Schottische Forscher: Schwingungen könnten die Grundlage biologischer Reaktionen sein - Wiener Kollege zeigt sich skeptisch
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Wien/Glasgow - Kohärente Schwingungen könnten die Grundlage biologischer Reaktionen sein, postulierte der österreichische Physiker Erwin Schrödinger (1887-1961) in seinem Buch Was ist Leben, das auf 1943 in Dublin gehaltenen Vorlesungen basiert. Chemiker der Uni Glasgow wollen nun mit einer im Fachjournal Nature Communications publizierten Arbeit "bewiesen haben, dass er auf der richtigen Spur war".

Schrödingers Idee habe nie breite Akzeptanz gefunden, weil angenommen wurde, dass Schwingungen in Proteinen zu schnell gedämpft würden, heißt es in einer Aussendung der Uni Glasgow. Klaas Wynne und sein Team untersuchten dort mittels Laser-Spektroskopie das Schwingungsspektrum des Enzyms Lysozym. Dieser Eiweißstoff kommt unter anderem in der Tränenflüssigkeit vor und dient dazu, Bakterien abzuwehren.

Die "Glocke"

Bei der Untersuchung zeigte sich, dass das Enzym "wie eine Glocke läutet", wie die Wissenschafter in der Aussendung schreiben, mit einer Frequenz von wenigen Terahertz. Als besonders bemerkenswert werten die Forscher, dass die Schwingung das gesamte Protein erfasst und damit für den Energietransfer durch die Moleküle verantwortlich sein könnte.

Die Schwingungen würden nur etwa eine Pikosekunde lang dauern, also den billionsten Teil einer Sekunde, und damit in einem Zeitbereich liegen, in dem biochemische Reaktionen ablaufen. Die Forscher gehen davon aus, dass die Evolution die Enzyme so optimiert hat, dass sie genau so lange schwingen, dass die Reaktion möglichst effizient abläuft. Die Schwingung würde den Proteinen erlauben, sich rasch so zu verformen, dass sie sich mit anderen Molekülen verbinden können - ein für viele wichtige biologische Funktionen wichtiger Prozess. "Unsere Arbeit zeigt, dass Proteine sehr überraschende mechanische Eigenschaften besitzen, die auf maximale Effizienz ausgerichtet sind", so Wynne.

Skepsis

Im Gegensatz zur Begeisterung Wynnes ist der österreichische Chemiker Peter Schuster skeptisch: "Die Vorhersagen und versuchten Nachweise für neue kohärente Phänomene in der Biologie sind alt", sagt er. Doch von keinem einzigen dieser theoretischen Modelle habe bisher eine biologische Bedeutung gezeigt werden können, erklärte er. Die mangelnde Synchronisierung aller anderen Bewegungsformen lasse die Kohärenz sehr rasch verebben, so der emeritierte Professor vom Institut für Theoretische Chemie der Universität Wien.

Es würde ihn wundern, wenn es in dem vorliegenden Fall anders wäre, so Schuster weiter. "Metaphern wie 'Glockenläuten' sind schön, helfen aber nicht weiter", erklärte er. Als Naturwissenschafter wäre er zwar der Aufgeschlossenheit gegenüber allem Neuen verpflichtet, doch er verwies darauf, dass selbst Klaas Wynne die Ergebnisse relativiert: "Zukünftige Arbeiten werden zeigen, ob diese mechanischen Eigenschaften verwendet werden können, um die Funktion von komplexen lebenden Systemen zu verstehen", sagte Wynne.

(APA/red)

Abstract

Nature Communications: "Terahertz underdamped vibrational motion governs protein-ligand binding in solution"