Weder Sprache noch Bedeutung der Inschrift auf der Klinge lassen sich entziffern

Historiker sind ratlos: Eine Inschrift auf einem mittelalterlichen Schwert erweist sich als bisher unentschlüsselbar. Die in England gefundene Waffe trägt auf ihrer Klinge eine seltsame Buchstabenkombination, die nicht eindeutig einer Sprache zuzuordnen ist. Auch in Wörter lässt sie sich nicht klar gliedern. Jetzt haben die Historiker sogar die Öffentlichkeit zur Hilfe bei der Entschlüsselung dieser rätselhaften Inschrift aufgerufen.


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© British MuseumNahaufnahme der rätselhaften Inschrift auf dem Schwert von Witham
Im Mittelalter war es durchaus üblich, dass Schwertschmiede ihre Waffen durch Inschriften oder Symbole auf der Klinge kennzeichneten. Bekannt sind beispielsweise die legendären "Ulfberht"-Schwerter aus dem fränkischen Reich, die im 10. Jahrhundert als besonders hart und scharf galten. Andere Inschriften sollten Gott oder den Träger ehren oder waren eine Widmung.

In Gold eingelegte Buchstaben

Auf den ersten Blick ist auch das 1825 im Fluss Witham in Lincolnshire entdeckte Schwert keine Besonderheit. Die 1,2 Kilogramm schwere und 96 Zentimeter lange Waffe stammt aus dem 13. Jahrhundert und wurde wahrscheinlich damals in Deutschland geschmiedet. Es handelt sich dabei um ein für die damalige Zeit typisches zweischneidiges Schwert. "Mit ausreichend Kraft geschlagen, könnte es leicht den Kopf eines Mannes spalten", erklärt Julian Harrison von der British Library.

Doch bei näherem Blick erkennt man auf der Klinge eine seltsame Inschrift: +NDXOXCHWDRGHDXORVI+. Diese Buchstabenreihe ist mit Goldfaden eingelegt und sollte demnach durchaus auffallen. Doch was diese Inschrift bedeutet, ist selbst den Fachleuten des British Museums absolut unklar. "Es wurde spekuliert, dass es sich um eine religiöse Anrufung handeln könnte, weil die Sprache unbekannt ist", berichtet Harrison.

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© British MuseumDas mittelalterlcihe Schwert als Ganzes
Hilferuf im Internet

Um das Rätsel zu lösen, hat Harrison das Schwert und seine Inschrift auf einer Website vorgestellt und die Öffentlichkeit um Mithilfe dabei der Entschlüsselung gebeten. Das Schwert ist Teil der Sammlung des British Museum, im Moment wird es aber in einer Ausstellung der British Library zur Magna Carta ausgestellt. Unter den Reaktionen auf den Hilferuf war auch der von Marc van Hasselt, Mediävistik-Doktorand an der Universität von Utrecht.

Er lieferte wertvolle Hinweise, die möglicherweise bei der Entzifferung helfen könnten. Denn er hat eine im niederländischen Alphen gefundene Schwertklinge untersucht, die erstaunliche Ähnlichkeiten mit dem Schwert von Witham aufweist, wie er berichtet. "Das weckt die Vorstellung einer erfolgreichen Schwertschmiede, die damals 'magische' Schwerter für die Elite herstellte", so van Hasselt. Denn die Ähnlichkeiten in der Ausführung der Inschriften und sogar einzelne Buchstabenfolgen seien verblüffend.

Abgekürzter Segensspruch?

Nach Ansicht des Forschers ist es am wahrscheinlichsten, dass die Inschrift trotz ihrer kryptischen Buchstabenfolge lateinisch ist - und religiösen Inhalts. "In Kontext des 13. Jahrhunderts erscheint das sinnig, denn Latein war damals die internationale Verkehrssprache", erklärt van Hasselt. Gerade in religiösen Inschriften war es damals zudem durchaus üblich, bestimmte Wörter und Begriffe abzukürzen.

Geht man von dieser These aus, dann könnte der Beginn der Inschrift auf dem Schwert von Witham "NDXOX" gelesen werden als: "Nostrum Dominus" - unser Herr -, gefolgt von der Dreierreihung XOX. Diese taucht in umgekehrter Form auch auf dem Schwert von Alphen auf: "BENEDOXO". Hier könnte das Erste Wort für "Benedicat" - lateinisch Segen - stehen, dann folgt auch hier die Dreierkombi.

"Vielleicht beziehen sich diese Buchstabenkombinationen "XOX" und "OXO" auf die Heilige Dreifaltigkeit", mutmaßt van Hasselt. Auf dem Alphen-Schwert folgt diesem Einstieg eine Buchstabenfolge, die als verkürzter Hinweis auf den heiligen Sankt Martin gelesen werden kann. Van Hasselt vermutet daher, dass auch auf dem Schwert aus dem Fluss Witham ein Heiliger angerufen worden sein könnte.

"Indem wir Teile des Puzzles aus ganz Europa zusammenfügen, könnten wir der Lösung dieses Rätsels ein bisschen näher kommen", meint der Forscher. "Und selbst wenn wir die Inschriften nicht vollständig entziffern, könnte sie uns helfen, unsere Ahnen ein wenig besser zu verstehen."

Quelle:

British Library Medieval manuscripts blog