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Anschlag in St. Petersburg: Schuldzuweisung statt Solidarität
Kaum ist der erst Schock über den schrecklichen Terroranschlag in St. Petersburg verflogen, schon kommen die subtilen und weniger subtilen Anschuldigungen gegen Russland und Putin. Anscheinend können unsere Medien nicht anders als selbst ein solch tragisches Ereignis für ihre antirussische Haltung auszuschlachten - wie geschmacklos. Aber der Reihe nach.

Die meisten westlichen Politiker hatten den Anstand, den Familien der Opfer ihre Solidarität auszudrücken. Allerdings hört der Anstand dort auch schon auf: Anders als bei anderen Anschlägen in Europa und den USA suchen wir vergebens nach Twitter-Kampagnen oder großen Worten von Promis. Das Brandenburger Tor wurde nicht mit den russischen Farben angestrahlt - im Gegensatz zu den Anschlägen etwa in Paris, Brüssel, London oder Istanbul, mit der fadenscheinigen Begründung, man mache das nur für Partnerstädte.

Das alles könnte man vielleicht noch als harmlose Vorsichtigkeit in einer politisch angespannten Situation interpretieren. Richtig schlimm wird es aber, wenn man sich die Berichterstattung in den Medien anschaut.

Zu Anfang berichtete Spiegel Online noch ziemlich objektiv und beschränkte sich auf die Fakten, sieht man einmal von der obligatorischen Benutzung des Worts "Staatsmedien" in Bezug auf russische Medien ab, womit man wohl zum Ausdruck bringen möchte, dass diese Medien vom Kreml gesteuert werden - ganz im Gegensatz natürlich zu den "freien" Medien hierzulande. Aber dennoch - das war sauberer Journalismus. Leider hielt diese Haltung nicht lange an.

Inzwischen scheint sich ein neuer Narrativ herauszubilden, der Russland und Putin implizit die Schuld an dem Terroranschlag gibt:
  • Hätte Putin damals nicht den brutalen Tschetschenien-Krieg angezettelt, gäbe es auch kein Terror-Problem. Selbst schuld!
  • Würde Putin nicht den brutalen Diktator Assad unterstützen, wäre Russland auch kein Ziel von Terroranschlägen. Selbst schuld!
  • Übrigens: Putin ist ein brutaler Herrscher, der Terrorismus als Vorwand benutzt, um... brutal zu herrschen natürlich!
Selbstverständlich sprechen die Medien das nicht immer so offen aus, aber meist reichen subtile Hinweise, die eine ganze Assoziationskette beim Leser auslösen, um genau dieses Narrativ in den Köpfen zu verankern.

Allerdings sind diese Anschuldigungen extrem widersprüchlich, nicht zuletzt dank Russlands Eingriff in den Syrien-Krieg, der allen vor Augen führte, wie verflochten westliche Geheimdienste und der Islamische Staat tatsächlich sind. Dadurch wurde es ziemlich schwierig, die Geschichte vom bösen Putin und guten Westen aufrecht zu erhalten. So schreibt zum Beispiel die Süddeutsche Zeitung über die Anschläge:
Hintergrund der Tat: Niemand hat sich zu der Tat bekannt. Terroranschläge in Russland hingen bisher meist mit dem Tschetschenienkrieg zusammen (hier mehr dazu). Da Russland in Syrien das Regime von Baschar al-Assad im Kampf gegen die Aufständischen unterstützt, hatte aber auch die Terrormiliz Islamischer Staat zum Dschihad gegen Russland aufgerufen. Beim IS kämpfen auch Tschetschenen. Russische Behörden befürchten vor allem Anschläge von Syrien-Rückkehrern.
Zunächst wird ein Zusammenhang zwischen Terroranschlägen und Tschetschenien-Krieg hergestellt und dabei impliziert, das eine habe zum anderen geführt. Dann wird behauptet, dass Russland das "Regime" Assads gegen die "Aufständischen" - also die guten, moderaten Rebellen - unterstützt. Allerdings findet das - merkwürdig aber auch - der IS nicht so gut und ruft deswegen zum Dschihad gegen Russland auf. Liebe SZ, könnte es nicht sein, dass Russland genau das tut, was Putin immer wieder betont: den IS bekämpfen? Aber das kann man natürlich nicht zugeben, denn dann würde Russland ja tatsächlich etwas Gutes tun! Die Formulierung im oben zitierten Artikel ist schon ein Glanzstück in der Kunst, die simple Tatsache zu verdrehen, dass Russland tatsächlich den IS bekämpft.

