Der Erreger des lebensbedrohlichen Darmkeims EHEC ist offenbar identifiziert. Es handelt sich um einen seltenen, sehr resistenten Typ.

EHEC-Erreger
© DPAIm Fokus der Forscher: Der EHEC-Erreger (Enterohämorrhagische Escherichia coli) konnte zwar jetzt identifiziert werden, doch die Quelle des Keims wurde bisher noch nicht gefunden.
Forscher des Uni-Klinikums Münster haben den EHEC-Typ identifiziert, der für die Welle von gefährlichen Darminfektionen in Deutschland verantwortlich ist. Wie das Uni-Klinikum am Donnerstag mitteilte, stellten die Forscher am späten Mittwochabend fest, dass es sich um „einen Vertreter des Typs 'HUSEC 41' des Sequenztyps ST678“ handelt.

Den Angaben zufolge ist dies einer von „42 repräsentativen EHEC-Typen“, die seit 1996 in Deutschland bei Patienten aufgetreten ist. Mit diesem EHEC-Typ sei es bislang weder in Deutschland noch weltweit zu dokumentierten Ausbrüchen gekommen.

Der EHEC-Typ sei ein „alter Bekannter“, der bislang nicht „auffällig in Erscheinung getreten“ sei, sagte der Direktor des Instituts für Hygiene des Uni-Klinikums, Helge Karch. Nach ersten Erkenntnissen ist der EHEC-Typ besonders resistent und spricht unter anderem auf Penicillin nicht an.

Laut dem Klinikum begannen Karch und sein Team mit der Entwicklung eines Testverfahrens, mit dem bei Patienten mit Verdachtsfällen eine schnelle Bestätigung der neuen Erregervariante durchgeführt werden soll. Der Test solle in wenigen Tagen zur Verfügung stehen.

Dieser solle auch helfen, die Epidemiologie von „HUSEC 41“, „zu der wir noch nichts wissen, aufzuklären“, betonte Karch. Die Identifizierung der Erregervariante sei „ein wichtiger Schritt auf der Suche nach den Übertragungswegen“.

Wissenschaftler versuchen unterdessen unter Hochdruck die Quelle des Erregers zu lokalisieren. Doch die Suche nach dem Auslöser der schweren EHEC-Fälle gleicht der Task Force Lebensmittelsicherheit zufolge einer Sisyphusarbeit.

„Die Kollegen sind dabei, die Nadel im Heuhaufen zu finden“, sagte deren Chef und zuständige Dezernatsleiter Verbraucherschutz am Regierungspräsidium Darmstadt, Tobias Lackner.

Die Mitarbeiter der Task Force durchforsten die Speisepläne der drei Kantinen und Großküchen, in denen sich die allermeisten hessischen EHEC-Patienten Mitte Mai infiziert hatten.

„Wir gleichen die sehr umfangreichen Lieferantenlisten ab, um herauszubekommen, woher die Waren kamen, die in den Kantinen verarbeitet oder verkauft wurden.“ Die beiden Frankfurter Einrichtungen wurden vorsorglich geschlossen, die Großküche in Darmstadt ist weiter geöffnet.

Nach einer jüngsten Studie sind die aggressiven EHEC-Bakterien wahrscheinlich auf Salatgurken, Blattsalaten oder rohen Tomaten zu finden. Das Robert Koch-Institut und Hamburger Behörden hatten die Speisen von 25 Erkrankten und 96 Gesunden vergleichbaren Alters und Geschlechts in der Hansestadt analysiert.

Es habe signifikante Unterschiede gegeben: Zwei Drittel aller Patienten mit der EHEC-Folgeerkrankung HUS hätten Salat, Tomaten und Gurken verzehrt, aber nur ein Drittel der Gesunden. Besonders deutlich sei das statistische Signal bei Tomaten gewesen.

EU besorgt über EHEC-Epidemie in Deutschland

Wegen der EHEC-Epidemie in Deutschland könnte bald europaweit die Alarmstufe 1 ausgerufen werden. Das sagte der Vorsitzende des Ausschusses für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit im EU-Parlament, Jo Leinen (SPD), der Neuen Osnabrücker Zeitung.

„Die EU-Kommission und wir im Parlament nehmen die besorgniserregende Entwicklung in Deutschland sehr ernst. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis der gefährliche EHEC-Erreger auch auf andere EU-Länder überspringt“ erläuterte Leinen. Das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten in Stockholm sei bereits eingeschaltet worden.

Bei der Alarmstufe 1 werden alle EU-Staaten aufgerufen, Maßnahmen zum Schutz ihrer Bevölkerungen einzuleiten, hieß es.

Derzeit erlebe Deutschland den stärksten je registrierten EHEC-Ausbruch, sagte RKI-Chef Reinhard Burger am Mittwochabend. Es gebe so viele Erkrankte pro Woche wie sonst in einem Jahr. Zwei Drittel der Betroffenen seien Frauen.

Beim aktuellen Krankheitsausbruch sind mindestens zwei Frauen nachweislich durch den Erreger gestorben. In weiteren Fällen besteht der Verdacht, dass EHEC die Todesursache ist. Zudem kann die Erkrankung Nierenschäden hinterlassen. Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) nannte die Ausbreitung „besorgniserregend“.

Bis Mittwoch waren mehr als 600 Fälle registriert, von denen aber noch nicht alle bestätigt sind - am Dienstag waren es noch etwa 460. Die Zahl der besonders schweren Krankheitsverläufe mit blutigem Durchfall und Nierenversagen ist laut RKI auf mindestens 140 gestiegen.

Meldungen über bestätigte Infektionen oder Verdachtsfälle kommen mittlerweile aus 15 der 16 Bundesländer - nur Rheinland-Pfalz hat noch keinen Fall gemeldet. Der Schwerpunkt der Infektionen liegt in Norddeutschland. Am stärksten betroffen ist derzeit Hamburg. Für den Stadtstaat und Schleswig-Holstein meldeten die Behörden zusammen mehr als 400 Erkrankungen und Verdachtsfälle.

Das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) befürchtet, dass dort infizierte Patienten sterben werden. „Wir müssen damit rechnen, Patienten zu verlieren“, sagte der Nierenspezialist Rolf Stahl. Den Angaben zufolge werden derzeit 33 Erwachsene und 14 Kinder behandelt.

RKI-Chef Burger glaubt, dass die Infektionszahlen abflauen werden, wenn das bakterienhaltige Lebensmittel gefunden sei.

Weitere Informationen über das EHEC-Bakterium: