Gewalt Misshandlung
© CobrisGewalt gegen Frauen (Symbolbild): Auch in der EU ein großes Thema
Es sind erschreckende Einblicke in die Lebenswirklichkeit von Frauen in Europa. Jede dritte Befragte einer EU-weiten Umfrage wurde schon einmal Opfer von körperlicher oder sexueller Gewalt, jede 20. Frau berichtete von Vergewaltigung.

Sind Sie schon einmal gewaltsam zum Geschlechtsverkehr gezwungen worden? Wird ihr Partner wütend, wenn Sie mit einem anderen Mann sprechen? Wurden schon mal intime Fotos oder Videos von Ihnen im Internet oder per Handy weiterverbreitet?

Die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) hat solche und viele weitere Fragen insgesamt 42.000 Frauen zwischen 18 und 74 Jahren gestellt - in allen 28 EU-Mitgliedstaaten.

Die Studie mit dem Titel "Gewalt gegen Frauen" liefert erschreckende Ergebnisse:
  • Staistik Gewalt in Partnerschaften
    © Spiegel OnlineWas Gewalt in Partnerschaften angeht, liegt Deutschland im europäischen Vergleich genau im Durchschnitt. 22 Prozent der befragten Frauen erklärten hierzulande und europaweit, dass sie seit dem 15. Lebensjahr körperliche und/oder sexuelle Gewalt in der Partnerschaft erfahren haben.
    Jede dritte befragte Frau (33 Prozent) hat seit ihrem 15. Lebensjahr schon einmal körperliche und/oder sexuelle Gewalt erfahren - auf die absolute EU-Bevölkerung der 18 bis 74-Jährigen gerechnet sind das 61,3 Millionen.
  • Jede 20. gab an, schon einmal vergewaltigt worden zu sein.
  • Die Autoren der Studie schätzen, dass mindestens 83 Millionen Frauen in der EU seit ihrem 15. Geburtstag schon einmal sexuell belästigt worden sind.
  • Zwölf Prozent der befragten Frauen haben sogar schon vor ihrem 15. Lebensjahr Formen der sexuellen Belästigung oder des Missbrauchesdurch einen Erwachsenen erlebt, hochgerechnet sind das etwa 21 Millionen.
  • Jede dritte Frau hat schon einmal psychische Misshandlung in der Partnerschaft erlebt.
  • 18 Prozent der befragten Frauen waren schon einmal Opfer von Stalking.
"Die Aussagen zeichnen ein Bild des weit verbreiteten Missbrauchs, der das Leben vieler Frauen markiert", schreibt FRA-Direktor Morten Kjærum im Vorwort der Studie: "Frauen sind nicht sicher auf den Straßen, am Arbeitsplatz und schlussendlich auch nicht zu Hause."

Deutschland liegt leicht über dem EU-Schnitt

Bereits im vergangenen Jahr hatte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in einer Studie Ergebnisse zu diesem Thema zusammengetragen, schon damals lautete das Fazit: "Gewalt gegen Frauen ist ein globales Gesundheitsproblem von epidemischem Ausmaß", so WHO-Generaldirektorin Margaret Chan.

Die neue, nach Aussage der Wissenschaftler repräsentative FRA-Studie bietet nun einen detaillierten und erschreckenden Einblick in die Gewalterfahrungen von Frauen. In jedem EU-Mitgliedstaat wurden dafür mindestens 1500 Frauen (nur in Luxemburg 908) nach dem Zufallsprinzip ausgewählt und von weiblichen Interviewerinnen befragt.

Die höchsten Gewaltraten gibt es in Dänemark (52 Prozent), Finnland (47 Prozent) und Schweden (46 Prozent). Deutschland liegt laut Studie leicht über dem EU-Schnitt (35 Prozent), was die Erfahrung der Frauen mit sexueller und/oder physischer Gewalt angeht. Auffällig hierbei: Die höchste Rate liegt bei den 30- bis 39-Jährigen (43 Prozent), am seltensten berichteten über 60-Jährige (30 Prozent) von gewaltsamen Übergriffen. Auch hinsichtlich des Berufsstatus gibt es in Deutschland erhebliche Unterschiede: Angestellte (32 Prozent) berichten wesentlich seltener als Arbeitslose (65 Prozent) von physischer und sexueller Gewalt.

Nur jedes vierte Opfer geht zur Polizei

Die FRA-Studie belegt zudem: Viele Gewalttaten finden innerhalb von Beziehungen statt. Deutschland liegt in der Spitzengruppe, was die Frage nach psychischer Gewalt in der Partnerschaft angeht: 50 Prozent der Befragten berichteten von Demütigungen, öffentlichen Herabsetzungen oder davon, dass Partner oder Ex-Partner damit gedroht hätten, jemanden zu verletzen, der den Befragten wichtig ist (EU-Schnitt: 43 Prozent).

Doch was bedeuten psychische und physische Misshandlungen für die Frauen? Auch auf diese Frage geben die Wissenschaftler Antworten: Depressionen, Angstzustände, Panikattacken, Schlafstörungen, Konzentrationsstörungen, Beziehungsschwierigkeiten, Verlust des Selbstvertrauens - die Liste der Folgen von Gewalt ist lang und deprimierend. Trotzdem gehen laut Studie nur wenige Frauen zur Polizei.

FRA-Chef Kjærum und sein Team geben eine Reihe von Handlungsvorschlägen für den Umgang mit den Ergebnissen ihrer Studie mit: Die Politik solle ihr Augenmerk verstärkt dem Gewalt-Thema zuwenden, es sollte zudem eine ärztliche Befragungsroutine zu Anzeichen für Gewalt entwickelt werden. Arbeitgeber und Gewerkschaften sollten erwägen, Schulungsmaßnahmen für Personal-Verantwortliche durchzuführen, damit diese Misshandlungsfälle entdecken.

"Das enorme Ausmaß des Problems verdeutlicht, dass Gewalt gegen Frauen nicht nur wenige Frauen betrifft, sondern sich tagtäglich auf die gesamte Gesellschaft auswirkt", sagt FRA-Direktor Kjærum. Es bleibe zu hoffen, dass die Erkenntnisse des Berichts "von den Männern und Frauen aufgegriffen werden, die sich für einen Wandel einsetzen und dazu beitragen können, dass dieser eingeleitet wird, um der Gewalt gegen Frauen entgegenzutreten".

Hier finden Sie HilfeBundesweites Hilfetelefon: 08000/116016

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Frauen gegen Gewalt: 030/32299500

Internetseite "Frauen gegen Gewalt"

Frauen helfen Frauen in Not: 07531/67999

Internetseite "Frauen helfen Frauen in Not"