Ebola queue
© dpaEbola und nichts sonst: In den von der Seuche betroffenen Ländern gibt es kaum noch Hilfe für Geburten und andere Kranke.
Die Spitäler in den vom Ebola-Virus betroffenen Ländern Afrikas sind oft unterbesetzt. So sterben immer mehr Menschen an eigentlich heilbaren Krankheiten. Es gibt kaum noch Kaiserschnitte.

Durch die Ebola-Epidemie sind die ohnehin raren Gesundheitszentren in den betroffenen Regionen stark belegt. Für schwangere Frauen oder andere Patienten ist kein Platz. Dies führt zu immer mehr Todesfällen von Neugeborenen und Kranken, die eigentlich leicht zu behandeln wären.

Tag für Tag klopfen hochschwangere Frauen beim Ebola-Notfallzentrum von Ärzte ohne Grenzen (MSF) in Monrovia an und bitten verzweifelt um Hilfe. Sie kommen nicht wegen einer möglichen Ebola-Infektion.

Die Frauen wissen schlicht nicht, wo sie ihr Kind zur Welt bringen sollen. In Liberias Hauptstadt liegt das öffentliche Gesundheitswesen am Boden, viele Spitäler sind geschlossen. Das Personal ist selbst an Ebola erkrankt oder geht nicht mehr zur Arbeit - aus Angst, selbst zu erkranken.

Eine fatale Situation, sagen die Helfer. «Das hat zur Folge, dass es nun auch immer mehr Menschen gibt, die an behandelbaren Krankheiten wie Malaria oder Durchfall sterben. Und bei Geburten gibt es kaum noch Möglichkeiten für Kaiserschnitte», sagt Mariano Lugli, Direktor für Internationale Einsätze der Hilfsorganisation.

Viele Schwangere entbinden aus Angst vor einer Ansteckung gleich zu Hause und ohne ärztliche Hilfe. «Aber bei Komplikationen haben sie keine Chance. Auch viele Babys sterben deshalb während oder kurz nach der Geburt», sagt Lugli.

Viele Ansteckungen aus Unwissenheit

Als die Seuche vor Monaten in Guinea ihren Anfang nahm, wurden dort viele lokale Gesundheitsstationen zunächst bewusst geschlossen. «Denn viele Leute steckten sich dort aus Unwissenheit an. Erst mussten die Helfer trainiert und Schutzmaterial bereitgestellt werden», berichtet Lugli, der im April selbst in Guinea im Einsatz war. Doch mit der schnellen Ausbreitung liess sich kaum Schritt halten.

In Guinea hat sich die Lage momentan etwas stabilisiert, in Liberia und Sierra Leone spitzt sie sich weiter zu. Allein in der vergangenen Woche wurden Hunderte Neuinfektionen registriert - und die Dunkelziffer ist hoch. «In Monrovia etwa kennen wir wahrscheinlich nur ein Drittel der Infektionen», sagt Lugli.

Schon jetzt platzt die jüngst aufgebaute 120-Betten-Isolierstation aus allen Nähten, wurde auf 160 Betten erweitert - und muss dennoch Patienten abweisen. Sie ist eines von fünf speziellen Ebola-Behandlungszentren, die MSF in Guinea, Sierra Leone und Liberia betreibt - und damit bisher ganz allein vor Ort aktiv ist.

Schwierige Behandlung von Kindern

«Am schwierigsten ist es, dort Kinder zu behandeln. Man kann wegen der Schutzanzüge wenig Kontakt zu ihnen herstellen und muss sie von ihrer Familie trennen. Das ist schlimm. Manche Infizierte kommen ja auch in einem noch guten Zustand zu uns, können noch laufen. Doch dann verschlechtert sich ihre Situation rapide, sie sterben in der Isolation», sagt Lugli.

Jetzt arbeitet die Hilfsorganisation an neuen Strategien, um die Angehörigen einzubinden und den Kontakt zu den Erkrankten zu ermöglichen. «Aber dazu brauchen wir dringend zusätzliche Helfer», betont er.

«Nach einem Erdbeben wäre es undenkbar, dass es nur so wenige Orte gibt, an denen Frauen sicher ihr Kind zur Welt bringen oder Menschen mit lebensbedrohlichen Erkrankungen behandelt werden können», sagt auch Lindis Hurum, Notfallkoordinatorin der Hilfsorganisation in Monrovia. «Das ist nicht nur ein Ebola-Ausbruch. Es ist ein humanitärer Notfall und erfordert die gesamte Skala humanitärer Hilfe», betont Hurum.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO habe trotz Warnungen viel zu spät reagiert. Jetzt müssten die westlichen Regierungen sich dringend einschalten, fordert MSF.

