außerirdisches leben
© unbekannt
In der Februar-Ausgabe der Fachzeitschrift Astrobiology berichten amerikanische Wissenschaftler über verdächtige Strukturen, die sie im Mars-Meteoriten Yamato 000593 gefunden haben. Die Indizien für Wasser und Leben auf dem Roten Planeten mehren sich. Damit setzt sich eine kontroverse Diskussion fort, die schon vor Jahrzehnten für Aufsehen gesorgt hat.

Die neue Untersuchung liefert beeindruckende Indizien dafür, dass unser äußerer Planetennachbar Mars eine sehr aktive Vergangenheit gehabt haben muss. Alles deutet darauf hin, dass es dort einst umfangreiche Wasserreservoirs gab sowie alle Grundelemente des Lebens, möglicherweise sogar lebende Organismen. Everett Gibson vom Johnson-Raumflugzentrum der NASA zeigt sich spätestens seit seiner Analyse des annähernd 14 Kilogramm schweren Mars-Meteoriten Yamato 000593 von biologischer Aktivität auf dem Mars überzeugt. In jenem spektakulären Gesteinsbrocken finden sich Strukturen, die möglicherweise durch einstige Lebensprozesse entstanden sind. Wasser und Bakterien scheinen zumindest in früheren Epochen auf dem Mars existiert zu haben, vielleicht gibt es sie dort sogar heute noch.

Yamato 000593 ist eine der seltenen Proben, die vom Roten Planeten stammen und auf der Erde direkt zugänglich sind. Er wurde im Jahr 2000 während einer japanischen Antarktisexpedition am Yamato-Gletscher gefunden. Auf den antarktischen Blaueisfeldern konzentrieren sich niederfallende Meteoriten über lange Zeiträume hinweg, wobei die Bewegung von Eismassen und erodierender Wind offenbar die Hauptakteure sind, um dort kosmisches Gestein anzusammeln. Im ewigen Eis konserviert, bleiben diese Meteorite über Millionen von Jahren weitgehend unverfälschte Botschafter fremder Welten.

Dass Steine von Mond und Mars auf die Erde fallen, kommt nur sehr selten vor. Prallen energiereiche Asteroiden auf diese benachbarten Himmelskörper, können einige Fragmente schließlich unserem Planeten in die Quere geraten, oft nach langer Odyssee durchs Sonnensystem. Sind die Trümmer groß genug, überleben sie den Sturz durch die Atmosphäre und erreichen den Erdboden.

1911 wurde im kleinen ägyptischen Ort Nakhla ein Hund von einem Meteoriten »gesteinigt«. Erst Jahre später zeigte die Untersuchung, dass der tödliche Brocken seinen Ursprung auf dem Mars genommen haben musste. Seit Raumsonden dort landeten, liegen genaue Daten zur chemischen Zusammensetzung der Atmosphäre unserer weithin mysteriösen Nachbarwelt vor. Ein Vergleich mit eingeschlossenen Gasen im Nakhla-Stein und vergleichbaren kosmischen Trümmern, wie sie in der Antarktis aufgespürt wurden, zeigt eine verblüffende Übereinstimmung - diese Objekte müssen vom Mars stammen!

Nach dem ägyptischen Stein ist heute eine ganze Meteoritenklasse benannt: die Nakhlite. Auch Yamato 000593 wurde als Nakhlit identifiziert. Eine genaue Analyse enthüllt seine buchstäblich bewegte Geschichte. Vor zwölf Millionen Jahren donnerte ein Riesenmeteorit mit brachialer Gewalt in die Marsoberfläche hinein und schleuderte einen voluminösen Materieschwall in den Weltraum hinaus. Mit von der Partie natürlich auch jener im Jahr 2000 entdeckte Brocken. Nach Millionen von Jahren schwenkten einige Trümmer schließlich auf Kollisionskurs zur Erde. Vor rund 50 000 Jahren war es dann so weit - unser blauer Planet rollte mitten in die Einflugschneise der marsianischen Meteorite hinein.

