Die aktuellen Berichte aus Fukushima belegen eindringlich, dass von einem Ende der atomaren Katastrophe keine Rede sein kann. Kraftwerksbetreiber Tepco hat jetzt mitgeteilt, dass am Reaktor 2 radioaktives Xenon-133 und Xenon-135 festgestellt worden sei. Das deutet darauf hin, dass die Kernschmelze dort nach wie vor anhält. Wie wenig man den Beteuerungen von Tepco Glauben schenken kann, dass davon "keine Gefahr" ausginge, zeigen neue Analysen des norwegischen "Institute for Air Research" über das tatsächliche Ausmaß der Katastrophe von Beginn an.

Es errechnete für die Tage vom 11. bis 15. März mit 16.700 Peta-Becquerel "die größte zivile Freisetzung in der Geschichte der Menschheit" bezogen auf Xenon-133. Die Werte von radioaktivem Cäsium-137 beliefen sich der Studie zufolge für die Monate März und April auf 36 Peta-Becquerel, gut 40 Prozent der geschätzten Freisetzung während der Tschernobyl-Katastrophe.

Bis heute wurde doppelt so viel Cäsium-137 in die Atmosphäre freigesetzt wie von der japanischen Regierung bisher zugegeben wurde. Die Wissenschaftler schätzen, dass ihre Luft-Messungen jedoch nur 19 Prozent der gesamten Cäsium-137-Menge erfassen. Alles andere sei ins Meer gelangt. Die Studie ist die bisher umfangreichste Untersuchung über die Ausbreitung der Radioaktivität durch die Katastrophe von Fukushima und wertet die Daten von rund 1.000 Messungen rund um die Welt aus, nicht nur in Japan, sondern auch in den USA und Europa. Den meisten bürgerlichen Medien war dies nicht mehr als eine Kurzmeldung wert.

Erneut sind nun in Japans Hauptstadt Tokio alarmierende Strahlenwerte gemessen worden. In einem Vorort Tokios erreichte die radioaktive Strahlung am Boden 57,5 Mikrosievert pro Stunde. Bereits vor anderthalb Wochen war ein radioaktiver "Hotspot" in Tokios Stadtteil Setagaya mit 75,5 Mikrosievert pro Stunde entdeckt worden. Als gerade noch "unbedenklich" gelten offiziell 2,6 Mikrosievert pro Stunde. Es wird noch viel mehr solcher Stellen geben, da die Wolken von radioaktivem Cäsium weit in den Großraum Tokio getrieben wurden.

Deshalb ist es sehr zu begrüßen, dass sich gerade in Japan der Widerstand gegen die Atompolitik der Regierung verstärkt. Rund 60.000 Menschen demonstrierten am 18. September in Tokio für die Stilllegung der Atomkraftwerke. Vorige Woche gingen 10.000 Menschen in Fukushima für eine vollständige Abfindung der Opfer der Atomkatastrophe und eine rasche Entgiftung der Region auf die Straße. Vor allem aufgrund der wachsenden Proteste sind derzeit in Japan nur zehn von 54 Atomkraftwerken überhaupt in Betrieb.

Trotz Fukushima hält das internationale Finanzkapital aber aus reiner Profitgier daran fest, weltweit rund 440 neue Atomkraftwerke mit einem Auftragsvolumen von ungefähr drei Billionen US-Dollar zu bauen. RWE und Eon wollen jetzt z.B. durch ihr gemeinsames Tochterunternehmen Horizon in Wylfa in Wales/Großbritannien ein neues 3,3-Gigawatt-Atomkraftwerk bauen.

Notwendig ist deshalb die Verstärkung des weltweiten aktiven Widerstands für die Stilllegung aller Atomanlagen. Die Defensive der Herrschenden in dieser Frage ist dafür eine günstige Bedingung. Auch in Belgien musste die Regierung nun die Stilllegung der sieben AKW des Landes bis 2015 ankündigen. Mitte Oktober gab es im indischen Bundesstaat Tamil Nadu Massenproteste gegen das Atomkraftwerk Koodamkulam. Fischer protestierten mit Hungerstreiks und Blockaden dagegen, dass das AKW in Betrieb geht (siehe "rf-news"-Bericht).

Auch in Deutschland nimmt die Anti-AKW-Bewegung ihre Proteste für die "sofortige Stilllegung der Atomkraftwerke in Deutschland" wieder auf. In Grafenrheinfeld demonstrierten am 28. Oktober rund 300 Menschen unter dem Motto "Euer Nonsens ist kein Konsens" für diese Forderung (siehe "rf-news"-Bericht). Für Ende November werden Aktionen gegen die geplanten Castor-Transporte mit hoch radioaktivem Atommüll in den maroden Salzstock bei Gorleben vorbereitet. In mehr als 57 Orten beteiligten sich letzten Samstag bereits bundesweit Initiativen an Protesten dagegen.

Jochen Stay, Sprecher der Anti-Atom-Organisation "ausgestrahlt“ sagt zum "Castor-Aktionstag": "Nach einem für uns Atomkraftgegner ereignisreichen ersten Halbjahr 2011 formiert sich der Protest jetzt neu. Denn mit der weiter völlig ungelösten Entsorgung der radioaktiven Abfälle brennt uns weiter ein riesiges Problem unter den Nägeln - wird doch in neun Reaktoren noch bis Ende 2022 Atommüll produziert, für den es nirgends einen sicheren Lagerplatz gibt."

Um den Widerstand zu einer international koordinierten Massenbewegung höher zu entwickeln, führen ILPS ("International League of Peoples' Struggle") und ICOR ("International Coordination of Revolutionary Parties and Organizations") seit dem 1. September eine internationale einjährige Kampagne mit dem Ziel der Stilllegung aller AKW weltweit durch. Der Weltklimatag am 3. Dezember muss zu einer Kampfansage an das Finanzkapital, die internationalen Energiekonzerne und ihre regierenden "Dienstleister" werden, die die Lebensgrundlagen der Menschheit rücksichtslos zerstören. Rettet die Umwelt vor der kapitalistischen Profitwirtschaft!