Mitten in der Krim-Krise will die prorussische Führung der Halbinsel Fakten schaffen. Schon in zehn Tagen soll das Volk über einen Beitritt zu Russland entscheiden - zwei Wochen früher als bisher geplant. Der Alleingang erhöht den Druck auf die Verhandlungen der Diplomaten.
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© AFPProrussische Demonstranten auf der Krim: Referendum vorgezogen
Kiew/Moskau - Der prorussischen Führung auf der Krim kann es offenbar gar nicht schnell genug gehen. Deutlich eher als bisher vorgesehen sollen die Bewohner entscheiden, zu wem sie gehören wollen - zu Russland oder der Ukraine. Ursprünglich war das Votum auf der Halbinsel erst für den 25. Mai vorgesehen, dann wurde es Anfang des Monats auf den 30. März vorverlegt. Doch auch das ist den Verantwortlichen angesichts der dramatischen Entwicklung der vergangenen Tage noch zu spät. Am 16. März sollen die Bewohner nun bereits ihr Kreuzchen machen. (Verfolgen Sie die aktuelle Entwicklung in der Krise hier im Liveticker).

Dabei erwarten sie zwei Fragen, wie Agenturen in Moskau unter Berufung auf den Krim-Vizeregierungschef Rustam Temirgalijew melden. "Sind Sie für die Einbindung der Krim in die russische Föderation als Teil der Föderation?" Und: "Sind Sie für die Wiederherstellung der Verfassung von 1992?" Diese sieht die Krim als Teil der Ukraine, allerdings mit weitgehender Autonomie.

Mit ihrer Entscheidung erhöht die Krim-Verwaltung den Druck auf die internationalen Verhandlungsführer, die eine friedliche Lösung des Konflikts anstreben. Die neue ukrainische Führung hat bereits erklärt, dass sie das Referendum für rechtswidrig hält. "Wir werden die Krim niemals aufgeben", hatte der ukrainische Interimspremier Arsenij Jazenjuk Anfang der Woche erklärt.

Das Parlament der Krim hat sich am Donnerstag schon einmal sehr deutlich für einen Beitritt an Russland entschieden. Für die Entschließungen stimmten den Angaben zufolge 78 der 86 Abgeordneten. "Das Parlament der Krim hat eine Entschließung verabschiedet, dass die Krim Russland beitreten soll", sagte der Abgeordnete Grigori Joffe aus der Parlamentsführung der Nachrichtenagentur AFP. "Es hat den russischen Präsidenten und das russische Parlament gebeten, diese Bitte in Betracht zu ziehen."

Putin will ein Votum des Volks auf der Krim

Der Kreml ist fest von einer klaren Mehrheit für eine engere Anbindung an Moskau überzeugt. Allzu stürmisch ist die Zuneigung zu Russland auf der Krim in der Vergangenheit allerdings nicht gewesen. Bei einer Meinungsumfrage 2012 gaben nur 38 Prozent an, dass die Krim der Russischen Föderation beitreten solle. 40 Prozent plädierten für eine weitgehende Autonomie innerhalb des ukrainischen Staates. Allerdings haben die jüngsten Ereignisse die antiukrainische Stimmungen auf der Krim verstärkt.

In Moskau wurde die neue Entwicklung bisher nicht kommentiert. Es gilt weiter der Kurs, den Präsident Wladimir Putin in seinem jüngsten TV-Interview vorgegeben hat. Über den künftigen Status sollen nach den Worten des Kreml-Chefs die Bewohner der Autonomen Republik selbst entscheiden. "Nur die Bürger können und sollen über ihre Zukunft in einer freien und sicheren Willensentscheidung bestimmen", sagte der russische Präsident am Dienstag vor Journalisten. Derzeit sei kein Beitritt vorgesehen. Putin betonte das Recht des Volkes auf Selbstbestimmung. Kanzlerin Angela Merkel teilte über ihren Sprecher mit, das russische Vorgehen auf der Krim sei "inakzeptabel".


Kommentar: Eine Volksbefragung und das Recht auf Selbstbestimmung sind "inakzeptabel"? Demokratie, Frau Merkel? Die Kanzlerin hätte es gerne anders, dass alles von der EU bestimmt wird. Russland möchte die Bürger schützen, die Dank eines westlichen Putschs gefährdet sind - gefährdet von ukrainischen Bürgern, die "Ukraine den Ukrainern" und "Tod unseren Feinden" schreien.


Strategische Bedeutung der Krim

Auf der Halbinsel im Schwarzen Meer leben vornehmlich Menschen russischer Abstammung, zudem ist sie von großer strategischer Bedeutung. Die russische Schwarzmeerflotte ist in Sewastopol stationiert, einer Stadt von 350.000 Einwohnern, die im 18. Jahrhundert von Russland gegründet wurde. Die Stationierung soll auch zukünftig bestehen bleiben: Der Vertrag wurde als Gegenleistung für billiges Gas aus Russland bis 2042 verlängert.

Bis 1954 gehörte die Halbinsel zur Sowjetrepublik Russland, bis sie Staatschef Nikita Chruschtschow der Ukraine schenkte. Den Bürgermeister von Sewastopol stellte Moskau sogar bis 1978.

Geht es nach dem Willen der aktuellen Krim-Verwaltung, dürfte der Einfluss des Kreml auf der Halbinsel schon bald wieder deutlich wachsen.

jok/dpa/Reuters/AFP/AP