Die Obama-Regierung richtet eine neue Form von Finanzkrieg gegen Putins Russland, der potenziell tödlicher ist als ein Krieg mit Drohnenattacken. Das kürzlich bekannt gewordene geheime amerikanisch-saudi-arabische Abkommen, den asiatischen Markt mit verbilligtem saudischen Öl zu überschwemmen - eine Preissenkung, der sich Russland gezwungenermaßen anschließen muss, macht deutlich, dass die Abteilung für finanzielle Kriegsführung im Washingtoner Finanzministerium die Achillesferse der russischen Wirtschaft, den Öl- und Gassektor, aufs Korn nimmt.
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Zusammen mit den finanziellen Einbußen für den russischen Staat infolge des gesunkenen Verkaufs von Erdgas an die Ukraine und der Aussicht, dass der Transit von russischem Gas, das für den riesigen EU-Markt bestimmt ist, in diesem Winter blockiert werden kann, während die gelagerten Vorräte der EU langsam zur Neige gehen, wird Moskau durch den Druck auf den Ölpreis gleich doppelt getroffen. Denn mehr als die Hälfte der russischen Staatseinnahmen stammen aus dem Export von Erdöl und Erdgas.

Die von den USA und Saudi-Arabien betriebene Manipulation des Ölpreises zielt darauf ab, gleichzeitig mehrere starke Opponenten der globalen amerikanischen Politik zu destabilisieren. Unter anderem ist sie gegen den Iran und Syrien gerichtet, beide Verbündete Russlands gegen das Bestreben der USA, als alleinige Supermacht die Welt zu beherrschen. Das Hauptziel ist jedoch Putins Russland, die größte derzeitige Bedrohung für solche Pläne.

Die Strategie ähnelt der, die die USA schon 1986 gemeinsam mit Saudi-Arabien verfolgten, als sie die Welt mit saudischem Öl überschwemmten, was den Ölpreis unter zehn Dollar pro Barrel drückte und die Wirtschaft des damaligen Sowjet-Verbündeten Saddam Hussein im Irak und letztendlich die sowjetische Wirtschaft ruinierte und den Weg für den Fall der Sowjetunion ebnete.

Heute hofft man, dass ein Kollaps der russischen Erdöleinnahmen in Kombination mit gezielten Sanktionen, die die Abteilung für Terrorismus und Finanz-Intelligence im US-Finanzministerium entworfen hat, die enorme Unterstützung, die Putin im eigenen Land genießt, schwächen und die Bedingungen für seinen Sturz schaffen wird.

Bisher richteten sich die US-Wirtschaftssanktionen gegen den engen Kreis um Putin, der Russlands große Öl- und Gasgesellschaften dirigiert: Am 12. September, einen Tag nach den Geheimgesprächen zwischen US-Außenminister Kerry und den Saudis, kündigte Obamas Finanzministerium neue Sanktionen gegen die russischen Unternehmen Gazprom, Gazprom Neft, Lukoil, Surgutneftegas und Rosneft an. Danach ist es westlichen Firmen verboten, diese Unternehmen bei Erkundung oder Förderung von Erdöl und Erdgas im Meer oder in der Arktis und bei Schiefer-Projekten zu unterstützen.

Durch die US-Sanktionen vom September werden die Bohrungen des US-Konzerns ExxonMobil in der russischen Arktis, die im August gemeinsam mit Rosneft begonnen wurden, einstweilen gestoppt. Auch andere Projekte von Rosneft und Gazprom Neft mit Exxon, Royal Dutch Shell, der norwegischen Statoil und der italienischen ENI sind von den Sanktionen betroffen.

Ein Großprojekt, das nun für russische Firmen sehr schwierig werden wird, ist die geplante Erkundung riesiger Schieferölvorkommen in der Baschenow-Formation unterhalb bestehender westsibirischer Ölfelder. Schätzungen zufolge lagern hier bis zu einer Billion Barrel Öl - viermal so viel wie die Vorkommen Saudi-Arabiens. Rosneft und Gazprom Neft arbeiteten in Baschenow gemeinsam mit Exxon und Shell, die mit der amerikanischen Fracking-Technik zur Förderung von Schiefergas oder -öl vertraut sind.

Foul Play auch beim Chef von Total?

Der ohnehin verdächtige Tod von Christophe de Margerie, Chef der französischen Ölgesellschaft Total und langjähriger Verbündeter Russlands auf dem Moskauer internationalen Flughafen Wnukowo wird im Lichte der Washingtoner Sanktionen und des Energiekriegs gegen Russland noch verdächtiger. De Margerie hatte gerade bei einer Rede in Russland die Sanktionen des Westens als töricht attackiert. Lukoil plant, gemeinsam mit Total in Sibirien nach Schiefergas zu bohren.

