Ein heftiges Unwetter hat in Nordrhein-Westfalen Verwüstungen angerichtet. Mindestens sechs Menschen kamen ums Leben. Die brisante Wetterlage hält weiter an. Auch in Niedersachsen wütete es stark.
Sturmschäden
© dpaDie in alle Richtungen verstreuten Überreste eines Flachdaches in Neuss bei Düsseldorf
Ein Bundesland unter Schock: In Nordrhein-Westfalen sind beim schwersten Unwetter seit Jahren mindestens sechs Menschen ums Leben gekommen. Allein in Düsseldorf starben drei Menschen in einem Gartenhaus. Weitere Tote wurden aus Essen, Köln und Krefeld gemeldet. An vielen Häusern und Autos sorgten Sturmböen, Blitzeinschläge und Hagel für Schäden. Flugzeuge konnten zeitweise nicht mehr abheben, Züge wurden gestoppt, auf Autobahnen lagen umgestürzte Bäume.

Über das bevölkerungsreichste Bundesland zogen nach Einschätzung des Deutschen Wetterdiensts die stärksten Sturmböen seit dem Orkan "Kyrill" im Jahr 2007.

Insgesamt musste die Polizei in Nordrhein-Westfalen zu fast 5000 Einsätzen ausrücken, resümierte die Landesleitstelle. Überflutete Straßen und zahlreiche umgestürzte Bäume machten ihnen zu schaffen.

In Düsseldorf stürzte eine große Pappel auf ein Gartenhaus, in dem mehrere Menschen Zuflucht vor dem Unwetter gesucht hatten. Allein bei diesem tragischen Unglück verloren zwei Männer im Alter von 56 und 53 Jahren sowie eine 52 Jahre alte Frau ihr Leben. Feuerwehrleute konnten aus den Trümmern des Gartenhauses sechs weitere Menschen befreien. Sie mussten verletzt in Krankenhäuser gebracht werden.

In Krefeld zerstörte ein umgestürzter Baum eine Stromleitung. Ein Radfahrer, der sich in der Nähe befand, starb an einem Stromschlag, wie die Leitstelle der Polizei berichtete.

In Köln wurde am Montagabend ein Mann von einem Baum erschlagen. Vermutlich durch einen Blitzeinschlag sei eine etwa 20 Meter hohe Buche durchgebrochen. Sie stürzte auf die Fahrbahn und traf den Radfahrer. Er starb noch an der Unfallstelle.

In Essen starb ein Mann bei Aufräumarbeiten. Er hatte nach ersten Informationen der Polizei kurz vor Mitternacht versucht, im Stadtteil Kray die Fahrbahn zu räumen. Nach Angaben der Feuerwehr brach er dabei plötzlich zusammen.

"In der Intensität war es außergewöhnlich", sagte ein Sprecher des Lagezentrums der Landespolizei. Neben den sechs Todesopfern seien 30 weitere Menschen schwer und 37 leicht verletzt worden. Allein 90 witterungsbedingte Verkehrsunfälle nahm die Polizei in der Nacht in NRW auf. Die Polizei in Duisburg meldete Sachschäden in Höhe von schätzungsweise 1,2 Millionen Euro im Stadtgebiet.

Viele Menschen wurden von den Wetterunbilden in Angst und Schrecken versetzt und sagten spontan, dass sie so etwas noch nie erlebt hätten. Die Einsatzkräfte in vielen Kommunen hatten alle Hände voll zu tun, Hilferufe abzuarbeiten und Schäden zu beseitigen. "Wir haben alle Beamte im Einsatz, die verfügbar sind - inklusive Bereitschaftspolizei", sagte ein Sprecher des Lagezentrums der Landespolizei.

Das Unwetter war nach Einschätzung eines Wetterexperten eines der stärksten seit Jahren in dem bevölkerungsreichsten Bundesland. "Eine komplette Gewitterlinie ist über Nordrhein-Westfalen gezogen und jeder hat etwas mitbekommen", sagte Meteorologe Lars Dahlstrom von der Meteogroup Unwetterzentrale in Bochum.

Starkregen und Hagel

Die Schwere des sommerlichen Unwetters mit Starkregen und Hagel, das wie eine Walze über das Bundesland rollte, machte er vor allem an den hohen Windgeschwindigkeiten fest.

Am Düsseldorfer Flughafen seien 145 Stundenkilometer gemessen worden, in Neuss 133 und in Castrop-Rauxel 124 Stundenkilometer. "Das sind alles Orkanstärken", betonte er.

