tanja gräff
© dpa/Polizei
Tanja Gräff ist tot: Das ist die einzige Gewissheit im Fall der 2007 verschwundenen Studentin. Die Hintergründe jedoch sind unklar. FOCUS Online gibt einen Überblick über die vielversprechendsten Spuren und größten Ungereimtheiten im Fall Tanja Gräff.
  • „Lass Tanja in Ruhe!“: Unbekannter brüllte Gräffs Begleiter kurz vor ihrem Verschwinden an
  • Ex-Ermittler wirft Polizei schwere Versäumnisse vor
  • Gräff hatte Kontakte in die Death-Metal-Szene
  • Anwohner will panische Frauenschreie gehört haben
Sie suchten mit Drohnen, Wärmebildkameras und Man-Trailing Hunden nach ihr, starteten Suchaktionen, die bis zu einem See nach Luxemburg reichten. Doch als Tanja Gräff acht Jahre später tot aufgefunden wird, liegt sie gerade mal einen Kilometer von dem Ort entfernt, an dem sie verschwand.

"Es stellt sich jetzt die Frage, wie akribisch die Polizei damals gesucht hat“, sagt Detlef Böhm, der Anwalt von Tanja Gräffs Mutter. Es ist nicht das erste Mal, dass Kritik an der Arbeit der Polizei laut wird. Der mittlerweile pensionierte Trierer Kriminalbeamte Günter Deschunty warf den Behörden erst im Januar vor, Hinweise nicht richtig zu verfolgen.

Dabei scheint es durchaus vielversprechende Spuren zu geben:

Spur 1: die „Spitzbart-Spur“

In einem Leserbrief an den Trierischen Volksfreund“ kritisiert der frühere Polizist Deschunty, dass der „Spitzbart“-Spur nicht richtig nachgegangen worden sei. Diese hat ihren Ursprung in der Nacht, in der Tanja Gräff verschwand, auf dem Sommerfest der FH in Trier. Eine Gruppe aus Männern war vorher zusammen gesichtet worden, einer von ihnen mit auffälligem Spitzbart am Kinn.

Um 3:50 Uhr soll ein anderer Mann aus dieser Gruppe aggressiv zu Tanja Gräffs Begleiter gesagt haben: „He, lass Tanja in Ruhe!“ Der Begleiter ließ die Studentin alleine mit dem Mann, den sie zu kennen schien. Das war das letzte Mal, dass die lebende Tanja Gräff zweifelsfrei identifiziert wurde. Im Zuge der Ermittlungen forderte die Polizei den unbekannten Mann über die Medien auf, sich zu melden - ohne Erfolg.


Ex-Kriminalbeamter: „Ermittlungen waren völlig unzureichend“

Ein Phantombild von ihm gibt es nicht. „Ein solches existiert allerdings seit 2007 von dem ‚Spitzbart‘“, schreibt der pensionierte Kriminalbeamte Deschunty. Das Phantombild des Bartträgers, der den unbekannten Mann offenbar kannte, sei jedoch nie veröffentlicht worden, wirft er der Polizei vor.

Erst vier Jahre nach Gräffs Verschwinden sei Deschunty bei internen Recherchen auf jemanden gestoßen, der dieser „Spitzbart“ sein könnte. Er kritisiert die Beamten: „Die nachfolgenden Ermittlungen waren völlig unzureichend.“ Nachdem er die Staatsanwaltschaft auf Versäumnisse hingewiesen habe, sei „scheibchenweise“ weiterermittelt worden - mit einem nicht akzeptablen Abschluss, so Deschunty.

Spur 2: die „Kabinenbahn-Spur“

Eine weitere Spur führt zu einer stillgelegten Kabinenbahn am Zurlaubener Ufer. Zwischen 4:20 und 4:30 Uhr in der Nacht von Tanja Gräffs Verschwinden habe er dort panische Schreie vom Parkplatz gehört, sagt ein Zeuge. „Lass mich“, soll eine Frau gerufen haben, dann noch einmal. Die Ermittler riefen mögliche weitere Zeugen des Vorfalls auf, sich zu melden. Ob die Schreie von Tanja Gräff stammten, konnten sie trotzdem nicht herausfinden.

Allerdings ist die Kabinenbahn nicht allzu weit entfernt vom FH-Gelände, etwa 15 Minuten zu Fuß. Sie liegt am Mosel-Ufer - jedoch nicht auf der Seite des Flusses, wo nun die Leiche gefunden wurde. Der Zeuge, der in jener Nacht einen weiblichen Hilfeschrei an der Mosel vernommen haben will, soll nun noch einmal gehört werden, wie der Oberstaatsanwalt am Dienstag bekannt gab.

Spur 3: die „Homburg-Spur“

Ungefähr 100 Kilometer entfernt von Trier liegt die Stadt Homburg. Zwei Tage nach Tanja Gräffs Verschwinden will ein Zeuge dort eine verdächtige Beobachtung gemacht haben, wie die Saarbrücker Zeitung damals berichtete.

Ein Mann soll eine schlanke Frau auf seiner Schulter über die Straße getragen haben, die der Studentin ähnlich gesehen haben soll. Auch diese Ermittlungen liefen jedoch ins Leere.

Spur 4: die „Death-Metal-Spur“

In den Wochen vor ihrem Verschwinden hatte Tanja Gräff offenbar einen neuen Freundeskreis erschlossen. So hätte sie häufiger Kontakt mit Personen aus der Death-Metal-Szene. Haben diese neuen Bekanntschaften etwas mit dem Fall zu tun?

Das sei nicht auszuschließen, fand offenbar die Mutter von Gräff. Sie machte den Kriminalbeamten im Trierischen Volksfreund Vorwürfe: Das Umfeld von Tanjas damals neuem Freundeskreis sei von den Ermittlern nie richtig unter die Lupe genommen worden. Dabei scheint sogar ein Zusammenhang zwischen den neuen Death-Metal-Freunden und einer anderen Spur zu bestehen: Denn auch die Gruppe rund um den „Spitzbart“ könnte dieser neuen Clique angehören, wurde vermutet.

20-köpfige Sonderkommission bewertet alle Spuren neu

Erweist sich eine dieser Spuren als die richtige? „Es ist noch ein weiter Weg bis zur Aufklärung des Todes von Tanja Gräff", sagt Oberstaatsanwalt Peter Fritzen. Alle knapp 3000 Hinweise und Spuren werden im Licht des Leichenfundes neu bewertet. Eine 20-köpfige Sonderkommission soll Licht ins Dunkel bringen.

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