Noch im Juli dieses Jahres hatte Margerie eine Äußerung getan, die direkt auf das Herz des US-Dollarsystems zielte: »Es gibt keinen Grund, Erdöl mit Dollars zu bezahlen. Ganz ohne Dollars auszukommen, wäre nicht realistisch, aber es wäre gut, wenn der Euro stärker eingesetzt würde. Der Dollar nimmt im internationalen Öl- und Gashandel zu großen Raum ein. Die Tatsache, dass der Ölpreis in Dollar pro Barrel ausgewiesen wird, bedeutet nicht, dass die Zahlungen tatsächlich auch in dieser Währung geleistet werden müssen. Es gibt keinen Grund, für Kohlenwasserstoffe in der amerikanischen Landeswährung zu zahlen


Kommentar: Christophe de Margerie hat die Sanktionen des Westens attackiert und die Monopole des Dollars in Frage gestellt. Ist er deswegen umgebracht worden, um seinesgleichen einzuschüchtern? Diesbezügliche Präzedenzfälle gibt es genug: John F. Kennedy, Saddam Hussein, Muammar al-Gaddafi, Hugo Chávez...


Am Tag seines Todes war Margerie mit Premierminister Medwedew zusammengetroffen und hatte anschließend erklärt: »Nun, wenn ich nicht für Sanktionen bin, dann deshalb, weil ich sie für unfair und unproduktiv halte ... Und es ist ein Versagen der Diplomatie, wenn als Mittel nur noch Sanktionen übrig bleiben.« Sein Tod bedeutet einen schweren Schlag für alle vereinbarten Joint Ventures zwischen russischen und westlichen Ölgesellschaften. Im Mai hatte sich der Chef von ExxonMobil dem Drängen der Obama-Regierung widersetzt und an einem Energieforum in St. Petersburg teilgenommen. Nach Margeries Tod ist es weniger wahrscheinlich, dass er sich auch in Zukunft so kühn verhält.

Die Abteilung für Finanzkriegsführung im US-Finanzministerium

Im Zentrum des Kriegs gegen Gazprom, Rosneft und andere strategisch wichtige russische Energiekonzerne steht eine Abteilung innerhalb des US-Finanzministeriums, die nach dem 11. September 2001 geschaffen wurde, das so genannte Office of Terrorism and Financial Intelligence (TFI, Abteilung für Terrorismus und Finanz-Intelligence) mit 730 Mitarbeitern. Chef ist Daniel Glaser, der Leiter des Ressorts Terrorfinanzierung. In seiner nur wenig bekannten Abteilung wurden auch Sanktionen gegen den Iran erdacht, darunter die, iranischen Banken die Nutzung des SWIFT zu untersagen, ein vernichtender Schlag für den Iran.

Die Abteilung hat vollen Zugang zum Interbanken-Zahlungssystem SWIFT in Brüssel, das von allen internationalen Unternehmen und Privatleuten auf der Welt genutzt wird. Sie verfolgt die finanziellen und banktechnischen Verbindlichkeiten eines Beobachteten, sei es ein angeblicher Terrorist im Jemen oder in diesem Fall das Netz von wichtigen Personen in Putins Umfeld. Sie verfolgt Bartransfers, friert Bankkonten ein und stellt Finanziers und Geldwäscher bloß.

Ein Unternehmen, das vom Finanzministerium auf die schwarze Liste gesetzt wird, kann kein Geschäft mehr in US-Dollar abwickeln, über den 87 Prozent aller Transaktionen abgerechnet werden. Ausländische Banken »dollarisieren« normalerweise Zahlungen, indem sie die Transaktion über US-Banken abwickeln. Diese müssen jede Zahlung blockieren, wenn eine Person oder ein Unternehmen beteiligt ist, die oder das auf der schwarzen Liste steht. Die Abteilung des Finanzministeriums soll »überall dazwischenfunken« und »schlechte Akteure vom internationalen Finanzsystem ausschließen«, sagt David Cohen, der Ministerialbeamte, der Glasers Abteilung vorsteht. Wladimir Putin und russische Energiegesellschaften sind von der Obama-Regierung und den neokonservativen Kriegsfalken zu »schlechten Akteuren« erklärt worden.

Diese Sondereinheit innerhalb des US-Finanzministeriums ist zum Zentrum der Kriegsführung und Intelligence der USA geworden. Was Russland angeht, so hat man offenbar sämtliche finanzielle Verbindungen zu Gazprom oder Rosneft ins Visier genommen und kappt sie jetzt eine nach der anderen. Kein Wunder, dass Russland seit einigen Wochen nach Wegen sucht, das Dollar-System zu umgehen. Am 25. Oktober sprach Putin die Lage in einer Rede vor dem Valdai-Forum ganz offen an:
... die politisch motivierten Sanktionen haben den Trend verstärkt, die wirtschaftliche und finanzielle Souveränität zu stützen; und Länder oder regionale Gruppen von Ländern suchen nach Wegen, sich selbst vor den Risiken des Drucks von außen zu schützen. Wir sehen bereits, dass immer mehr Länder nach Wegen suchen, sich weniger abhängig vom Dollar zu machen und deshalb alternative Finanzierungs- und Zahlungssysteme sowie Reservewährungen aufbauen. Ich glaube, dass unsere amerikanischen Freunde ganz einfach den Ast absägen, auf dem sie sitzen.