Serbien könnte in die selbe Lage kommen wie vor knapp eineinhalb Jahren die Ukraine. Nämlich dann wenn es darum geht, etwaige Erpressungen der EU und des IWF abzuwehren. Schon jetzt ist man in Brüssel über den freundlichen Umgang mit Russland nur wenig erfreut. Bislang setzt die serbische Führung klar auf einen Beitritt zur Europäischen Union. Wenn es aber nach der Bevölkerung geht, würde diese momentan nur mit 44 Prozent einem Beitritt zur EU zustimmen. Die andere Option hieße Eurasische Union unter der Federführung Russlands.
Serbien Belgrad
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Die beiden Wendehälse Serbiens, Präsident Tomislav Nikolic und Premierminister Aleksandar Vucic, früher noch bei der Serbischen Radikalen Partei (SRS) und streng gegen NATO, EU und einfach gegen alles Westliche, geben sich heute streichelweich und wollen ihr geliebtes Serbien fit für den Beitritt zur Europäischen Union machen. Die einstigen Wegbegleiter des wegen angeblicher Kriegsverbrechen nach Den Haag ausgelieferten und nach 12 Jahren wegen Krankheit vorzeitig entlassenen Parteiführers der SRS, Vojislav Seselj, kehrten diesem während er im Gefängnis auf sein Urteil wartete - welches bis heute noch nicht gefällt wurde - klammheimlich den Rücken und fanden sich in einer neuen moderaten Partei, der Serbischen Fortschrittspartei (SNS) wieder. Wie so oft, ging es hier auch um politische Kalkül und um Macht. Die Nationalisten zerstritten sich zusehends und deren Führer konnte die Partei eben nicht aus dem Gefängnis heraus zusammenhalten. Als politische Chamäleons schlugen sie nun weiche und versöhnliche Töne an, was dem einem zunächst den Präsidentensitz einbrachte und dem anderen später in den Premierministersattel verhalf.

Niemand rechnete aber mit der Rückkehr des alten Fuchses Seselj. Der an Krebs leidende Anführer der Radikalen Partei Serbiens, wurde im letzten November triumphal von seiner Anhängerschaft empfangen und schlug sogleich, trotz Auflagen welche das Verbot politischer Tätigkeiten umfasst, wortreich um sich. Er bezeichnete die Regierung als Verräter am eigenen Volk, wobei er nicht so ganz unrecht hat. Zudem schießt er mit scharfen Worten auch nach Kroatien und in den Kosovo. Die Regierung selbst ist dann bemüht das Feuer rasch zu löschen. Wie sehr aber die beiden Regierungsvertreter Nikolic und Vucic anscheinend an Seselj gebunden sind, zeigt der neuerliche Auslieferungsantrag nach den Haag, den die Regierung nicht vollziehen will. Würden sie Seselj ohne weiteres nach Den Haag schicken, könnte dies unter den Radikalen einen sehr großen Tumult auslösen, dieser könnte erheblich sogar die eigene Wählerschaft betreffen, denn hier überschneiden sich die Wählerprofile. Also zögert man solange man kann eine Auslieferung hinaus und verweist auf den schlechten Gesundheitszustand, der sicher nicht fingiert ist, denn Seseljs Krebsleiden befindet sich im Endstadium. Der Tod Seseljs im Heimatland nützt den Regierenden mehr als die Auslieferung nach Den Haag und nach dessen Tod geht die Regierung als standhaft gegenüber den Kriegsverbrechertribunal hervor und würde so nicht an Wählerstimmen einbüßen.

Wie weit ist aber die Annäherung an die Europäische Union vorangetrieben? Seit 2008 ist das Assoziierungsabkommen unterschrieben und 2013 wurde es in Kraft gesetzt. EU und IWF geben den Kurs vor und Serbien folgt, denn Serbien stand schon mehrmals vor dem Staatsbankrott und hat die IWF-Kredite bitter nötig. Wer den IWF aber kennt, der weiß, dass dieser natürlich nicht ohne Aderlass seine Dollar fließen lässt. So muss Serbien natürlich bis ans Eingemachte sparen. Fraglich wie lange die Bevölkerung das auch mitmacht. Zum momentanen Zeitpunkt weist jedoch alles darauf hin, dass der Weg in die europäische Union fortgesetzt wird. Zudem unterzeichnete Serbien im März 2015 den Individuellen Partnerschaftsaktionsplan (IPAP) mit der NATO. Dies ist die höchste Partnerschaft eines Nichtmitglieds mit der NATO. Brisant, denn gerade diese NATO ließ völkerrechtswidrig Serbien bombardieren.

Es gibt aber in Serbien nicht nur starke nationalistische Tendenzen sondern auch eine große Affinität zum großen slawischen Bruder Russland. An Sanktionen gegen Russland hatte man sich nicht beteiligt, so profitiert auch Serbien weiterhin vom Handel mit Russland und das nicht unerheblich. Dies will aber von Regierungsseite niemand zugeben. Im Oktober 2014 wurde der russische Präsident mit allen Ehren und riesiger Parade, zum 70. Jahrestag der Befreiung Jugoslawiens von den Nationalsozialisten, empfangen. Das stieß Brüssel natürlich sehr sauer auf. Sollte sich Serbien aber wie die Ukraine zwischen EU oder Russland entscheiden müssen, könne so eine Situation in ein Desaster enden. Niemals würde sich Serbien zu einer Entscheidung zwingen lassen, denn dass dieses stolze Land mit Russland bricht, ist keinesfalls zu erwarten. Und mit dem Kosovo als großem Thema kann man immer noch in Serbien rechnen, zumal aus Pristina der Ruf nach einer Angliederung an Albanien laut wird. Ein solcher Wunsch könnte dann noch weitere Kreise ziehen, nämlich bis nach Mazedonien, welches zu einem großen Teil der albanischstämmigen Bevölkerung zugerechnet werden kann. Man merkt schon wieviel Sprengpotential am Balkan weiterhin vorhanden ist. Ein zündender Funke genügt und das Pulverfass Serbien pulverisiert den Balkan.