Der Polymerbaustein Bisphenol A schmälert den Fortpflanzungserfolg - zumindest bei Mäusen. Weibchen interessierten sich weniger für männliche Tiere, wenn diese im Mutterleib und als Säugling der Substanz ausgesetzt waren. Möglicherweise beeinflusst der Weichmacher auch das menschliche Verhalten.

Labormaus
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Immer wieder sorgt die umstrittene Chemikalie Bisphenol A (BPA), ein Zusatzstoff der Kunststoffindustrie, für Schlagzeilen. Der Stoff findet Verwendung bei der Herstellung von Kunststoffen, aus denen viele Alltagsgegenstände produziert werden. Darunter befinden sich etwa Verpackungsmaterialien, über die auch zahlreiche Lebensmittel in Kontakt mit der Chemikalie gelangen können.

Der Grund für den schlechten Ruf des BPA: Die Verbindung steht im Verdacht, bei Föten, Säuglingen und Kleinkindern Schäden bei der Gehirnentwicklung zu verursachen. Zudem wurde auch BPA mit Diabetes und Herz-Kreislauferkrankungen sowie Erektionsproblemen in Verbindung gebracht.

Nun haben Forscher möglicherweise einen weiteren negativen Effekt der Chemikalie entdeckt: Die chemische Verbindung könnte den Fortpflanzungserfolg von Männern schmälern. Zumindest bei Mäusen haben US-amerikanische Forscher eindeutige Hinweise darauf gefunden. Männliche Hirschmäuse, die man im Mutterleib und als Säugling dem Stoff ausgesetzt hatte, waren weniger beliebt bei den Weibchen. Außerdem taten sie sich deutlich schwerer, den richtigen Weg durch einen Irrgarten zu finden - eine Fähigkeit, die sie in ähnlicher Weise auch bei der Partnersuche benötigen.

Auch wenn man die Untersuchung an Mäusen durchgeführt habe, seien ähnliche Effekte bei anderen Spezies nicht auszuschließen, schreiben die Forscher im Fachblatt "Proceedings of the National Academy of Sciences". "Diese Ergebnisse haben vermutlich weitreichende Bedeutung auch für andere Spezies, einschließlich des Menschen, bei denen es bei Denk- und Verhaltensmustern ebenfalls angeborene Unterschiede zwischen Männchen und Weibchen gibt", erklärt Cheryl Rosenfeld von der University of Missouri in Columbia.

Auf lange Sicht könnten solche Verhaltensdefizite die Fähigkeit einer Art wie der Hirschmaus schwächen, sich in freier Wildbahn fortzupflanzen. "Ob es vergleichbare Gesundheitsrisiken für den Menschen gibt, bleibt unklar, aber es bestehen sicherlich Bedenken", sagt Rosenfeld.

Kein Effekt auf die Weibchen

Die Forscher hatten Hirschmausjunge schon im Mutterleib in Kontakt mit Bisphenol A gebracht, indem sie das Futter der werdenden und später säugenden Mütter mit dem Stoff versetzten. Die Dosis entsprach dabei Mengen, die in Bezug auf das Körpergewicht als nicht schädlich eingestuft werden. Das Futter, das die Mäuse nach der Entwöhnung bekamen, enthielt die Chemikalie dann nicht mehr.

Mit den erwachsenen Nagern führten die Forscher einige Verhaltensexperimente durch. Bei weiblichen Mäusen konnten Rosenfeld und ihre Kollegen keine Unterschiede zwischen Nagern mit und ohne Kontakt zu Bisphenol A in der Entwicklungszeit feststellen - anders bei den Männchen. So testeten sie deren Fähigkeit, zuverlässig den Weg durch einen Irrgarten in eine sichere Zuflucht zu finden.

Viele der Hirschmausmännchen, die in ihrer frühen Entwicklung Bisphenol A ausgesetzt waren, lernten es gar nicht, sicher den richtigen Ausgang zu finden. Artgenossen, die keinen Kontakt zu der Chemikalie gehabt hatten, lernten dies dagegen schnell. Bei der Partnersuche in freier Wildbahn brauchen Mäusemännchen diese Fertigkeit der räumlichen Navigation durch ihre Umgebung, um möglichst schnell und sicher ein Weibchen finden zu können. Weibchen dagegen sind nicht so sehr auf diese Fähigkeit angewiesen, da sie sich finden lassen.

In weiteren Versuchen, in denen die Forscher Männchen und Weibchen aufeinandertreffen ließen, beobachteten sie eine weitere Veränderung: Männchen, die Kontakt mit Bisphenol A gehabt hatten, weckten weniger Interesse beim anderen Geschlecht. Die Weibchen bevorzugten Artgenossen, die ohne Kontakt zu der Chemikalie aufgewachsen waren. "Die Hirschmäuse, die in unserer Studie Bisphenol A ausgesetzt waren, sahen völlig normal aus. Da ist nichts, was mit ihnen nicht in Ordnung wäre", sagt Rosenfeld. "Trotzdem sind sie eindeutig anders."

cib/dapd