Allein die Vorstellung ist ein Albtraum für Eltern wie deren Kinder. Es geht um Sexualverbrechen, bei denen die Täter sogenannte K.o-Tropfen einsetzen, um Opfer willenlos zu machen. Immer wieder machen Schlagzeilen die Runde, dass in Kneipen oder Diskotheken nach einem Drink der Blackout kam. Doch wie groß ist die Gefahr gerade auch in Mitteldeutschland.
k.o. tropfen
© ImagoZu Straftaten mit K.o.-Tropfen gibt es keine Statistik

Es war ein ganz normales Wochenende in Zerbst: Die Musik auf einer Karnevalsparty ist laut, die Stimmung ausgelassen, viele sind nicht mehr ganz nüchtern. Auch der Student Raimund Herms trinkt ein Bier, an die Stunden danach kann er aber sich nicht mehr erinnern: "Ich hatte mein Bier auf dem Tisch stehen lassen, getrunken und dann ruckzuck einen Filmriss, eine Gedächtnislücke. Ich wusste am nächsten Morgen nichts mehr vom Abend davor. Meine Eltern haben mich argwöhnisch angeguckt. Ich vermute, dass mir jemand was reingetan hat, weil ich nicht viel getrunken hatte. Ich hatte auch keinen Kater, keine Übelkeit."

Der heute 22-Jährige hat Glück gehabt. Freunde brachten ihn schnell nach Haus. Er wurde nicht ausgeraubt oder gar missbraucht. In verschiedenen Internet-Foren berichten jedoch dutzende, vor allem junge Frauen über ganz andere Schicksale. Da heißt es beispielsweise: "Mir war richtig richtig übel, Gedächtnisverlust, absolut willenlos. Es ist, als wär' die Erinnerung mit 'ner Schere abgeschnitten worden, als wär' ein Vorhang gefallen; warum ist meine Unterwäsche weg ... Ich will wissen, was mit mir passiert ist; er gab mir einen aus, meine Freundinnen haben mich nicht aufgehalten ..."

Keine offizielle Statistik

Experten vermuten, dass die Zahl von Vergewaltigungen mit Hilfe von K.o.-Tropfen stetig steigt. Offizielle Statistiken aber liegen nicht vor. Kriminalhauptkommissar Wolfgang Seidel von der Polizeidirektion Westsachsen: "Wir haben es mit einem Phänomen zu tun und das hat bekanntlich keine Zahlen, jedenfalls keine repräsentativen, wie sie jetzt gerne von mir hören würden." Aber: Man kenne Zahlen der Staatsanwaltschaft Leipzig: "Die sagt, dass 25 bis 30 Prozent aller Anzeigen bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung mit dem Hintergrund 'da war was im Glas' erstattet werden."

Polizei vermutet hohe Dunkelziffer

In Leipzig läuft derzeit ein Prozess gegen zwei Männer, die vier Frauen heimlich K.o.-Tropfen verabreicht und sich danach an den Opfern vergangen haben sollen. Kriminalhauptkommissar Seidel geht von einer hohen Dunkelziffer aus. Für die Opfer sei es meist schwer nachzuweisen, dass sie mit K.o.-Tropfen betäubt wurden. Denn schon nach ungefähr sechs Stunden habe der Körper den Stoff vollständig abgebaut. Hinzu kämen oft Schuld- und Schamgefühle der Opfer, die - sind K.o.-Tropfen im Spiel - oft nicht einmal wüssten, was mit ihnen geschehen ist. Und besonders problematisch: Der Wirkstoff für die K.o.-Tropfen sei leicht im Internet zu bekommen: "Online gibt es Foren, die alle Schritte beschreiben, wie man das auch ohne chemische Grundkenntnisse nachmachen kann."

Aufeinander aufpassen und Geschmack prüfen

Doch was rät man nun besorgten Eltern wie Jugendlichen? "Man sollte sich gegenseitig, ja beschnarchen bei einer Party, wenn man gemeinsam kommt, sollte man auch gemeinsam gehen. Man sollte Getränke nicht allein stehen lassen, gerade wenn man den Anbieter des Getränks nicht kennt. Man sollte aufpassen, dass eine Flasche frisch geöffnet wird, das sollte schon noch zischen und original verschlossen sein."

Die meisten K.o.-Tropfen seien farblos, aber nicht geschmacksneutral: "Ein bisschen nach Seifenlauge schmeckt das. Wenn ich aber ein Glas so ansetzen, dass es sich dreht, merke ich die Geschmacksveränderung nicht, wenn ich aber nur einen kleinen Schluck nehme und genau prüfe, schmeckt das irgendwie nach salziger Lauge, nach Seife, dann sollte ich das auf keinen Fall trinken"

Gut aber auf jeden Fall, wenn man Freunde hat, die aufpassen, so wie Raimund Herms: "Ich erzähle meine Geschichte auch immer wieder mehreren Leuten, damit nicht nur ich drauf aufpasse, sondern auch die anderen. Bis jetzt ist nie wieder was vorgefallen und ich hoffe auch, dass das so bleibt, sagen wir mal so."