st petersburg attacker cctv
© Twitter/PEHDer mutmaßliche Attentäter - während die Medien westlichen Offiziellen blind glauben, bezweifeln sie erst einmal alles, was aus Russland kommt.
Vielleicht ist diese Widersprüchlichkeit auch der Grund, warum die Süddeutsche ihre Artikel zum Attentat in St. Petersburg so gut versteckt (wie übrigens auch die FAZ), während auf der Homepage Schlagzeilen wie "Opposition wirft Assad Giftgasangriff vor" oder "Das Bomben-Comeback" (über Streubomben) zu lesen sind. Soll doch niemand auf die Idee kommen, sich mit Russland zu solidarisieren - da braucht es schon eine Erinnerung daran, wie schlimm Assad/Russland doch ist. Diese mangelnde journalistische Unabhängigkeit drückt sich aber auch in Kleinigkeiten aus, wie etwa dieser Formulierung aus dem SZ-Artikel:
Die russischen Ermittler wollen den Täter identifiziert haben - er soll aus Kirgistan stammen.
Hier schwingt mit: Vorsicht, russische Offizielle lügen oft, bitte nicht glauben! Jedenfalls hätte man sicher nicht bei einem Anschlag in Deutschland über einen Vertreter des BKA geschrieben: "BKA-Ermittler wollen den Täter identifiziert haben."

Nicht viel besser sieht es bei Spiegel Online aus:
Die Sicherheitslage schien sich in den vergangenen Jahren beruhigt zu haben, Putins Versprechen von Stabilität im Land schien aufzugehen, auch wenn viele nur wenig Vertrauen in die Integrität der Sicherheitskräfte haben. Dabei gab es immer wieder Meldungen von Festnahmen angeblicher islamistischer Terroristen in Russland, insbesondere im Süden, im Kaukasus. Doch nicht immer ist klar, wer diese Täter sind und welcher terroristischer Verbrechen sie genau beschuldigt werden. Zuletzt war vergangene Woche in Tschetschenien ein russischer Militärstützpunkt angegriffen worden.

Experten warnen vor einer Radikalisierung der Islamisten im Land, auch weil Russland in Syrien militärisch eingreift und sich damit zum Ziel mache. Offiziell nennt Putin diese Operation einen Anti-Terror-Einsatz gegen den "Islamischen Staat".
Hier wird implizit behauptet, Russland nutze den Terrorismus als Vorwand für sein unterdrückerisches Handeln - und dass der Kampf gegen den IS nur eine Ausrede für Putin ist, etwas ganz anderes zu tun, nämlich Assad zu unterstützen. Fakten? Null. Beweise? Keine. Hier wurde - wie in deutschen Medien üblich - einfach nur der etablierte Narrativ aus den US-Medien blind übernommen.

Zwar ist es hierzulande noch nicht ganz so schlimm wie in den USA, wo in den Medien teilweise offen behauptet wird, Putin habe den Terroranschlag selbst inszeniert, aber es ist ungeheuerlich geschmacklos, wie auch deutsche Medien das tragische Ereignis in St. Petersburg für derartig heuchlerische Propaganda zu nutzen. Die Doppelmoral und Verlogenheit unserer Medien in Bezug auf Russland ist kaum auszuhalten. Gut, dass es alternative Medien gibt!