Essstörung
© ColourboxEltern übersehen die Essstörungen ihrer Töchter, sagen Psychologen
Wissenschaftler der Universität Dresden stellten kürzlich ihre erschreckende Zwischenbilanz einer Studie zu Essstörungen vor: Viele Eltern nehmen die Essstörungen Ihrer Töchter nicht ernst und ignorieren sie gar wissentlich. Etwa die Hälfte der Eltern von Mädchen, bei denen eine Essstörung diagnostiziert wurde, lehnte sogar ein diagnostisches Gespräch ab, das ihnen von Dresdener Psychologen angeboten wurde.

Eltern reagieren teilweise abweisend auf Angebote der Psychologen

Für die Studie, bei der ein familienbasiertes Vorsorgeprogramm gegen Magersucht entwickelt werden soll, wurden 6.000 Fragebögen an über 40 Schulen in Dresden verschickt. Zielgruppe waren Kinder in der Pubertät zwischen elf- bis 17 Jahre und ihre Eltern. Anhand des Fragebogens sollte ermittelt werden, ob ein Risiko für eine Essstörung besteht. Ist dies der Fall, wird den Kindern und Eltern die Möglichkeit angeboten, ein ausführliches Gespräch mit Experten zu führen. Erhärtet sich dabei der Verdacht auf ein erhöhtes Risiko für Essstörungen, können die Eltern an einem internetbasierten Vorsorgeprogramm teilnehmen.

Bedauerlich ist, dass nur etwa 25 Prozent der Fragebögen ausgefüllt zurückgesendet wurden. Psychologen stellen daraus bei knapp 150 Mädchen ein erhöhtes Risiko für Essstörungen und Untergewicht fest und luden die Betroffenen und ihre Eltern zu einem Gespräch ein. 50 Prozent der Eltern nahmen die Gesprächseinladung jedoch nicht an, zum Teil mit sehr harschen Reaktionen: „Für so 'nen Scheiß hab' ich keine Zeit."

Immer mehr Kinder und Jugendliche erkranken an Essstörungen

Prof. Dr. Tilman Fürniss und Dr. Annabel Köchling von der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie am Uniklinikum Münster berichten, dass bei etwa jedem fünften Heranwachsenden zwischen elf und 17 Jahren Verdacht auf Essstörung besteht. Klinikdirektor Fürnis erläutert, dass heute sogar schon Neuenjährige an Essstörungen leiden, während vor wenigen Jahrzehnten hauptsächlich Jugendliche zwischen 14 und 16 betroffen waren. Inzwischen bestehe bei etwa jedem dritten Mädchen und jedem siebten Junge zwischen elf und 17 Jahren begründeter Verdacht auf eine krankhafte Essstörung.

Der Klinikdirektor weist in diesem Kontext darauf hin, dass Essstörungen unbedingt ernst genommen werden sollten. So führe Magersucht (Anorexie) beispielsweise nicht nur zu extremem Gewichtsverlust sondern auch zur Verringerung der Gehirnmasse. „Es schrumpft um 20 bis 30 Prozent und stellt in einigen Bereichen komplett die Funktion ein,“ erläutert der Experte. Hinzu kommen gravierende Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System.

(ag)