Das alles klingt einigermaßen utopisch. Woher will man wirklich wissen, was nun wann genau geschah? Tatsächlich verrät die chemische Elementenküche des Meteoriten einiges über sein Schicksal. Sobald Y 000593 ins All geschleudert worden war, wirkte die fortwährend niederregnende kosmische Strahlung auf ihn ein. Energiereiche Teilchen sorgten für Spallationen, für Kernzersplitterungen, bei denen leichtere Atomkerne entstehen. Von ihnen sammeln sich desto mehr an, je länger ein Bruchstück im interplanetaren Raum unterwegs ist. So lässt sich das Bestrahlungsalter ableiten - und natürlich die ungefähre Zeit seit der Abspaltung vom Mutterplaneten. Unter den Spallationen finden sich auch radioaktive Isotope, in winzigen und völlig ungefährlichen Mengen.

Zwischen Entstehung und Zerfall stellt sich während der Bestrahlungszeit bald ein Gleichgewicht ein, das erst dann endet, wenn der Meteorit auf die Erde stürzt und dort vor kosmischer Strahlung geschützt ist. Da die radioaktiven Isotopenanteile frisch gefallener Meteorite bekannt sind, lässt sich an einem Meteoriten wie Yamato aus der noch vorhandenen Menge solcher Isotope bestimmen, wann er auf die Erde gefallen sein muss. Wie gesagt, ungefähr 50 000 Jahre dürfte das nach Auskunft der Wissenschaftler her sein. Das Gestein selbst entstand vor rund 1,3 Milliarden Jahren ganz offenbar in einem Lavastrom.

Bild
© unbekannt
Im Inneren des kostbaren Fundstücks entdeckten Gibson und seine Kollegen insbesondere zwei erstaunliche Arten von Strukturen: Zunächst fielen ihnen überall tunnelartige Gebilde verschiedener Größe auf, wobei vor allem die kleinsten ein besonderes Merkmal zeigen: Diese Mikrotunnel weisen eine wellenartige Form auf, wie sie auf der Erde auch in basaltischem Glas angetroffen wird. Das Spannende dabei ist vor allem die Entstehungsursache: Bakterien! Außerdem fanden die Forscher auch noch mikroskopische Kügelchen, Sphären von lediglich Mikro- oder gar Nanometern Durchmesser, die sich durch einen hohen Kohlenstoffanteil auszeichnen. Ähnliche Gebilde birgt auch der Nakhla-Meteorit. Selbst wenn der erhöhte Kohlenstoffgehalt, wie er in beiden Strukturtypen anzutreffen ist, durchaus auch nicht-biologisch erklärt werden könnte, erscheint er den Astrobiologen doch als klares Verdachtsmoment. Dieser Verdacht erhärtet sich durch einen entsprechenden Vergleich mit irdischen Strukturen.

Insgesamt mehren sich die Hinweise auf präbiotische, aber auch biologische Spuren in Meteoriten sehr deutlich. Dabei sind es vor allem die kohlenstoffreichen Chondriten und Mars-Meteoriten, die wiederholt für Furore sorgen. Die ersten Analysen an kohligen Chondriten führte bereits Jöns Jakob Berzelius im Jahr 1834 durch. Doch der schwedische Chemiker verfügte noch nicht über die nötige Technologie, um die verschiedenen Bestandteile genau zu identifizieren. Auch als 1864 der Kohlechondrit von Orgueil in Frankreich niederging, folgten Laboruntersuchungen und bald auch eine erste Kontroverse, vor allem wegen der langkettigen Moleküle und Aminosäuren, wie sie im Meteoriten identifiziert wurden. Leider stellte sich bald heraus, dass die Proben beim Einsammeln verunreinigt worden waren. So erwiesen sich auch die Ergebnisse als hinfällig. In den 1930er Jahren studierte dann der kalifornische Bakteriologe Charles B. Lipman einige Meteoriten und erklärte, lebende Mikroorganismen in acht verschiedenen Fundstücken entdeckt zu haben. Bei einer Wiederholung des Experiments fanden sich erneut Bakterien, allerdings besaßen sie eine bemerkenswerte Ähnlichkeit mit irdischen Exemplaren. Wieder schien eine Verunreinigung der Proben verantwortlich zu sein. Trotzdem ließen sich einige wenige Forscher nicht davon abhalten, bestimmte Meteoritenklassen weiterhin genau unter die Lupe zu nehmen. Mit der Zeit fanden sich immer mehr bedeutendere Hinweise auf eine komplexere organische Chemie sowie Vorstufen des Lebens.

1961 berichteten dann Bartholomew Nagy und Douglas J. Hennessy von der amerikanischen Fordham-Universität zusammen mit Warren Meinschein von der Esso Research Corporation über ihre Analyse des bemerkenswerten Orgueil-Steins, der zu den seltensten Meteoritenklassen überhaupt zählt. Bald kooperierte Nagy auch mit George Claus, einem Mikrobiologen der New York University, um dem Geheimnis außerirdischen Lebens in Meteoriten nachzugehen. Die Forscher hatten dort Kohlenwasserstoffe entdeckt, die den Stoffwechselprodukten lebender Organismen ähnelten. Und trotz des ihnen völlig bewussten kontroversen Charakters ihres Spezialthemas erklärten sie klipp und klar: »Wir glauben: Wo auch immer dieser Meteorit seinen Ursprung nahm, lebte etwas!«

Später kamen weitere, bald noch heftiger umstrittene Ergebnisse ins Spiel, vor allem die rätselhaften »organisierten Elemente«, über die zunächst Nagy und Claus berichteten. Diese Gebilde besaßen tatsächlich eine frappierende Ähnlichkeit mit Überresten von Mikroorganismen! Fossile Bakterien in Meteoriten! Später wurden sie allerdings vielfach als besondere Ausprägungen von Limonit und gewöhnliche anorganische Mineralien interpretiert.

Kaum ein Gebiet der Weltraumforschung, auf dem noch kontroverser diskutiert worden wäre, mit immer wieder neuen Funden zu Lebensspuren und anschließend stets hochkochender Kritik der etablierten Fachwelt. Immerhin, es geht um nichts Geringeres als den Nachweis von Leben im All, um außerirdisches Leben! Eine Reihe renommierter Forscher zeigte sich anhaltend überzeugt davon, dass Meteoriten solche Lebensspuren oder zumindest sehr wesentliche Vorstufen zum Leben enthalten. Immerhin wurden bis zum Jahr 1985 sage und schreibe 74 Aminosäuren in Meteoriten identifiziert. Acht davon stehen mit der biologischen Proteinsynthese in Verbindung. Andere spielen ebenfalls eine wesentliche biologische Rolle auf unserem Planeten, während 55 Aminosäuren auf der Erde überhaupt nicht bekannt sind.

An der aktuellen Studie waren auch der im letzten Jahr verstorbene NASA-Wissenschaftler David McKay sowie auch Kathie Thomas-Keprta beteiligt. McKay und Keprta hatten zusammen mit Everett Gibson bereits im Jahr 1996 eine Analyse des Mars-Meteoriten ALH 84001 publiziert, die weltweit für Aufsehen und eine besonders intensive Resonanz seitens der Fachkollegen sorgte. Mit Kritik wurde keineswegs gegeizt. Teils kam sie völlig legitim daher und regte weitere Forschungen an. Auch damals ging es um ungewöhnliche Einschlüsse, die verdächtig nach Lebensspuren aussahen. Nur würde bis heute niemand wagen, von »Beweisen« zu sprechen. Lauren White, Forscherin am kalifornischen NASA-Laboratorium für Strahlantriebe JPL und Hauptautorin der aktuellen Untersuchung, betont ihrerseits: »Das alles ist kein schlagender Beweis«, denn »Verunreinigungen kann man bei Meteoriten eben nie ausschließen. Doch sind die Strukturen außerordentlich interessant. Man sollte die Analyse dieser Meteoriten auf jeden Fall fortsetzen«.