Peter Levine promovierte in medizinischer Biophysik und in Psychologie. In "Sprache ohne Worte" vereint der Traumaforscher seine Forschungen über Stress und Trauma und seine therapeutische Erfahrung mit den neuesten Erkenntnissen aus Gehirnforschung und Neurobiologie.

Peter A. Levine gehört zu den bedeutendsten US-amerikanischen Traumaexperten, der mit seinen Büchern längst den Sprung nach Europa geschafft hat. Jetzt legt er sein neuestes Werk vor: "Sprache ohne Worte" heißt es und es ist fast so etwas wie das "opus magnum" dieses Wissenschaftlers, der hier anschaulich, detailbesessen und mitunter sehr persönlich von seiner Forschung und seinen klinischen Erfahrungen berichtet und sie mit Neurobiologie, Psychologie und Verhaltensforschung verknüpft.

Ein Trauma, so Levine, ist das Ergebnis eines überlebenswichtigen, aber fehlgeleiteten Selbstschutzsystems. Der Körper bleibt - wenn ihm kein Ausweg geboten wird - gefangen, in der Reaktion auf die traumatisierende Situation. Levine selbst erlebte, was das heißt: Er wurde von einem Auto angefahren, flog in die Windschutzscheibe und dann auf die Straße. Erst als eine Frau sich zu ihm setzte und seine Hand hielt, löste sich sein erstarrtes Entsetzen. Zitternd und bebend konnte er seine Wut auf die Autofahrerin spüren und damit verhindern, dass sich ein Trauma langfristig etablierte.

Finden Menschen nach einem traumatischen Erlebnis keinen Weg, ihre Gefühle nach außen dringen zu lassen, bleiben sie gefangen in ihrer Furcht, ihrer Hilflosigkeit und ihrer Angst. Levine spricht hier von einer biologischen Reaktion, die auch Tiere erleben. Wird ein Opossum von einem Fuchs bedroht, stellt es sich tot. Hat der Fuchs von ihm abgelassen, zittert und schüttelt sich das Opossum und rennt dann los. Wenn Menschen dagegen ein Trauma nicht verarbeiten, hängen sie fest. Erinnert sie ein Geräusch an die traumatisierende Situation, verfallen sie automatisch in ihre damalige Reaktion: Sie schwitzen, ihr Herz rast, sie erstarren. Und genau das, gilt es zu überwinden.

Anhand mehrerer, anschaulich erzählter Fallgeschichten erläutert Levine, in welcher Weise der Körper von seinem Trauma erzählt und was man zur Genesung beitragen kann: Wohldosiert die ängstigenden Körperempfindungen spüren, sie von ängstigenden Gedanken trennen, körperlich aufmerksam registrieren und durchleben, damit man unabgeschlossene Handlungsimpulse und Wellen der Erregung aus der traumatisierenden Situation zum Abschluss bringen kann. Und zwar in Form eines selbst gesteuerten, kontrollierten Erlebens, bei dem man mit therapeutischer Hilfe heftige Gefühle auszuhalten lernt, ohne Impulse dramatisch auszuleben.

Unterfüttert wird Levines These mit wissenschaftlicher Grundlagenforschung. Im letzten Drittel des Buches jedoch verliert er sich etwas in allgemeinen Ausführungen zur Verbindung von Körper und Geist, den Funktionen der Emotionen und wiederholt sich an manchen Stellen fast wörtlich. Trotzdem liest man dieses Buch mit Gewinn. Indem Levine zeigt, wie sich eine traumatische Erfahrung durch ein gewahr werden der inneren Empfindungen aus der schrecklichen Situation auflösen lässt, macht er auch Mut: Wem es gelingt sein Trauma zu verarbeiten, der gewinnt nicht nur sein Leben zurück, sondern neue Stärke hinzu.

Besprochen von Ulfried Geuter

Peter A. Levine: Sprache ohne Worte. Wie unser Körper Trauma verarbeitet und uns in die innere Balance zurückführt

Aus dem Amerikanischen übersetzt von Karin Petersen,
Kösel Verlag, München 2011
448 Seiten, 27,99 Euro