Aufarbeitung: Hans-Peter Hartmann ist Experte für Traumata und deren Bewältigung
Hans-Peter Hartmann
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ECHO: Herr Hartmann, was ist ein Trauma?

Hans-Peter Hartmann: Ein Trauma ist ein Zustand extremer Angst und Hilflosigkeit, ein Ereignis von außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophalem Ausmaß, das bei fast allen Menschen tiefgreifende Verzweiflung auslösen würde.

ECHO: War die Loveparade ein solches Ereignis?

Hartmann: Absolut. Jeder Mensch, der dieses massive Gedränge miterlebt hat, ist in gewisser Weise traumatisiert. Und dabei macht es kaum einen Unterschied, ob man am Boden lag, eine Leiche gesehen hat oder nicht. Die Todesangst und die Hilflosigkeit, die ein Mensch empfunden hat, sind ausschlaggebend.

ECHO: Wie reagieren die Menschen in der Regel, wenn sie in eine solche Situation geraten?

Hartmann: Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder reagiert ein Mensch nach dem Prinzip „Fight or Flight“ - also mit Angriff oder Flucht, oder mit Dissoziation. Das bedeutet, der Betroffene tritt neben sich und versucht, der Situation so zu entkommen. Diese Menschen geraten dann in eine Art Trancezustand oder werden apathisch. Wer wie reagiert und warum, ist schwer zu sagen. Vieles hängt von dem ab, was ich ein „sicheres Lebensgrundgefühl“ nenne: Je sicherer ein Mensch innerlich gebunden ist, desto wahrscheinlicher ist, dass er eine traumatische Situation ohne schwere seelischen Folgen überlebt.

ECHO: Was können Folgen eines solchen Traumas sein?

Hartmann: Wie schwer Betroffene leiden, hängt von vielen Faktoren ab. Aspekte einer posttraumatischen Belastungsstörung sind zum Beispiel Konzentrations- oder Schlafstörungen, aber auch Wutausbrüche und übermäßige Wachsamkeit.

ECHO: Wie können die Betroffenen am besten damit umgehen?

Hartmann: Sie sollten darüber reden, reden, reden - mit Freunden oder der Familie, in jedem Fall in einer sicheren Umgebung. Aber wenn die Symptome länger andauern als drei Monate, empfehle ich eine traumaorientierte Therapie.