Es geht um Hinrichtungen, Schlafentzug, sexuelle Misshandlungen: Britische Soldaten sollen im Irakkrieg Gefangene gefoltert und getötet haben. Jetzt ermittelt der Internationale Strafgerichtshof.

Den Haag/London - Der Internationale Stafgerichtshof hat Ermittlungen aufgenommen, weil britische Soldaten im Irakkrieg systematisch Gefangene gefoltert und getöteten haben sollen. Es gehe um mögliche Taten zwischen 2003 und 2008, erklärte das Gericht mit Sitz in Den Haag in einer Mitteilung. Chefanklägerin Fatou Bensouda prüft nun zunächst die rechtliche Grundlage für ein Ermittlungsverfahren.

Seinen Ausgang hatte das Verfahren im Januar. Die Berliner Nichtregierungsorganisation European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) und die Public Interest Lawyers (PIL), eine gemeinnützige Anwaltskanzlei aus Birmingham, hatten Klage gegen die britische Regierung in Den Haag eingereicht. Die Anwälte forderten in der 250 Seiten starken Anzeige Ermittlungen gegen hochrangige britische Kommandeure, damalige Minister und Staatssekretäre.

Die Vorwürfe wiegen schwer: 109 ehemalige Häftlingen sagen aus, dass zwischen 2003 und 2008 immer wieder Iraker von britischen Soldaten hingerichtet worden sein sollen. Zudem seien Gefangene in einem Geheimgefängnis gefoltert worden - unter anderem durch tagelangen Schlafentzug. Andere hätten in erniedrigenden Positionen mehrere Stunden lang auf Knien ausharren müssen, seien in nur ein Quadratmeter große Zellen gesperrt worden oder von Soldatinnen sexuell erniedrigt worden.

Großbritannien will kooperieren

"Es gibt klare Hinweise, dass dies bis ganz nach oben geht", hatte Paul Shiner, einer der Menschenrechtsanwälte, damals dem Fernsehssender Sky News gesagt. In dem Papier sind mehrere hochrangige britische Politiker und Militärs namentlich genannt, darunter auch der frühere Verteidigungsminister Geoff Hoon.

Der britische Generalstaatsanwalt Dominik Grieve, der dem Kabinett in London angehört, sagte, die Regierung weise die Vorwürfe entschieden zurück: "Die britischen Truppen gehören zu den besten der Welt und wir erwarten, dass sie nach höchsten Standards handeln, in Übereinstimmung mit nationalem wie internationalem Recht." Vorwürfen, dass Einzelpersonen dieses Recht gebrochen haben könnten, würden umfassend untersucht. Die Regierung werde "alles Notwendige" tun, um zu zeigen, dass das britische Rechtssystem korrekt arbeite.

Nach internationalem Recht darf der Strafgerichtshof nur eingreifen, wenn die nationalen Behörden nicht ausreichend ermitteln. Der Leiter der armeeinternen Anklagebehörde, Andrew Cayley, sagte, er sei deswegen zuversichtlich, dass es kein ordentliches Ermittlungsverfahren geben werde. Großbritannien werde in vollem Umfang kooperieren.

Bereits der Abzug der britischen Truppen aus dem Irak hatte eine Welle von Klagen irakischer Ex-Gefangener ausgelöst. Schon damals gaben frühere Häftlinge an, von britischen Soldaten gefoltert worden zu sein. Im April 2004 war die Erniedrigung und Misshandlung von Gefangenen durch US-Soldaten in Abu Ghuraib bekannt geworden. Die Aufarbeitung des Folterskandal war 2007 mit einem milden, letzten Urteil offiziell beendet worden. Der Haupttäter von Abu Ghuraib, der ehemalige US-Soldat Charles Graner, wurde 2011 wegen guter Führung vorzeitig aus der Haft entlassen.