Alarmierende Studie beim Weltklimagipfel. Hamburger Forscher zeigen in Afrika, was Bauern gegen unfruchtbare Äcker unternehmen könnnen.
Frau holt Wasser in Kenia
© picture alliance/dpa/MaxpppWasser bei der Produktion in Kenia ist oft knapp.

ROM/HAMBURG. Ein Viertel der Fläche, die sich weltweit für die Landwirtschaft nutzen ließ, ist unfruchtbar. Gleichzeitig muss die Lebensmittelproduktion bis zum Jahr 2050 um 70, in Entwicklungsländern sogar um bis zu 100 Prozent steigen, um mit dem Bevölkerungswachstum Schritt zu halten. Dies geht nur mit einer nachhaltigen Landnutzung, die Böden nicht zerstört und sorgsam mit der Ressource Wasser umgeht.

Dafür gibt es weltweit Beispiele: China etwa fördert die traditionelle Fischzucht in Reisfeldern; in Kamerun produzieren fast 70 Gemeinschafts-Saatgutbetriebe Hirse- und Maissorten, die mit der zunehmenden Trockenheit zurechtkommen; in Vietnam entstand ein Vertriebsnetz für Biogasanlagen, mit denen Kleinbauern aus Schweine- oder Kuhexkrementen Energie und Dünger gewinnen.

Dass es angesichts des Klimawandels dennoch schwierig werden wird, für Ernährungssicherheit zu sorgen, zeigt ein Bericht über die Agrarflächen und Wasserressourcen, den die Welternährungsorganisation FAO anlässlich des Uno-Klimagipfels in Durban (Südafrika) vorgelegt hat. Darin steht, dass sich nur zehn Prozent der Agrarflächen verbessert haben, ein Drittel jedoch unfruchtbar geworden ist. Auch der zweite wichtige Produktionsfaktor, das Wasser, wird zunehmend knapp. Dabei lasse sich die sogenannte Grüne Revolution - seit 1960 wuchsen die Ernten um 150 bis 200 Prozent, die Flächen gerade einmal um zwölf Prozent - nicht fortschreiben, heißt es im FAO-Bericht.

"Die Produktion steigerte sich weltweit, aber dabei verstärkte sich die Abhängigkeit von Bewässerungssystemen, Kunstdüngern und Pestiziden. Sie alle kosten Ressourcen, können teuer sein und die Böden deutlich verschlechtern", schreibt das Worldwatch Institute (Washington, D.C.). Bereits heute hat sich nach Angaben der FAO der Zuwachs der landwirtschaftlichen Produktion im Vergleich zu den Spitzenraten halbiert. Zu viel Kunstdünger und Pestizide versalzen Böden oder Grundwasser, zerstören das Leben im Boden.

Ein Großteil der gesteigerten Produktion basiert zudem auf künstlicher Bewässerung - sie verdoppelt die Ernten im Durchschnitt. Doch auch die Ressource Wasser ist oft rar. Gewässer und Grundwasser werden verschmutzt, etwa durch ungeklärte Abwässer aus Siedlungen und Industriebetrieben. Und der Klimawandel verstärkt das Risiko, dass sich die Niederschläge in vielen Agrarregionen zukünftig ändern.

Viele Bewässerungssysteme seien ineffizient, schreibt die FAO. Moderne Technologien und Weiterbildung der Bauern könnten den Umgang mit dem Wasser verbessern. Zu weiteren Möglichkeiten, die Ernährungssicherheit zu stärken, zählten eine innovative Landwirtschaft, die auf das Pflügen verzichte und organische Abfälle auf den Feldern belasse, der kombinierte Anbau von Bäumen und Ackerkulturen (Agroforstwirtschaft) oder die Integration von Viehhaltung und Pflanzenbau.

