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Angehörige der Kasseler Neonazi-Szene sollen einen Mann eine Woche lang gefangen gehalten haben. Unter den Verdächtigen befinde sich ein Neonazi, der kürzlich im Münchner NSU-Prozess aussagen sollte. Die Tat sei im Dunstkreis des rechtsextremen Vereins Sturm 18 Cassel geschehen, sagte Götz Wied, Sprecher der Staatsanwaltschaft, am Donnerstag und bestätigte Medienberichte.

Der 40 Jahre alte Neonazi Bernd T. soll zusammen mit einem 27-Jährigen das Opfer vom 8. bis 15. April in einer Wohnung gefangen gehalten und es mit Schlägen und Tritten verletzt haben. Das 46 Jahre alte Opfer erlitt den Angaben zufolge Prellungen einen Rippenbruch. Die beiden Verdächtigen sitzen seit Mittwoch in Untersuchungshaft. Warum sie den Mann festhielten, wurde zunächst nicht bekannt. Sie äußerten sich bislang nicht zu den Vorwürfen, wie Wied sagte.

Erste Informationen zu dem Fall hatten Polizei und Staatsanwaltschaft am Mittwoch bekanntgegeben. Dem Opfer sei der Kopf geschoren worden, ihm seien Mobiltelefon und Rucksack gestohlen worden. Nach sieben Tagen gelang ihm die Flucht.

Ermittelt wird außerdem gegen zwei Frauen aus Kassel sowie einen 28 Jahre alten Mann aus dem Schwalm-Eder-Kreis. Sie sollen den Männern geholfen haben. Eine der beiden Frauen, eine 48-Jährige, soll ihre Wohnung in der Kasseler Nordstadt für die Gefangennahme zur Verfügung gestellt haben. Den fünf Verdächtigen wird unter anderem gefährliche Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Diebstahl vorgeworfen. Das ebenfalls verdächtige Trio sei nicht in Untersuchungshaft genommen worden, weil bei ihnen keine Fluchtgefahr bestehe, erklärte Wied.

Der 40 Jahre alte Kasseler Neonazi Bernd T. sollte vor rund einer Woche als Zeuge im NSU-Prozess aussagen. Er schickte aber an das Oberlandesgericht München (OLG) eine E-Mail, dass er «krankheitsbedingt verhindert» sei. Außerdem werde er keine weiteren Angaben zur Sache machen. Er sollte bereits im Februar über Kontakte von Neonazis aus Kassel zum «Nationalsozialistischen Untergrund» (NSU) aussagen. Damals war er in Bomberjacke, Militärhose und Springerstiefeln erschienen.

In dem Verfahren in München muss sich Beate Zschäpe verantworten, ihr wird die Beteiligung an einer Serie von zehn überwiegend rassistisch motivierten Morden und zwei Sprengstoffanschlägen zur Last gelegt.

Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion in Wiesbaden, Günter Rudolph, fordert Aufklärung. Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) müsse im Innenausschuss die Hintergründe des Falls erklären. «Wir wollen wissen, wie es dazu kommen konnte, dass ein bundesweit bekannter Neonazi über eine Woche einen Mann hat gegen seinen Willen festhalten können. Noch dazu möglicherweise zu einem Zeitpunkt, zu dem der Neonazi Bernd T. eigentlich hätte im Münchner NSU-Prozess aussagen sollen. Freiheitsberaubung ist eine gravierende Straftat», sagte er.

Medien zufolge soll Bernd T. versucht haben, den Gefangenen davon zu überzeugen, bei der Gruppe mitzumachen. Die Staatsanwaltschaft konnte dieses Motiv nicht bestätigen.

(dpa/lhe)