nächste Urnengang wäre turnusmäßig erst im Oktober fällig - sind eher unwahrscheinlich, da das bosnische Wahlrecht eine solche Möglichkeit gar nicht vorsieht. Zwar wollte Niksic dem Zentralparlament am Dienstag einen Entwurf für eine entsprechende Reform vorlegen, doch die Erfolgschancen sind ungewiss. Denn die politische Macht in Bosnien ist zwischen den Vertretern der wichtigsten drei Volksgruppen aufgeteilt.

Serben, Kroaten und Muslime müssten eine Wahlrechtsänderung einstimmig beschließen - und Präsident Milorad Dodik als Frontmann der Serben hat sich bereits gegen einen solchen Schritt ausgesprochen. Die Befürworter hoffen nun auf Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, doch die will ihre anfangs prägende Rolle in der bosnischen Politik reduzieren.