An zehn Stationen in NRW habe die Windgeschwindigkeit bei über 100 Kilometern pro Stunde gelegen. "Im Sommer reichen schon 90 km/h, um Bäume umzuknicken, weil sie viel Laub tragen", erläuterte der Meteorologe. Die Gewitter seien relativ schnell weitergezogen. Dennoch sei örtlich auch viel Regen gefallen. In Bochum-Weitmar seien es rund 40 Liter in nur einer Stunde gewesen. Regen von mehr als 30 Litern je Stunde könne die Kanalisation meist nicht fassen. Viele Blitze bedeuteten zudem eine große Gefährdung.

Bahnverkehr weiter beeinträchtigt

Die zahlreichen Unwetterschäden führten auch am Dienstagmorgen weiter zu Ausfällen und Verspätungen bei der Bahn. Am Vormittag waren noch die Ost-West-Verbindungen Dortmund-Essen-Düsseldorf-Köln sowie Dortmund-Gelsenkirchen-Duisburg gesperrt, wie ein Sprecher der Deutschen Bahn sagte.

Unter anderem waren die Fernzüge von Berlin und Hannover ins Ruhrgebiet und ins Rheinland betroffen, dort gab es teils deutliche Verspätungen.

Die Bahn registrierte in der Region Dutzende Schäden, vor allem weil Bäume auf Oberleitungen stürzten. Fünf Reparaturzüge mit Hebebühnen seien im Einsatz, um die Oberleitungen instand zu setzen, hieß es bei der Bahn.

Airport lahmgelegt

Am Airport Düsseldorf war der Flugverkehr von dem Unwetter eine Stunde lang lahmgelegt. Der Flughafen der Landeshauptstadt stellte seinen Flugbetrieb am Montagabend von 21 bis 22 Uhr wegen Sturmböen ein, wie ein Airport-Sprecher schilderte.

Im Sauerland gab es am Montagnachmittag in einigen Orten heftige Niederschläge. So schlug in Warstein binnen Minuten das heiße Wetter plötzlich in Hagel um. Die Hagelkörner hatten dabei nach einem Augenzeugenbericht eine Größe von bis zu einem Zwei-Euro-Münzstück.

In Brilon fiel Starkregen. "Es war kurz und heftig", sagte ein Polizeisprecher. Im Ortsteil Brilon-Messinghausen ergoss sich nach dem starken Regen am späten Montagnachmittag eine Schlammlawine auf eine Straße. Verletzt wurde dabei glücklicherweise niemand.

"Eine Entwarnung gibt es nicht"

Die brisante Wetterlage in Nordrhein-Westfalen dauert weiterhin an. "Eine Entwarnung gibt es nicht", sagte Meteorologin Maria Hafenrichter vom Deutschen Wetterdienst am Dienstagmorgen.

In weiten Teilen des Bundeslandes seien bei Temperaturen um 30 Grad bis zum Mittwochmorgen immer wieder heftige Gewitter mit Orkanböen, heftigem Regen und Hagel möglich. Wie schon am Montag kommen die Unwetter dabei aus dem Südwesten, erreichen zunächst den Aachener Raum, ziehen über Niederrhein und Ruhrgebiet weiter bis ins Münsterland. Wo die Intensität am höchsten ist, lässt sich nach Angaben der Meteorologin nicht vorhersagen. Warnungen vor schwerem Gewitter galten am Dienstagmorgen für alle Landesteile.

Schweres Unwetter tobt auch über Niedersachsen

Auf das heiße Pfingstwochenende folgte auch ein schweres Unwetter in Niedersachsen. Häuser brannten nach Blitzeinschlägen. Straßen und Keller stehen unter Wasser. Menschen wurden nach Angaben der Polizei nicht verletzt. Im Westen kam es nach heftigen Regenfällen zu Überflutungen.

In Beesten (Landkreis Emsland) ging ein Dachstuhl nach einem Blitzeinschlag in Flammen auf. Das Dach wurde dabei vollkommen zerstört. Es entstand ein Sachschaden von 200.000 Euro. Eine Scheune in Nahrendorf (Landkreis Lüneburg) brannte nach einem Blitzeinschlag vollkommen aus. Rund 120 Helfer der Feuerwehr waren mehrere Stunden im Einsatz. Der Sachschaden liegt bei mehreren 10.000 Euro.

In Nienburg verursachten Blitzeinschläge leichte Schäden an Wohnhäusern. Die Feuerwehr musste zwei Dachstühle in der Altstadt löschen. Starke Regenfälle beschleunigten die Löscharbeiten der Rettungskräfte. Die Bewohner der Häuser konnten sich selbst in Sicherheit bringen. In Hannover setzte ein Blitz den Dachstuhl eines Rohbaus in Flammen. Die Polizei schätzt den Schaden am leerstehenden Haus auf rund 20.000 Euro.

Die Feuerwehr in Braunschweig musste einen 20 Meter hohen Baum im Gauß-Park fällen. Der Baum drohte nach dem Gewittersturm auseinanderzubrechen. Der Park wurde vorübergehend gesperrt.

dpa/sela/cast