«Das, was die UNO oder Nichtregierungsorganisationen hier leisten können, reicht nicht aus. Die Seuche ist immer drei Schritte voraus. Wir brauchen dringend Menschen mit Expertise, die anpacken und schnell neue Isolierstationen aufbauen und auch betreiben können», fordert Lugli. «Wir haben schon viel zu viel wertvolle Zeit verloren.»

Kampf gegen Ebola verloren?

Die internationale Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen hat unterdessen davor gewarnt, dass die Weltgemeinschaft die Ebola-Epidemie nicht in den Griff bekommen könnte. «Nach sechs Monaten der schlimmsten Ebola-Epidemie der Geschichte ist die Welt dabei, den Kampf zu verlieren, um das Virus einzudämmen», sagte die Präsidentin der Organisation, Joanne Liu, während eines UN-Treffens zur Epidemie (Ortszeit) in New York. Derweil wurde bekannt, dass sich ein weiterer Arzt aus den USA in Liberia mit dem meist tödlichen Erreger angesteckt hat.

In Sierra Leone würden Leichen von Infizierten in den Strassen verrotten, in Liberia baue man lieber ein neues Krematorium statt neuer Behandlungszentren, kritisierte Liu. «Ebola-Behandlungszentren werden reduziert zu Orten, wo Menschen alleine sterben, wo nicht mehr als ein wenig lindernde Pflege angeboten wird.» Ärzte ohne Grenzen hat nach eigenen Angaben seit dem Ausbruch der Epidemie im März mehr als 1000 Ebola-Patienten in Westafrika behandelt.

Erneut Arzt angesteckt

Die Direktorin der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Margaret Chan, dankte den Ländern, die im Ebola-Kampf helfen würden, stellte aber zugleich fest: «Wir brauchen mehr von euch. Und wir benötigen auch diejenigen Länder, die bislang noch nicht mit an Bord sind.» An die Menschen in Westafrika gerichtet sagte US-Präsident Barack Obama in einer Videobotschaft des Weissen Hauses, ein Eindämmen von Ebola werde nicht einfach, aber «wir wissen, wie wir das machen werden.»

Währenddessen wurde bekannt, dass sich erneut ein Arzt aus den USA in Westafrika mit dem tödlichen Ebola-Virus infiziert hat. Wie das Missionswerk Serving in Mission mitteilte, arbeitete der Mediziner in einem Krankenhaus in der liberianischen Hauptstadt Monrovia. Unklar blieb den Angaben zufolge, wie er sich infizierte. Er habe nicht mit Ebola-Patienten zu tun gehabt, sondern in der Gynäkologie gearbeitet. Liberia ist das am stärksten von der Epidemie betroffene Land.

Als erster Mediziner aus den USA hatte sich der Arzt Kent Brantly bei dem jüngsten Ausbruch in Liberia infiziert. Er und die ebenfalls in Liberia an Ebola erkrankte Missionarin Nancy Writebol waren Anfang August zur Behandlung in die USA ausgeflogen worden. Beide bekamen Dosen des noch nicht zugelassenen Mittels ZMapp und konnten mittlerweile das Krankenhaus verlassen.

«Ich fühlte mich, als ob ich am Sterben gewesen sei»

Brantly äusserte sein Mitgefühl für den weiteren Infizierten. Er fühle sich mit ihm sehr verbunden und habe unter Tränen für ihn gebetet, sagte der Mediziner dem amerikanischen Nachrichtensender NBC News. Gleichzeitig berichtete er davon, wie ernst seine Lage gewesen sei. «Ich fühlte mich, als ob ich am Sterben gewesen sei.»

An der Ebola-Epidemie sind im Westen Afrikas nach WHO-Angaben bereits mehr als 1500 Menschen gestorben. Das oft zum Tode führende Virus verbreitet sich über Körperflüssigkeiten wie Speichel oder Blut. Ein lizenziertes Medikament oder einen Impfstoff gibt es noch nicht. Neben Liberia gibt es in Guinea und Sierra Leone die meisten Ebola-Fälle.

(chk/sda/AP)