Die Castor-Transporte haben große Symbolkraft - doch transportiert wird insgesamt sehr viel mehr. Jahr für Jahr rollen 500 000 Transporte mit radioaktiven Stoffen durch Deutschland - von wenig strahlenden Materialien für die Medizin bis zu hoch radioaktiven Abfällen aus den Atomkraftwerken. Das ist das Ergebnis einer Studie im Auftrag der Grünen-Bundestagsfraktion, die der "Welt" vorliegt. Rund 10 000 Fahrten stehen dabei im engen Zusammenhang mit dem Betrieb von Atomkraftwerken. "Diese Transporte haben ein hohes Gefahrenpotenzial", sagt Studienleiter Wolfgang Neumann, Physiker und Atomexperte des Gutachterbüros Intac in Hannover. Problematisch ist vor allem Uranhexafluorid, ein Rohstoff für die Kernbrennstäbe. Er ist schon in geringsten Mengen hochgiftig und wird bereits bei 56 Grad Celsius zu Gas. Das stellt besondere Anforderungen an die Transportbehälter. Neuman hält die Sicherheitsauflagen nicht für ausreichend. Zwei Jahre hat er gebraucht, um die Daten aus den Bundesländern zusammenzutragen. Insgesamt herrsche eine große Intransparenz, sagt Neumann. Oft wüssten die Behörden nicht genau, was über ihre Straßen und Schienen rolle. Die Transporte erfolgten in der Regel als normales Gefahrgut ohne zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen.

Mit dem Lkw wird mehr transportiert als mit der Bahn. Die am stärksten genutzte Autobahn ist laut Studie die A 1 zwischen Bremen und Köln, auf der Schiene ist es die Strecke Hannover-Kassel-Würzburg. Allein die geplante Rückholung von radioaktiven Abfällen aus der Asse II wird laut Studie rund 10 000 Waggons erfordern. In Frankreich und Großbritannien lagern noch 170 Behälter mit deutschen Abfällen, und wenn erst einmal das Endlager-Konzept steht, müssen Castoren aus den Zwischenlagern umgelagert werden - rund 1000 Behälter. Häufigster Start- und Zielpunkt für Atomtransporte aber ist die Brennelementfabrik im niedersächsischen Lingen. Rund 70 Prozent der Produktion gehen an ausländische Kunden. Exporte nach Übersee werden über die Häfen Hamburg und Bremerhaven abgewickelt. In Rostock werden Touren von und nach Schweden umgeschlagen. Deutschland bezieht Brennstoffe auch aus Russland und den USA.

Aus der Urananreicherungsanlage Gronau in Nordrhein-Westfalen werden radioaktive Reststoffe nach Südfrankreich gebracht, dort bearbeitet und zur Zwischenlagerung zurückgefahren. Deutschland ist zugleich Transitland, etwa für den Transport von Brennelementen aus Schweden nach Frankreich oder aus den USA über Hamburg in die Schweiz.

"Wir müssen die gefährlichen Transporte in ihrer Anzahl reduzieren und die unvermeidbaren sicherer machen", sagt Sylvia Kotting-Uhl (Grüne). Die Wege sollten transparenter sein, damit Kommunen entlang der Strecke für mögliche Unfälle vorsorgen können. Die Bundesregierung müsse zudem erklären, was aus den atomwirtschaftlichen Fabriken werden soll: "Solange in Deutschland noch im großen Stil Brennstäbe für den Export produziert und transportiert werden, ist der Ausstieg aus der Atomenergie nicht wirklich vollzogen."