In einem Acker bei Hannover schlummerte über Jahrtausende ein gewaltiger Brocken. Beim Pflügen stieß ein Landwirt auf den mindestens 50 Tonnen schweren Findling. Er gibt Geologen Auskunft über den Verlauf der Eiszeit vor 200.000 Jahren.
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Felder, Windräder und viel Himmel: In und um Ostermunzel ist nicht viel los. Doch im Oktober 2013 passierte etwas, das immer noch Dorfgespräch in dem 350-Einwohner-Ort westlich von Hannover ist. "Wir haben gepflügt. Auf einmal hat es gerumst", erzählt Bauer Hans-Heinrich Voges. "Wieder mal ein Stein", dachte sich der 70-Jährige. Damit hatte er Recht. Jedoch hätte sich Voges nie träumen lassen, dass sich ein Koloss von mindestens 50 Tonnen Gewicht im Acker verbirgt.

Sein Alter: ein bis zwei Milliarden Jahre

Knapp anderthalb Jahre später ist der gut zweieinhalb Meter hohe Riesenfindling freigelegt. Es ist ein Gneis, der zu den ältesten Gesteinsarten der Erde zählt. Auf ein bis zwei Milliarden Jahre schätzen Geologen sein Alter. "So was kann man sich gar nicht vorstellen, wir können ja kaum bis zu Christi Geburt zurückdenken", brummt Voges, schiebt seine Kappe zurecht und schaut vorsichtig über den Grubenrand. Hinuntersteigen möchte er nicht, denn er fühlt sich etwas wackelig auf den Beinen.

Zunächst wollten Voges und sein Mitarbeiter den Stein selbst ausbuddeln. Mit dem Spaten wurde das nichts, mit dem Radlader auch nicht. Sie holten einen Bagger, der kam aber nicht tief genug. "Wir hatten dann die Idee, das Ding zu zerstören", sagt er. Irgendwann brachte der Landwirt in Erfahrung, dass ein Stein dieses Ausmaßes bei der Unteren Naturschutzbehörde gemeldet werden muss.

Am 17. April startet die Bergung

Die zuständige Region Hannover will das Ungetüm mit seinen rund zehn Metern Umfang am 17. April bergen und in der Nähe an einem Radweg aufstellen lassen. Dazu rückt eine Spezialfirma an. 15.000 Euro soll die Aktion kosten. Bauer Voges fürchtet, dass die Schaulustigen den Raps zertrampeln werden, den er um die Grube herum gepflanzt hat. Schon jetzt seien Neugierige "von sonst wo her" zu dem Fundort gepilgert.

Heinz-Gerd Röhling vom Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie war auch schon da. Der Geologe hat festgestellt, dass der Gneis den Ansprüchen eines Naturdenkmals entspricht. "Er kam während der Saale-Eiszeit vor etwa 200 000 Jahren mit den Gletschermassen aus Skandinavien, wahrscheinlich aus Schweden", sagt Röhling, der auch im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Geowissenschaften sitzt. Der Fund lasse vermuten, dass der Eispanzer in der Region damals dicker als die bisher angenommenen hundert Meter war.

Gestein des Jahres 2015

Für Ostermunzel ist der Stein eine Sensation, auch landesweit gehört er zu den zehn größten jemals registrierten Findlingen. "Früher war fast das ganze Land mit Findlingen bestreut, viele wurden zertrümmert und weiterverarbeitet", berichtet Röhling. In Norddeutschland geben aus Findlingen gebaute Feldsteinkirchen heute noch davon Zeugnis.

dpa