Erste Ergebnisse der geophysikalischen Messungen lieferten keine Erkenntnisse für größere Hohlräume unter dem Erdfall in Schmalkalden. Hobby-Forscher zweifelt diese Aussagen an und vermutet altes Stollensystem mit ehemaliger Rüstungsproduktion unter dem Areal.
Erdfall Schmalkalden
© Archifoto: Sascha FrommDas Doppelhaus links neben dem Erdfall ist bis heute nicht bewohnbar. Kurz hinter den Garagen oberhalb des Kraters fällt der Berg steil ab. Dort befindet sich auch der Zugang zum Stollen. Die Aufnahme entstand wenige Stunden nach dem Unglück am 1. November 2010.
Erfurt. Der Erdfall in Schmalkalden vom 1. November des Vorjahres sorgt noch immer für Unruhe. Heute könnte am Fuß des betroffenen Röthberges nach Fundmunition gesucht werden. Auf einem Foto, das kurz nach dem Unglück in einem unterirdischen Stollen gemacht wurde, ist womöglich eine Granatkartusche zu sehen. Hobby-Forscher Ralf Ehmann aus Erfurt mutmaßt nun, dass diese aus dem hinteren Teil des beim Erdfall verschütteten Stollens gespült wurde. Er alarmierte gestern die Behörden wegen des brisanten Funds.

Übermorgen soll zudem über erste Ergebnisse der geophysikalischen Messungen am Unglücksort mit der Stadtverwaltung Schmalkalden beraten werden. Die Untersuchungen "haben keine Hinweise auf größere Hohlräume und Bunker ergeben", erklärt Lutz Katzschmann von der Thüringer Landesanstalt für Umwelt und Geologie in Jena. Auch im äußeren Bereich um den Erdfall seien keine Hinweise "auf Auffälligkeiten im Untergrund" entdeckt worden. Der Geologe verweist darauf, dass bisher erste Ergebnisse vorliegen, aber noch keine Abschlussgutachten.

Trotzdem werden die Experten bereits massiv von Ralf Ehmann kritisiert. Seine These: In Schmalkalden brach ein altes Bergwerk ein, in dem es wahrscheinlich Rüstungsproduktion gab. TLUG-Geologe Katzschmann äußert sich zurückhaltend. Er könne kleine Hohlräume nicht ausschließen aber Bunkerbauten. Der Stollen, der hinter einem Baumarkt beginne und in Richtung der Unglücksstelle verlaufe, habe zudem nicht die Größe, einen solchen Erdfall auszulösen, betont er.

Auch das Landesbergamt beschäftigte sich mit dem Stollen in der Nähe der Unglücksstelle. "Unsere Nachforschungen im Stadtarchiv von Schmalkalden ergaben, dass sich an der genannten Stelle Luftschutzbunker befunden haben", erklärt die Behörde in Gera. Diese seien im Jahr 1944 entstanden.

Schmalkaldens Bürgermeister Thomas Kaminski (SPD) präzisiert, dass im Oktober 1944 entsprechende Baupläne eingereicht wurden. "Von Zeitzeugen ist uns bekannt, dass mit den Arbeiten begonnen wurde", fügt er an. Aufzeichnungen über das wirkliche Ausmaß seien bisher nicht gefunden worden.

Von den übermorgen anberaumten Expertengesprächen erhofft sich die Stadtverwaltung Aussagen zur künftigen Nutzung der Häuser am Erdfall. "Zwei davon sind weiterhin gesperrt", so der Bürgermeister. Dort hätten sich auch in jüngster Zeit neue Risse gebildet. Die Gemeinde drängt nun im Interesse der Betroffenen auf eine schnelle Entscheidung.

Im Gegensatz zu den Behörden erklärt Ralf Ehmann, dass mit großer Wahrscheinlichkeit ein Stollen eingebrochen sei, in dem Rüstungsproduktion stattfand. Als Beleg dafür nennt er Zeitzeugen, ein gezieltes US-Bombardement der betroffenen Stelle im Februar 1945 und NS-Kriegsgefangene, die dort gearbeitet haben sollen, aber auch einen sowjetischen Militärcode, den er dekodiert habe.

"Wir nehmen diese Hinweise ernst", heißt es im zuständigen Umweltministerium genauso wie bei der TLUG und in der Schmalkalder Stadtverwaltung.

Für den Linke-Abgeordneten Tilo Kummer dagegen unternimmt das Land zu wenig, um die Ursache des Erdfalls zu klären. Bleibt es ein natürliches Ereignis, wie bisher behauptet, muss das Land keinen Schadensersatz zahlen. Sollte sich herausstellen, dass alte Stollen oder Bunker die Ursache waren, haften Thüringen oder der Bund für die Schäden: Für die Anwohner eine wichtige Frage.

Loch wurde binnen zwei Wochen verfüllt

Am 1. November 2011 bildet sich Nacht um 3 Uhr in Schmalkalden der Krater.
Der Erdfall hat einen Durchmesser von etwas mehr als 25 Metern.
Das Loch wurde in zwei Wochen mit rund 8000 Tonnen Kies verfüllt.
CDU-Landrat Ralf Luther schätzt diese Sicherungskosten auf 300.000 Euro.
Am 1. April dürfen zwei Familien und ein alleinstehender Mann wieder in ihre Häuser zurück.
Das Land stellte Soforthilfen für die Betroffenen in Höhe von insgesamt 180.000 Euro bereit.
14 Betroffene haben bisher die Hilfe von maximal 10.000 Euro beansprucht.
Insgesamt belaufen sich die Aufwendungen für geologische Erkundungen derzeit auf 370.000 Euro.
Seit der Katastrophe wurden für die Betroffenen rund 40.000 Euro gespendet. Bisher wurde davon noch nichts ausgezahlt.

Kai Mudra / 21.06.11 / TA