Koblenz - Einen solchen Rummel sind Horst Lenz und seine Leute nicht gewöhnt. Gerade noch haben die Mitarbeiter des Kampfmittelräumdienstes hoch konzentriert und mit ruhiger Hand zwei Bomben entschärft und ein Nebelfass gesprengt - kurz darauf sind sie von Kameras, Scheinwerfern und Mikrofonen, von Journalisten und Politikern umringt.
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© DENISE HÜLPÜSCHHorst Lenz (links) im Rampenlicht: Nach der erfolgreichen Entschärfung wird der Leiter des Kampfmittelräumdienstes als Held gefeiert.

„An Munition gibt es viel Schlimmeres als das hier“, versucht Lenz den Großeinsatz zu relativieren. Es nützt nichts: Nach der größten Evakuierungsaktion der deutschen Nachkriegsgeschichte herrscht Begeisterung. Sogar Kurt Beck ruft den Leiter des Kampfmittelräumdienstes an, um sich zu bedanken und sein Team nach Berlin einzuladen.

Es ist ein langer Tag für die Experten. Um 13.36 Uhr hat zunächst das Warten auf den Großeinsatz ein Ende: Halb Koblenz ist evakuiert, die letzten Ordnungskräfte haben die Sperrzone verlassen, die Bomben am Pfaffendorfer Rheinufer sind vorbereitet. Die Entschärfung kann beginnen. Um 15.48 Uhr ist dann das meiste geschafft, Fliegerbombe und Luftmine sind entschärft. Um 16.26 Uhr erfährt Koblenz durch einen lauten Knall, dass auch das Nebelfass unschädlich gemacht wurde.

Schon vormittags legt der Kampfmittelräumdienst die Luftmine in ihrem „Pool“ aus Sandsäcken trocken. Als die technische Einsatzleitung um 13.20 Uhr meldet, dass die Evakuierung abgeschlossen ist, können sie die Bomben selbst vorbereiten - vorher dürfen sie nicht angerührt werden. Die „kleine“ Fliegerbombe wird mit einem Seil aus dem Wasser gezogen, die Zündvorrichtungen werden gesäubert. An der Luftmine wird eine sogenannte Seilscheibe befestigt, mit der die Bombe aus der Entfernung entschärft werden kann. Zwei Teams à vier Mann sind bei der Entschärfung im Einsatz, darunter fünf Koblenzer.

Für Marco Ofenstein, Kolonnenführer der Räumgruppe Koblenz, ist dieser Einsatz besonders nervenaufreibend. Sein Job ist es heute, die Fragen Dutzender Journalisten zu beantworten, Interviews zu geben und einen Zünder in die Kamera zu halten, den er als Anschauungsobjekt mitgebracht hat. Er wäre lieber woanders - in Pfaffendorf, bei seinem Team. „In Gedanken bin ich bei meinen Kameraden“, sagt Ofenstein.

Es gefällt ihm nicht, nicht dabei zu sein. „Bei einem Einsatz bin ich konzentriert bei der Arbeit, da bin ich nicht nervös.“ Wenn man Angst hat, kann man diesen Job nicht 30 Jahre lang machen, sagt er. Nach der Entschärfung betont er im Kreis der Kollegen: „Das nächste Mal bin ich wieder bei der Entschärfung dabei!“ Teamkollege Frank Bender resümiert: „Es lief alles nach Plan.“ Die vergleichsweise kleine 125-Kilo-Bombe entschärft eines der beiden Teams als erstes. Als ihr Zünder gereinigt ist, gibt es anders als befürchtet keine Probleme, ihn zu entfernen, erzählt Bender. Danach bringen sie schon mal die Sprengladung am Nebelfass an und helfen dann bei der Luftmine mit.

Diese Waffe mit ihrer gewaltigen Sprengkraft unschädlich zu machen, ist den Experten zufolge unproblematisch, aber aufwendig. Mit der am Zündkörper befestigten Seilscheibe, die an eine Felge mit einem aufgewickelten Seil erinnert, kann der Kampfmittelräumdienst sie aus der Distanz entschärfen. Hinter einem Haus gehen die Männer in Deckung, ziehen an dem Seil und können so nach und nach die drei Zünder entfernen. Das Risiko ist trotzdem hoch: Die Überlebenschance liegt auch bei der Fernentschärfung nur bei 75 Prozent, wenn so eine Bombe hochgeht, sagte Lenz.

Die Experten sind so auf die Arbeit fokussiert, dass sie den ganzen Rummel in der Stadt völlig ausblenden. „In der Nacht vorher habe ich ganz normal geschlafen“, sagt Kurt Mazzucco. Seine Kameraden stimmen zu: Aus der Ruhe lassen sie sich nicht so schnell bringen. „Wenn ich nervös bin, wird es auch nicht besser“, sagt Lenz.

Schließlich fehlt nur noch das Nebelfass, das um 16.26 Uhr kontrolliert gesprengt wird. Die Feuerwehr rückt kurz darauf an, um zu messen, ob giftige Gase aus dem Fass ausgetreten sind. Als es Entwarnung gibt, ist die Luft buchstäblich rein: Die Evakuierung wird aufgehoben, 45 000 Koblenzer können heimkehren. Ein Schiff mit Verladekran holt die Bomben noch am selben Abend ab und bringt sie zum Hafen. Dort werden sie in einen Lkw verladen und ins zentrale Zwischenlager für Fundmunition gebracht. Wo das liegt, ist geheim, sagt Ofenstein: „Man will ja keine ungebetenen Gäste haben.“