Rom. In Rom ist der Direktor der italienischen Steuereinzugsbehörde durch ein Attentat schwer verletzt worden. Zu der Tat bekannte sich die "Informelle Anarchische Föderation". Sie hatte bereits am Mittwoch einen Anschlag auf Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann versucht.

Die italienischen Anarchisten, die am Mittwoch einen Anschlag mit einer Briefbombe auf den Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank, Josef Ackermann, versucht haben, haben erneut zugeschlagen. Gestern Mittag explodierte bei der staatlichen Steuereinzugsgesellschaft Equitalia im Süden Roms eine weitere Briefbombe. Dabei wurde Equitalia-Generaldirektor Marco Cuccagna an der Hand und am Auge verletzt. Das bestätigte eine Sprecherin der Polizei von Rom. Italienische Medien berichteten, Cuccagna habe ein Fingerglied verloren, als er den Umschlag einer Postsendung öffnete. Cuccagna wurde zur Operation ins Krankenhaus gebracht; er habe an beiden Augen operiert werden müssen, schwebe aber nicht in Lebensgefahr, hieß es. Der an Cuccagna adressierte, gefütterte Umschlag wurde Equitalia offenbar mit der normalen Post zugestellt.

Der zuständige römische Staatsanwalt Pietro Saviotti sprach von terroristischen Motiven. In dem Umschlag wurde nach Angaben der Nachrichtenagentur Ansa ein Handzettel der "Informellen Anarchischen Föderation" (FAI) gefunden. Das Attentat der FAI auf Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann vor drei Tagen war noch fehlgeschlagen: In der Poststelle der Deutschen Bank in Frankfurt am Main war ein an Ackermann persönlich adressierter Umschlag aufgefallen. Beim Durchleuchten hatte sich dann herausgestellt, dass er eine Zündvorrichtung enthielt. In dem Fall ermittelt inzwischen die Bundesanwaltschaft.

Das Päckchen an Equitalia sei ebenso wie das an Ackermann in Mailand abgesendet worden, hieß es. Auch die Bombe an Ackermann war voll funktionsfähig. In ihrem auf Italienisch verfassten Bekennerschreiben hatte die FAI am Mittwoch "drei Explosionen gegen Banken, Bankiers, Zecken und Blutsauger" angekündigt. Das gestrige Schreiben sei beinahe identisch mit dem aus der Ackermann-Bombe, erklärten die italienischen Sicherheitsbehörden am Abend. Für Deutschland gibt es nach Angaben des hessischen Landeskriminalamts derzeit keine neuen Hinweise auf weitere Briefbomben.

Der italienische Ministerpräsident Mario Monti erklärte sich solidarisch mit Equitalia: Das Unternehmen habe immer seine Pflicht getan und die Gesetze respektiert. Es habe eine "grundlegende Funktion für das Funktionieren des Staates": "Ohne Equitalia wäre es nicht möglich, die italienischen Bürger und ihre Familien mit öffentlichen Diensten zu versorgen."

Die Tat von Rom ist das nächste Attentat in einer langen Reihe von FAI-Anschlägen mit Briefbomben. Gleichwohl ist über die Gruppe wenig bekannt: In Italien wurde bislang noch kein "Kämpfer" der FAI verurteilt. Bekannt ist immerhin, dass die "Informelle Anarchische Föderation" vom Geheimdienst als terroristische Gruppe eingestuft wird. Seit Weihnachten 2003 hatte die FAI mit einer Reihe von Briefbomben auf sich aufmerksam gemacht - zunächst in Brüssel. Adressaten waren damals der neu ernannte Präsident der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, und der damalige Präsident der EU-Kommission, der Italiener Romano Prodi. Auf Prodi verübte die FAI sogar zwei Anschlagsversuche. Er blieb aber beide Male unverletzt.

Weitere Attentate folgten, so 2009 in der privaten Mailänder Wirtschaftsuniversität Luigi Bocconi. Dort war damals der heutige Ministerpräsident Mario Monti Präsident. Es gab allerdings nur geringen Sachschaden. Die FAI hat sich auch zu drei Paketbomben-Attentaten auf Botschaften in Rom Ende vergangenen Jahres bekannt, bei denen zwei Menschen schwer verletzt wurden, ebenso wie im März dieses Jahres zu einem vereitelten Briefbombenanschlag auf ein Athener Hochsicherheitsgefängnis und zu einem Attentat auf eine Kaserne in Livorno, bei der ein Oberstleutnant sämtliche Finger der rechten und drei der linken Hand verlor.

Der Corriere della Sera schrieb gestern, italienische Spezialisten seien nicht überrascht, dass die FAI nun wieder aktiv werde. Im Internet hätten sie auf einschlägigen Seiten verstärkte Kommunikation beobachtet. Mit den weiteren Ermittlungen ist nun die "Divisione Investigazioni Generali e Operazioni Speciali" beauftragt, eine Spezialeinheit der Staatspolizei.