Kommt alles schlimmer als erwartet? Der Internationale Währungsfonds rechnet mit einem herben Rückschlag für die Weltwirtschaft: Sowohl die Eurozone als auch die Vereinigten Staaten könnten in eine Rezession stürzen. Darum solle an manchen Stellen auch auf unkonventionelle Methoden gesetzt werden.

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© dpaDer IWF senkt seine Prognosen für Deutschland um 0,5 Punkte auf 2,7 Prozent Wirtschaftswachstum in diesem Jahr. Für die Finanzmärkte sind das keine gute Nachrichten.
Der Internationale Währungsfonds hat seine Prognosen für die Industrieländer zum Teil deutlich zurückgenommen. In ihrem neuen Weltwirtschaftsausblick sagen die Ökonomen des Fonds zwar noch keine globale Rezession voraus, wohl aber eine "schwache und holprige" Konjunktur. Die Weltwirtschaft befinde sich in einer "gefährlichen neuen Phase", das Risiko sei groß, dass alles noch schlimmer kommt als derzeit erwartet.

Konkret senkt der IWF seine Prognosen für Deutschland um 0,5 Punkte auf 2,7 Prozent Wirtschaftswachstum in diesem Jahr und um 0,7 Prozent auf 1,3 Prozent im kommenden Jahr. Trifft die Prognose zu, dann dürfte die ungewöhnlich gute Wirtschaftslage Deutschlands 2012 erst einmal zu Ende gehen. Noch stärker nimmt der IWF seine Zahlen für die Vereinigten Staaten zurück: um einen Prozentpunkt auf 1,5 Prozent in diesem Jahr und um 0,9 Punkte auf 1,8 Prozent 2012. Da in den USA 1,5 Prozent Wachstum notwendig sind, um die Arbeitslosenquote wenigstens stabil zu halten, gibt es angesichts dieser Zahlen wenig Chancen für Präsident Barack Obama, wie wirtschaftliche Lage vor der nächsten Wahl noch entscheidend zu verbessern.

Auch global wächst die Wirtschaft laut IWF langsamer, um 4,0 statt, wie bislang prognostiziert, um 4,5 Prozent. Die Entwicklungs- und Schwellenländer werden von der Krise der Industrieländer zwar ebenfalls beeinflusst, sie erzielen aber immer noch beeindruckende Wachstumsraten. China zum Beispiel erreicht in diesem Jahr 9,5 Prozent, was nur 0,1 Prozent unter der bisherigen Prognose des IWF liegt.

Vier Ursachen nennen die IWF-Ökonomen für die unerwartet ausgeprägte Wirtschaftsschwäche, die in der Mitte dieses Jahres eingesetzt hat: das katastrophale Erdbeben in Japan, die Euro-Krise, die Schwäche der amerikanischen Konjunktur und die Risikoscheu vieler Investoren. Jetzt warnt der Fonds vor allem vor zwei Risiken: Dass Europas Politiker die Kontrolle über die Schuldenkrise des Kontinents verlieren könnten und dass die amerikanische Politik die Lage der eigenen Wirtschaft noch verschlimmert.

"Es besteht das echte Risiko, dass übereilte Haushaltskürzungen die Wirtschaftsaussichten weiter verschlechtern, ohne dass die langfristigen Reformen angepackt werden, die notwendig wären, um die Staatsschuld auf eine nachhaltigere Ebene zu senken", heißt es im Bericht. Sowohl die Eurozone, als auch die Vereinigten Staaten "könnten zurück in die Rezession stürzen", warnt der IWF.

Der Fonds fordert die europäischen Politiker auf, die Beschlüsse des Brüsseler Krisengipfels vom Juli rasch umzusetzen. Er stützt auch den besonders in Deutschland umstrittenen Kurs der Europäischen Zentralbank unter Jean-Claude Trichet. Die EZB müsse "weiterhin kräftig intervenieren", um die Ordnung auf den Märkten für Staatsanleihen zu wahren. Gerate das Wachstum in Gefahr und bleibe zugleich die Inflation im Griff, sollte die EZB zudem ihren Leitzins senken.

Die IWF-Ökonomen drängen die Europäer auch dazu, ihre angeschlagenen Banken zu stabilisieren. Die Kreditinstitute müssten gezwungen werden, ihre Ausstattung mit Eigenkapital zu verbessern, bevorzugt durch "Lösungen der Privatwirtschaft". Seien die Banken nicht in der Lage, sich das Kapital auf dem freien Markt zu beschaffen, müssten sie "öffentliches Kapital oder die Unterstützung durch den europäischen Rettungsschirm EFSF akzeptieren, oder restrukturiert oder geschlossen werden". Die Vorschläge orientieren sich offenbar an dem Modell, nach dem die amerikanische Regierung nach dem Fall von Lehman Brothers 2008 das US-Bankensystem stabilisiert hatte.

Von den Vereinigten Staaten verlangt der Fonds eine mittelfristig angelegte Sanierungspolitik. Er stellt sich ausdrücklich hinter die "unkonventionelle" Geldpolitik der amerikanischen Notenbank Federal Reserve. Die Fed hatte zuletzt in großem Umfang Staatsanleihen aufgekauft und auf diese Weise die Wirtschaft mit frischem Geld geflutet. Bei der jüngsten Sitzung des Fed-Offenmarktausschusses ging es dem Vernehmen nach darum, durch Umschichtungen in der Fed-Bilanz die langfristigen Zinsen weiter zu senken, was ebenfalls als "unkonventionelle" Maßnahme gilt. Die Ergebnisse der Fed-Sitzung werden an diesem Mittwoch veröffentlicht.