"Die von der FAO vorgeschlagenen Ansätze sind einseitig", kritisiert Prof. Norbert Jürgens vom Biozentrum Klein Flottbek. "Es geht nicht nur darum, die Landwirtschaft besser zu planen, sondern die Landnutzung insgesamt. Siedlungen und Verkehrsentwicklung konkurrieren mit der Nahrungsmittelproduktion um Flächen. Die FAO fordert eine verbesserte Bewässerung. Gleichzeitig zerstören gerade in Afrika riesige Bergwerkprojekte die Grundwasservorkommen. Oder der landwirtschaftliche Wasserkonsum trocknet unter Schutz stehende Naturregionen aus."

Jürgens forscht seit vielen Jahren in Afrika zu biologischer Vielfalt und nachhaltiger Landnutzung. Er und sein Team arbeiten in einem Projekt, an dem sich zahlreiche deutsche Hochschulen beteiligen: Gemeinsam mit afrikanischen Partnern bauen sie Forschungs- und Beratungszentren auf, die das Thema vor dem Hintergrund des Klimawandels bearbeiten.

Kollegen unter anderem aus Bonn, Würzburg und Augsburg engagieren sich für ein Zentrum in Westafrika. Die Hamburger bauen eines im südlichen Afrika auf, an dem sich Angola, Botswana, Namibia, Südafrika und Sambia beteiligen. Jürgens: "Die Zentren kümmern sich um die Ressourcen Wasser, Wälder und Bodenfruchtbarkeit. Sie legen Obergrenzen für den Wasserverbrauch, die Waldrodung und die Ackerfläche fest." In der kommenden Woche trifft sich der engagierte Ökologe in Durban am Rande des Klimagipfels mit 15 afrikanischen Umweltministern, um das Thema voranzubringen.

Wie gut afrikanische Staaten beim Ressourcenschutz zusammenarbeiten können, zeige sich in der Okavango-Region, sagt Jürgens. Dort betreiben vier Institute der Universität Hamburg unter seiner Leitung das fünfjährige Projekt "Future Okavango", untersuchen die natürlichen Ressourcen entlang des 1700 Kilometer langen Flusses, der durch Angola, Namibia und Botswana führt, bevor er im weltgrößten Inland-Delta in der Erde versickert. Jürgens: "Die Länder gründeten die Okavango-Kommission, um die Wasserressource gemeinsam zu bewirtschaften. Das funktioniert sehr gut - und das ist keine Selbstverständlichkeit. Erklären Sie einmal einem armen Bauern am Oberlauf in Angola, dass er die Wälder schont, den Fluss nicht übernutzt oder verschmutzt, damit im Extremfall die Touristenlodges am Unterlauf in Botswana mit Wasser versorgt sind."

Bei der Sicherung der Welternährung stünden noch immer Marktinteressen im Vordergrund, kritisiert Jürgens. Das gelte auch bei der Konkurrenz zwischen dem Anbau von Nahrungsmitteln und Energiepflanzen. Er lobt die namibische Politik: "Gerade haben Parlament und Regierung beschlossen, keine Energiepflanzen zu fördern, etwa den Jatropha-Anbau zur Dieselproduktion." Jürgens rät der Welternährungsorganisation, stärker die kleinbäuerlichen Strukturen zu beachten: "70 bis 80 Prozent der in Afrika produzierten Nahrungsmittel wachsen auf Flächen heran, die kaum größer sind als unsere Gärten. Immerhin geraten die Kleinbauern allmählich in den Fokus von Fördereinrichtungen. Für die Agrar-industrie ist die arme Landbevölkerung als Kundschaft dagegen uninteressant."

"Weltweit haben die Ärmsten den schlechtesten Zugang zu Land und Wasser. Sie sitzen mit ihren kleinen Farmen in der Armutsfalle, bewirtschaften schlechte Böden und sind besonders verletzlich gegenüber abnehmender Bodenfruchtbarkeit und klimatischen Unsicherheiten", heißt es in dem FAO-Bericht. Das Problem hat die Uno-Behörde offenbar im Blick. Einige Staaten packen es bereits an, haben Programme speziell für kleinbäuerliche Strukturen auf den Weg gebracht. Das zeigen die Beispiele aus China, Kamerun und Vietnam am Beginn des Textes.